Ein Gastbeitrag von Thomas Claussen, Wachstumsberater bei Enable2grow.

Viele Unternehmen versuchen, ihre Digitalisierung durch eigene Accelerator-Programme für Startups zu meistern. Jedoch sind die Ergebnisse oft unbefriedigend: Die Konzerne lernen nur wenig und viele Startups bleiben erfolglos.

Was ist ein Accelerator?

Ein Accelerator ist ein Programm von definierter Länge – in der Regel einige Monate – in das Startups nach bestimmten Auswahlkriterien aufgenommen werden. Sie haben die Ideenfindung abgeschlossen, einen konkreten Businessplan und idealerweise auch schon einen Prototypen, das sogenannte Minimum Viable Product (MVP). Darüber hinaus existiert gewöhnlich ein Team von mindestens zwei Personen und das Unternehmen wurde gegründet – meistens als UG oder GmbH.

Dies unterscheidet sich von einem Inkubator – ein Begriff, der ebenfalls oft verwendet wird. Darin finden sich Teams wieder, die ihre Idee erst entwickeln müssen.

Da in den vergangenen Jahren mehr und mehr Acceleratoren von Konzernen gestartet wurden, werden hier häufige Fehler der Programme analysiert, die das Ergebnis negativ beeinflussen.

1. Fokus zu eng

Bei der Auswahl von Startups für ein eigenes Accelerator-Programm sollte man sich nicht ausschließlich vom eigenen Kerngeschäft leiten lassen. Sicherlich ist es interessant, Unternehmen zu finden, die die Digitalisierung des eigenen Geschäfts vorantreiben können. Allerdings ist ein Blick über den Tellerrand in andere Branchen sinnvoll. Sonst übersieht man leicht Innovationen, die ganz neue Geschäftsfelder darstellen können. Um dabei nicht den Fokus zu verlieren, ist eine klar definierte Zielsetzung für ein erfolgreiches Programm unabdingbar.

2. Nicht genug Hilfe

Bei den Startups handelt es sich meist um junge Teams mit einer innovativen Idee. Ihnen mangelt es häufig an fachlichen Fähigkeiten zum Aufbau und zur Führung eines Unternehmens. Daher ist ein verpflichtendes Curriculum von großer Bedeutung. In einer Serie von Workshops und individuellen Trainings werden Themen wie Finanzen, Controlling, Erstellung eines Business-Cases, Recht, Steuern, erfolgreiches Pitching und gegebenenfalls auch Branchenwissen behandelt. Dazu benötigen die Unternehmen kompetente Trainer und Mentoren, die auch für individuelle Arbeit mit den Teams zur Verfügung stehen.

3. Zu nah am Mothership

Accelerator-Programme sollten – wenn möglich – nicht in den eigenen Büroräumen untergebracht werden. Es zeigt sich immer wieder, dass dadurch die Firmenkultur auf die Startups abfärbt und kreative und innovative Ideen behindert. Es ist daher angeraten, Räumlichkeiten in Entfernung zur Zentrale zu beziehen.

Das Management sollte dann von allzu häufigen „Zoo-Besuchen“ bei den Startups absehen, stattdessen lieber Leistungsträger für mehrere Monate in das Startup entsenden. So kann die gewünschte Kultur sukzessive in das eigene Unternehmen transferiert werden.

4. Interne Mentoren haben wenig Anreiz, sich reinzuhängen

Der Schlüssel zum Erfolg – und häufig der Grund, warum Startups an Accelerator-Programmen teilnehmen – ist eine intensive und kompetente Betreuung der Teams. Spätestens hier kommen Corporate-Acceleratoren an ihre Grenzen. Es besteht zwar die Absicht, Fachleute aus dem eigenen Unternehmen zur Betreuung der Startups bereit zu stellen. In der Praxis kommt es bei den Mentoren aber oft zum Konflikt zwischen ihrem Tagesgeschäft und der Betreuung der Startup-Teams. Der Grund dafür: Die mit den Startups betrauten Mitarbeiter werden in aller Regel hinsichtlich ihrer Leistung am Kernarbeitsplatz beurteilt und nicht am Erfolg des zu betreuenden Startups. Somit setzen sie ihre Prioritäten oft zu Lasten des Startups.

Eine Möglichkeit ist, für bestimmte Themen externe Mentoren zu akquirieren (bezahlt oder pro bono), sowie feste Zeitbudgets für Mentoren zu vereinbaren, die von den Startups abgerufen werden können.

5. Fehlende Betreuung des Programms

Ein Accelerator-Programm ist kein Selbstläufer. Es benötigt möglichst einen Programm-Manager, der in Vollzeit den Fortschritt kontrolliert, den Zugang zu den Mentoren sichert, bei Problemen unterstützt und „Türöffner“ für Pilotprojekte ist.

Das Programm selbst sollte unter der Schirmherrschaft des CEO stehen, der sein Netzwerk mit den Startups zusammenbringt, zum Beispiel für eben erwähnte Pilotprojekte.

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6. Wenig zielführende finanzielle Anreize

Startups haben bis zum Zeitpunkt relevanter Umsätze ein zentrales Problem: die Finanzierung. Daher ist es sinnvoll, für die Teilnahme an dem Programm einen Zuschuss (nicht rückzahlungspflichtig) auszuloben oder direkt eine Kapitalbeteiligung an dem Startup einzugehen. Die Beteiligung an einem Startup resultiert zusätzlich in einem höheren Commitment nach Ende des Programms. In ein Startup zu investieren, ist allerdings nicht mit einer Investition in eine Maschine vergleichbar. Berechenbare Rendite und feste Rückzahlungen gibt es nicht. Hier muss das Konzern-Controlling geduldig sein und von üblichen Vorgehensweisen abweichen.

7. Mangelnde Unterstützung nach Ende des Programms

Accelerator-Programme laufen in der Regel drei bis fünf Monate. In der Zeit wird die Arbeit von zwei Jahren erledigt. Nach erfolgreicher Teilnahme sollte das jeweilige Corporate den weiteren Werdegang der Startups verfolgen, auch wenn es keinen unmittelbaren Nutzen daraus zieht. Hierzu bietet sich die Einrichtung eines Alumni-Programms an, über das längerfristig Kontakt gehalten werden kann.

8. Unternehmensnetzwerk nicht zugänglich für Pilotprojekte

Corporate-Accelerator-Programme bieten Startups die Möglichkeit, Zugang zu Pilotprojekten zu erhalten, mit denen das Produkt oder der Service unter realen Bedingungen getestet werden kann. Der Konzern sollte sich daher bereits während der Konzeption überlegen, welche Abteilungen, Tochtergesellschaften, Kunden und Lieferanten vorab eingebunden werden sollten, um ein späteres Pilotprojekt auch erfolgreich zu machen.

Somit ist die Frage, ob man sich in Kooperation mit einem Startup Pilotprojekte in seinem Netzwerk vorstellen kann, auch ein mögliches Auswahlkriterium für die Teilnahme am Programm.

9. Kulturwandel im Unternehmen kommt nicht von selbst

Häufig hoffen traditionelle Unternehmen, dass der Kulturwandel durch die Zusammenarbeit mit Startups schneller voranschreitet. Dies ist allerdings nur zu erwarten, wenn die eigenen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen einen gewissen Zeitraum selbst bei den Startups mitarbeiten. Nur so können sie im Anschluss das Erlernte in ihren angestammten Bereichen anwenden.

Fazit

All diese Fehler zu vermeiden, ist in der Unternehmenspraxis nicht immer einfach. Unternehmen, die vor dem Start des Accelerator-Programms Verantwortlichkeiten festlegen, Kapazitäten bereitstellen und eine realistische Zielsetzung definieren, stellen allerdings die notwendigen Weichen für einen erfolgreichen Accelerator.

Bild: John Lund / Getty