Mit dieser App wollen die Gründer die Bürgerbeteiligung digitalisieren.

Der Bau einer Kindertagesstätte, eines Radweges oder einer Umgehungsstraße – vor allem bei der Planung kommunaler Projekte haben Bürger Gelegenheit, der Politik und der Verwaltung ihre Meinung zu sagen und Entscheidungsprozesse zu beeinflussen. Das Startup CitizenLab will diese Prozesse mit Hilfe des Internets transparenter machen, effizienter und nebenbei auch billiger. Das Netz soll mehr direkte Demokratie ermöglichen und das zivilgesellschaftliche Engagement stärken. Im Ausland gibt es dafür bereits positive Beispiele. Jetzt sind die Gründer in deutschen Amtsstuben unterwegs, wo sie für ihre Plattform werben. Sie bohren ein dickes Brett.

Die belgische 200.000-Einwohner-Stadt Lüttich bietet ein positives Beispiel. Einst eine schmutzige Bergbaustadt, dann ein Opfer der Stahlkrise – und was nun? Die Stadt suchte einen neuen Masterplan. Und den wollte sie mit ihren Bürgern entwickeln. Er sollte die Prioritäten für die nächsten Jahre festlegen.

Die Bürger wurden mit Social-Media-Kampagnen über Twitter und Facebook mobilisiert, mit einem Newsletter informiert und bei Vor-Ort-Präsentationen durch den Bürgermeister in den Stadtteilen aufgefordert, Visionen für die Zukunft ihrer Stadt zu entwickeln und auf der Internetplattform CitzenLab mit ihren Mitbürgern zu teilen und zu diskutieren.

Fast 30.000 Bürger machten mit und äußerten innerhalb von vier Monaten mehr als 1000 Ideen, die öffentlich zur Diskussion gestellt und in Votings mit insgesamt 90.000 Likes bewertet wurden. Sie werden nun ausgewertet und politisch beraten. „Unter dem Strich beteiligten sich mehr als 15 Prozent der Bevölkerung“, sagt Thomas Balbach, der die Internetplattform CitizenLab in Deutschland vermarktet. Das Lütticher Beispiel habe gezeigt, wie mehr Vertrauen und Kooperation zwischen der Regierung und Öffentlichkeit durch bürgerliches Engagement und bürgerschaftliche Partizipation erzeugt werden könne.

Digitale Lösung für Bürgerbeteiligung

Das Startup hat eine App entwickelt, die beteiligte Städte individualisieren können. Am Frontend geben Bürger ihre Ideen und Meinungen ein. Am Backend werden die gewonnenen Daten von den Behörden ausgewertet. Die Diskussion wird moderiert und die beteiligten Bürger über den Fortgang der Debatte informiert.

In der analogen Welt war Bürgerbeteiligung nur mit langwierigen Abendveranstaltungen möglich. Die Anregungen mussten protokolliert und als ausgedruckte Sitzungsvorlagen in die politischen Gremien gebracht werden. „Unsere App ist ressourcenschonender“, sagt Balbach und rechnet vor, dass das die herkömmliche Bürgerbeteiligung nach seiner Schätzung 16,50 Euro pro Bürger kostet, seine App aber nur 1,88 Euro.

Wietse van Ransbeeck und Aline Muylaert, zwei der drei Mitgründer des Projekts CitizenLab, hatten die Idee für ihre Plattform, als sie etwas gegen eine für Fußgänger gefährliche Kreuzung in ihrer Nachbarschaft unternehmen wollten. Es war nicht einfach, online einen Verantwortlichen zu finden oder wenigstens einen Ansprechpartner in der kommunalen Verwaltung. Das wollte sie ändern, damit Politik und öffentliche Verwaltung die Stimme der Bürger hören.

Bislang gibt es in Deutschland nur einzelne Projekte für digitale Bürgerbeteiligung. So hat die Digitalbotschafterin der Bundesrepublik, die Berliner Design-Professorin Gesche Joost, in der sächsischen Stadt Brandis ein Projekt gestartet. Es soll Antworten auf die Frage finden, wie die Teilhabe der Bürger gefördert werden kann, um gemeinsam eine digitale Gesellschaft zu entwickeln – und auf Augenhöhe mit der Verwaltung zu kommunizieren. Bürger werden um ihre Meinung zu lokalen Projekten gefragt. Die Antworten werden auf einem Blog, Facebook und der Website der Stadt diskutiert. Ein ähnliches Projekt betreibt Joosts Design-Lab in Nordrhein-Westfalen. In 15 Bürgerwerkstätten vernetzen sich viele Initiativen, darunter ein Mehrgenerationenhaus, eine Flüchtlingsinitiative und ein Senioren-Computerklub, und üben sich in digitaler Demokratie.

Bild: Citizenlab