Jan Schächtele und Christoph Hardt (v.l.)
Jan Schächtele und Christoph Hardt (v.l.)

Die Eingangstür des Neuköllner Altbaus steht offen, zwei Möbelpacker schleppen gerade Bürostühle heraus. Angesichts der sanierungsbedürftigen Optik des Gebäudes bezweifle ich, an der richtigen Adresse des Startups zweier Ex-McKinsey-Berater zu sein. Doch tatsächlich, an einem der Briefkästen steht es: Comatch. Drei Etagen knarrender Treppenstufen höher finde ich das Berliner Startup in einem Loft mit Backsteinwänden, verglasten Meetingräumen und Sofas, auf denen Kollegen mit Macbooks auf den Schößen miteinander diskutieren – das Büro des Zehntplatzierten im Wachstumsranking sieht exakt so aus, wie ich mir ein Hauptstadt-Startup vorstelle.

„Vielleicht haben wir diese Räume genau deswegen gewählt“, schmunzelt Co-Gründer Christoph Hardt, als ich ihn auf die Location anspreche. Die Startup-Atmosphäre spiegelt wider, dass Comatch anders sein möchte als Konzerne: Aus denen sind die bei Comatch registrierten Berater nämlich meistens ausgestiegen. Hauptgrund: Der Wunsch nach mehr Flexibilität. Ihre Liebe zur Unternehmensberatung leben sie jetzt als Freiberufler aus. Nebenbei erfüllt sich manch einer den Traum vom Gründen, andere werden Winzer oder Falkner, erzählt Hardt.

Platz: 10

Wachstumsrate: 422%

Gründungsjahr: 2014

Kategorie: Suchmaschine/Vermittlung

Website: www.comatch.com

Die Idee hinter Comatch ist einfach: Auf einer Online-Plattform werden selbstständige Berater mit Firmen verbunden. Dabei arbeitet Comatch mit einem Algorithmus: Nur fachlich geeignete Berater können ein freies Projekt online sehen; unter denen, die sich dafür interessieren, filtern der Algorithmus sowie das Comatch-Team dann noch einmal aus. Etwa zwei bis drei maßgeschneiderte Bewerbungen würden schließlich beim Kunden landen, sagt Hardt. Sein Versprechen: In nur 48 Stunden soll ein Projekt mit einem passenden Berater besetzt sein.

Ergebe sich ein Match, sei das ein „guter Deal für Berater und Kunden“, sagt Hardt: Freiberufliche Consultants seien bis zu 70 Prozent günstiger als die aus Konzernen, würden damit aber dennoch etwa doppelt so viel verdienen wie Angestellte – 1.200 Euro könne ein Tagessatz betragen, sagt Hardt. Zusätzliche 15 Prozent des Tagessatzes zahlen die Kunden an Comatch.

3.143 Beraterinnen und Berater sind derzeit bei Comatch registriert, etwa 500 Projekte wurden allein 2017 erfolgreich vermittelt – nicht nur deutschland- sondern weltweit. Comatch hat Büros in Kopenhagen, Amsterdam, Dubai und Paris. Derzeit würden Hardt und sein Gründerkollege Jan Schächtele über eine dritte Finanzierungsrunde nachdenken. Bei der vorigen Runde im Mai 2016, bei der neben Atlantic Labs und Brains-to-Ventures auch der Venture Capitalist Acton investierte, sammelten sie vier Millionen Euro ein.

DAS GRÜNDERSZENE-RANKING

Wir küren in diesem Jahr erneut die am schnellsten wachsenden Digitalunternehmen Deutschlands. Es werden die 50 Firmen mit dem höchsten Umsatzwachstum (CAGR) ausgezeichnet. Grundlage ist der Umsatz der Jahre 2014 bis 2016. Unser gesamtes Ranking-Magazin könnt Ihr hier herunterladen.

Hardt strahlt die Selbstsicherheit eines Mannes aus, der weiß, dass er die richtigen Entscheidungen getroffen hat. 2013 stand er vor der Wahl: zum Associate Partner bei KcKinsey aufsteigen oder selbst gründen. „Tal der Tränen“ nennt Hardt die etwa zwei Jahre, die der Weg zur nächsten Karrierestufe bei McKinsey gedauert hätte. Auf die Frage, was den Berater-Beruf so hart mache, nennt er den Zeitdruck: Länger zu brauchen, als vom Kunden gefordert, sei undenkbar. „Entweder schaffst du es in der Zeit oder du hast etwas nicht richtig gemanagt“, sagt der 37-Jährige. So kämen Berater schnell auf 80 Wochenstunden.

Heute, als Co-Founder von Comatch, arbeitet Hardt 60 Stunden pro Woche. Donnerstags geht es mit dem ICE nach Würzburg, die Wochenenden verbringt Hardt mit seiner Familie. Ob seine Entscheidung, zu gründen, die richtige war, bezweifle er nur, wenn er sich sonntags von seiner einjährigen Tochter verabschieden muss.

Bild: Comatch