Kooperieren die Großen mangels eigener Kreativität mit den Kleinen?

Auch Comdirect holt sich Input aus der Startupszene

Bei der Entwicklung neuer Finanzprodukte setzen etablierte Banken zunehmend auf die Expertise von Startups. Comdirect arbeitet künftig mit dem Münchner Unternehmen Lendstar zusammen, mit dessen App Nutzer untereinander Geld verschicken können, um bestimmte Beträge zu sammeln, zu teilen oder sich zu leihen.

Mitte Dezember hatte bereits die Deutsche Kreditbank (DKB) eine Kooperation mit dem jungen Berliner Unternehmen Cringle bekannt gegeben. Auch mit diesem Programm können Kunden Geld per Smartphone verschicken. ING Diba gab vor einem Jahr die Partnerschaft mit Gini Pay bekannt, mit der Anwendung können Kunden Rechnungen bezahlen, ohne die Überweisungsdaten abtippen zu müssen.

Comdirect will das Programm seinen 1,2 Millionen Girokonto-Kunden im zweiten Quartal erstmals anbieten, sagte Sven Deglow, Generalbevollmächtigter von Comdirect, im Gespräch mit der „Welt“. Es beruht auf der bestehenden Lendstar-App, wird aber einen eigenen Namen haben. Auch Kunden anderer Geldhäuser können ihr bestehendes Girokonto mit der App verbinden. Pikante Ausnahme: Kunden der Commerzbank haben bislang keinen Zugang zu Lendstar. Die Comdirect-Mutter gibt die dafür notwendige Schnittstelle nicht frei.

Die Neulinge sind kreativer

„Die jungen Unternehmen sind sehr schnell, sehr kreativ und denken vom Kunden her“, sagte Deglow zu der Partnerschaft mit Lendstar. Deshalb habe man sich entschieden, auf eine fertige Lösung zurückzugreifen, statt selbst eine neue zu entwickeln. Comdirect bringe vor allem das Wissen bei Regulierungsthemen ein.

Seit Langem wird Banken eine Innovationsschwäche vorgeworfen. In diese Lücke stoßen seit einigen Monaten vermehrt Neugründungen, die mit einfachen, übersichtlichen Lösungen aufwarten. Die Startups agieren in der Regel als reine Vermittler zwischen Kunde und Bank, brauchen deshalb keine Banklizenz. Neben Geld-Verschick-Programmen gehören dazu beispielsweise Zinsplattformen, automatisierte Vermögensverwalter und Kreditvermittler im Internet.

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Kooperationen wie Cringle/DKB oder Lendstar/Comdirect machen deutlich, wie die Zukunft des Bankings aussehen könnte: Junge Unternehmen konzentrieren sich auf einen engen Bereich im Finanzsektor, entwickeln ein Programm und bei entsprechender Marktreife werden sie von klassischen Banken eingebunden.

Die Etablierten haben mehr Kunden

Lendstar kam bereits im Mai 2013 mit seiner ersten App an den Markt. Mittlerweile spricht das Unternehmen von einer „mittleren fünfstelligen Nutzerzahl“. Manch einem anderen sogenannten FinTech ist dagegen bereits die Luft ausgegangen, weil es nicht schnell genug eine kritische Nutzermasse erreichte.

Darin sieht Comdirect einen wichtigen Beitrag, den gerade die großen Direktbanken den FinTechs bieten könnten. „Wir haben viele technikaffine Kunden, die solchen Angeboten offen gegenüberstehen“, so Deglow. Wobei er nicht davon ausgeht, dass sich jeder Kunde die neue App sofort herunterladen wird. Nach den ersten zwölf Monaten hofft man in der Comdirect-Zentrale in Quickborn auf „mehrere zehntausend Nutzer“.

Eine finanzielle Beteiligung an Lendstar ist nach Angaben von Deglow nicht geplant. Bei Lendstar legt man Wert auf die Feststellung, dass man offen für weitere Kooperationen mit anderen Banken sei.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Welt.

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