Experten bezweifeln, ob Trumps Steuerpläne wirklich den kleinen Brauereien zugute kommen
Experten bezweifeln, ob Trumps Steuerpläne wirklich den kleinen Brauereien zugute kommen

Exakt 69 Mal kommt das Wort „Bier“ in dem Hunderte Seiten dicken Dokument vor. In jener radikalen und gerne als historisch bezeichneten Steuerreform, die Amerikas Wirtschaft zu neuer Stärke führen soll. Eine etwas versteckte Klausel in dem Gesetz, das der Kongress kurz vor Weihnachten verabschiedet hatte, soll nämlich auch die Craft-Brauereien des Landes entlasten. Jene also, die unabhängig sind und „handwerklich“ arbeiten. Doch profitieren könnten am Ende vor allem große, industrielle Produzenten – und nicht zuletzt auch die Bierbrauer aus dem Ausland, zum Beispiel aus Deutschland.

Dem neuen Gesetz zufolge müssen Hersteller für die ersten 60.000 Barrel gebrautes Craft-Bier – das sind rund sieben Millionen Liter – künftig nicht mehr sieben Dollar Steuern je Barrel zahlen, sondern nur noch 3,50 Dollar – also bloß die Hälfte. Für jedes weitere Fass werden wie bisher 16 Dollar fällig.

Als Craft-Brauer gilt man dabei schon sehr schnell, wie Adam Looney erklärt, ein Ökonom der Washingtoner Denkfabrik Brookings Institution: „Man braucht industriellen Alkohol nur ein wenig zu behandeln.“ Oder genau das behaupten. Denn Überprüfungen sind Looney zufolge zwar geplant. „Die Beamten überwachen die Herstellung aber nur innerhalb der USA. Niemand wird ins Ausland fliegen, um sich die Produktion dort anzuschauen.“ Der Zoll werde den Importeuren einfach glauben müssen. 

Gute Nachricht auch für die Deutschen

Für Brauer ist die Neuerung auf Seite 316 des Gesetzestextes also eine gute Nachricht – auch für die deutschen. Zumal die schon auf dem Heimatmarkt zuletzt ziemlich leiden mussten: In den ersten neun Monaten 2017 ging der Bierabsatz der deutschen Hersteller um 3,1 Prozent auf nur noch rund 72 Millionen Hektoliter zurück, wie das Statistische Bundesamt meldet.

Experten begründen das vergleichsweise hohe Minus mit dem kühlen und regenreichen Sommer, noch dazu habe es an absatzfördernden Großereignissen gefehlt wie beispielsweise einer Fußball-Welt- oder Europameisterschaft. Doch Probleme gibt es – im Gegensatz zu früheren Jahren – nicht nur auf dem Inlandsmarkt. Auch der Export ist im Vergleich zum jeweiligen Vorjahreszeitraum eingebrochen: um 3,1 Prozent in die EU-Staaten und sogar um 6,6 Prozent nach Übersee.

Gut möglich, dass die Vertriebsaktivitäten der deutschen Brauereien in den USA nun intensiviert werden. Zumal Amerika ohnehin ein wichtiges Absatzgebiet für die Hersteller ist, wie es unter anderem bei Krombacher heißt. „Die USA gehören neben Spanien und Italien zu unseren Kernmärkten im Auslandsgeschäft“, sagt ein Sprecher. Deutschlands meistverkaufte Biermarke unterhält sogar eine eigene Importgesellschaft jenseits des Atlantiks. Verkauft wird darüber vor allem Fassbier der Hauptsorte Pils.

Alle fassen anders Fuß in Amerika

Konkurrent Veltins schickt ebenfalls containerweise Pils nach Amerika, mittlerweile aber auch das Spezialitätenbier Grevensteiner. Gaffel wiederum hat in New Yorker Bars Fuß gefasst, erst recht nachdem der renommierte Gastro-Kritiker Eric Asimov von der „New York Times“ das Kölsch 2011 zum „Bier des Jahres“ gekürt hatte.

Craft Bier erfreut sich in sowohl in den USA als auch in Europa wachsender Beliebtheit
Craft Bier erfreut sich in sowohl in den USA als auch in Europa wachsender Beliebtheit

Radeberger nähert sich den US-Konsumenten per Schleichwerbung in Fernsehserien: zum einen über die Sitcom „How I met your mother“ und zum anderen als Getränk der Wahl von Charlie Sheen alias Charlie Harper in der Erfolgsreihe „Two and a Half men“. Hofbräu aus München wiederum setzt in Amerika ähnlich wie in der Heimat auf seine berühmten Hofbrauhäuser, das Bier des Staatsbetriebes wird dabei sogar in Lizenz vor Ort gebraut.

Ebenfalls lokal produziert wird Beck’s, die mit Abstand erfolgreichste deutsche Biermarke im US-Markt. Schätzungen zufolge verkauft die Bremer Brauerei, die zum Portfolio von Weltmarktführer AnheuserBusch Inbev gehört, rund 600.000 Hektoliter in den USA, gebraut in St. Louis im Bundesstaat Missouri. Weil auf den Flaschen über Jahre hinweg trotzdem mit Aussagen wie „Deutsche Qualität“ oder „Ursprung in Bremen, Deutschland“ geworben wurde, hat der Mutterkonzern im Jahr 2015 rund 20 Millionen Dollar Entschädigung an Beck’s-Trinker zahlen müssen.

Hintergrund war ein Vergleich infolge einer Sammelklage wegen Irreführung der Verbraucher. Konkurrent Warsteiner hat genau das für sich als Chance erkannt und damals am berühmten Times Square in New York eine große Werbekampagne zur Aufführung gebracht. Zu sehen war eine Warsteiner-Flasche und daneben der Text „Warsteiner. Deutsches Premium Bier aus, Du weißt schon, Deutschland. Mach’s richtig.“

Craft-Regelung hat ein Ablaufdatum

Präsent sind die deutschen Bierhersteller damit in Amerika. Eigene Produktionsstätten wie im Fall von Beck’s scheinen indes nicht geplant, wie es aus der Branche heißt. Die Frage ist ohnehin, ob für neue Bauvorhaben die Zeit ausreicht. Denn die Craft-Regelung gilt zunächst nur für zwei Jahre.

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Gedacht ist sie dabei vor allem für die kleinen Brauereien – aber auch für Destillerien und Weinkeller. Denn nicht nur die Biersteuer sinkt. Im Fall harter Spirituosen beträgt der Steuerrabatt sogar 80 Prozent, bei Wein sind es immerhin noch 40 Prozent. 4,2 Milliarden Dollar werden dem amerikanischen Staat in dieser Zeit entgehen, wie der entsprechende Kongressausschuss errechnet hat, der sich mit dem Thema Steuern befasst. Den Bezug zum Mittelstand soll dabei die Mengenbegrenzung herstellen, schließlich betrifft die Reduzierung nicht alles, was an Bier, Wein und hartem Alkohol produziert wird, sondern nur die ersten Fässer.

Tatsächlich aber, sagt Ökonom Looney von Brookings Institution, gewinnen vornehmlich die großen Hersteller. Denn das neue Gesetz macht es ihnen leichter als bisher, Getränke unter dem Schlagwort „craft“ zu verkaufen, also als irgendwie handgemacht – und auf diese Weise in den Genuss der hochprozentigen Steuersenkung zu kommen. Es genüge zum Beispiel, einen Geschmack hinzuzufügen. Und wer es ganz simpel wolle, brauche den Alkohol einfach nur altern zu lassen. „Es stimmt nicht, dass das neue Gesetz zuerst den kleinen Brauereien hilft“, glaubt Looney. „Im Gegenteil, es beschert ihnen einen Wettbewerbsnachteil.“

„Eine Frage von Tradition und des Selbstbilds“

Profitieren kann indes Jägermeister. Für den Schnapsproduzenten aus dem niedersächsischen Wolfenbüttel sind die USA vor Deutschland und Großbritannien der wichtigste Absatzmarkt. 2016 wurden in Amerika allein 22,4 der weltweit 91,4 Millionen verkauften Flaschen abgesetzt.

Als Treiber des Erfolgs erweisen sich dabei zum einen die Jägerettes, wie die Armada der Promotion-Leute genannt wird, die durch die Kneipen ziehen und dort unter anderem T-Shirts und Mützen verschenken. Zum anderen steht Jägermeister nicht im Schnapsregal hinter oder gar unter der Theke, sondern gut sichtbar auf dem Tresen. Denn das Unternehmen hat Bars mit Zapfmaschinen ausgestattet, deren Durchlaufkühler das Getränk auf minus 18 Grad runterkühlt.

Doch trotz der großen Bedeutung des US-Markts – eine Produktion vor Ort ist nach Aussage eines Sprechers nicht geplant. „Das ist eine Frage von Tradition und Selbstbild.“ Und nicht zuletzt auch des Marketings. „Wir können mit unserer deutschen Herkunft werben“, erklärt der Sprecher. Und das beinhaltet nicht nur die Kennzeichnung „Made in Germany“. In der aktuellen Werbekampagne in den USA kommen tatsächlich auch deutsche Begriffe vor, etwa bei „Be the Meister“ oder „Drink it eiskühl“.

Auch die Winzer hoffen auf die US-Trinker

Wichtig ist Herkunft aber auch für die deutschen Winzer. Auch sie genießen einen guten Ruf in Amerika, vor allem beim Riesling. 190.000 Hektoliter Wein für umgerechnet 80 Millionen Euro wurden zwischen November 2016 und Oktober 2017 in die USA exportiert, meldet das Deutschen Weininstitut. Das entspricht allein einem Viertel des Exportumsatzes.

Riesling dominiert dabei das deutsche Sortiment in Restaurants und Handel in Amerika. „Mittlerweile werden dort aber auch unsere Burgundersorten entdeckt, angefangen bei Weißburgunder über Grauburgunder bis hin zum Spätburgunder“, sagt Ernst Büscher vom Weininstitut. Von der Steuerreform erhofft er sich nun einen zusätzlichen Effekt, zumal die USA auch finanziell spannend sind für die deutschen Winzer. Immerhin beträgt der durchschnittliche Literpreis dort 4,22 Euro.

Zum Vergleich: Das Mittel für alle Exportmärkte liegt bei gerade mal 2,90 Euro. Die Branche wäre dementsprechend froh, wenn sich die Exporte in die USA noch mal ausweiten. „Jede Steuersenkung wirkt sich positiv auf den Markt aus“, hofft Büscher nun. Ein Problem aber gibt es: Die Ernte war 2017 vergleichsweise klein. „Hoffentlich haben wir überhaupt genug Menge.“

Dieser Text erschien zuerst auf welt.de.

Bilder: Getty Images / Matt Cardy, Stringer (oben) / Scott Olson, Staff (im Text)