Crowdbutchering-Kühe sind glückliche Kühe – sagen jedenfalls die Anbieter.

Das Paket ist riesig und schwer. Zwischen dicken Eiskühlbeuteln liegen zwei Rumpsteaks, ein Hüftsteak, ein Kilogramm Rinderbratwurst, zwei Kilogramm Rinderhackfleisch und ganz unten noch ein paar Rouladen. Insgesamt fünf Kilogramm Fleisch für 129 Euro. Frisch vom Schlachthof kommt das Paket.

Nur ein paar Tage zuvor hat das Rind noch auf der Weide gegrast. Jetzt ist es in knapp 40 Pakete verteilt überall in Deutschland angekommen. Nichts wurde weggeworfen, und der Bauer soll einen fairen Preis für sein nachhaltig gehaltenes Tier bekommen haben. Das ist der Ansatz des jungen Unternehmens Besserfleisch aus Hamburg und Berlin. 

Die Idee dahinter heißt Crowdbutching. Immer wenn sich genug Kunden finden, wird ein Tier geschlachtet und komplett verwertet. „Mir und meiner Geschäftspartnerin geht es um eine nachhaltigere und transparentere Fleischwirtschaft“, erklärt Mitgründer Brian Lettkemann das Prinzip. Mittlerweile arbeitet man mit acht Partnern zusammen, deren Höfe man regelmäßig besucht, und vermarktet ihre Rinder. „Immer mehr wollen mit uns zusammenarbeiten.“

Doch der Ansturm stellt das Start-up vor ein Problem. Denn die Voraussetzungen für solch ein Projekt existieren in Deutschland gar nicht überall. „Wir bekommen bundesweit Anfragen, doch wir können uns gerade aktuell nur auf den norddeutschen Raum konzentrieren.“ Nur dort hat Besserfleisch bisher kleine Schlachtereien gefunden, die die Tiere überhaupt zerlegen können. Und weitere Wege will man den Tieren nicht zumuten. „In manchen Regionen, die weiter weg liegen, zum Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern, gibt es solche kleinen Betriebe kaum noch“, erklärt Lettkemann.

9.500 Rinder pro Tag

Das Modell Crowdbutching, das auch Firmen wie Kaufnekuh.de verfolgen, verträgt sich nicht mit der modernen Landwirtschaft, wie sie in Deutschland mittlerweile praktiziert wird. Während die Start-ups pro Woche jeweils ein Rind (Besserfleisch) beziehungsweise zehn Rinder (Kaufnekuh.de) anbieten, schlachtet die gesamte deutsche Fleischwirtschaft laut Statistischem Bundesamt 3,5 Millionen Rinder pro Jahr. Das sind umgerechnet knapp 9500 Stück pro Tag. Das geht nicht ohne Großschlachthöfe. Bei Schweinen und Hühnern werden sogar noch mehr Tiere täglich zerlegt.

Brian Lettkemann von Besserfleisch hat dagegen eine andere Vorstellung vom Schlachtprozess. „Wir wollen, dass das Rind nach seiner Ankunft eine längere Ruhezeit hat und sich von der Fahrt beruhigen kann.“ Das ist auch Bauern Olaf Tretow, der seine Galloway-Rinder über Besserfleisch anbietet, wichtig.

Der Landwirt aus Bad Oldesloe in Schleswig-Holstein merkt, wie die Nachfrage nach dieser sanften Schlachtungsform steigt: „Mein Schlachter hat immer weniger Termine.“ Neben dem Vertrieb über Besserfleisch verkauft Tretow seine Rinder auch im Direktvertrieb, dann aber vor allem vor Ort per Mund-zu-Mund-Propaganda. „Eine eigene Internetseite und mehr Marketing ist einfach zu aufwendig für mich“, so Tretow.

Das Problem kennt der Deutsche Bauernverband.

Bilder: Getty Images / Frank Bienewald / Contributor (Oben), JEAN-SEBASTIEN EVRARD / Stringer (Zweite Seite)

„Die Direktvermarktung ist bisher ein sehr standortbezogenes Geschäft. Wessen Betrieb nicht in bevölkerungsreichen Regionen liegt, hat es oft schwer“, erklärt Bernhard Krüsken, Generalsekretär des Verbands. Dazu kommen strenge Hygienevorschriften bei der Schlachtung. Die Kosten würden sich vor allem für große Betriebe rechnen – für kleine lohne es sich kaum.

So ist aktuell die Zahl der Direktvermarkter unter den Bauern eher überschaubar. Nur knapp 15.000 bis 20.000 von 275.000 Betrieben suchen laut Bauernverband den direkten Draht zum Kunden. In den vergangenen Jahren stagnierte der Verkauf über diesen Vertriebskanal – auf Wochenmärkten ging der Umsatz sogar leicht zurück, von 1,5 auf 1,4 Milliarden Euro.

Als Hoffnungsträger sieht man nun auch den Absatzkanal Internet, von dem auch abgelegenere Bauern profitieren könnten. Zudem hofft man auf einen größeren Einstieg von Amazon in das deutsche Lebensmittelgeschäft, um nicht nur von den Big Four abhängig zu sein – Deutschlands größten Lebensmittelketten.

Rasantes Wachstum bei den Portalen

Noch müssen sich aber Besserfleisch und Kaufnekuh nicht mit dem Onlinehändler messen und wachsen weiter. Teilweise schneller, als es den Portalen lieb ist: „Wenn wir ein Rind auf unsere Seite stellen, ist es teilweise in weniger als drei Stunden komplett verkauft“, erklärt Brian Lettkemann von Besserfleisch. Noch mehr Rinder könne man aber gar nicht zum Verkauf anbieten. Denn dafür gibt es wiederum zu wenige Bauern.

„Wir wollen pro Hof pro Monat eigentlich nur zwei Rinder abnehmen. Sonst ist das aus unserer Sicht nicht nachhaltig.“ Mehr Tiere können die kleinen Betriebe meist sowieso nicht abgeben. Bauer Olaf Tretow hält zum Beispiel Galloway-Rinder, die knapp drei Jahre aufwachsen, bis sie geschlachtet werden. Also braucht er auch eine gewisse Vorlaufzeit, um entsprechende Mengen zu halten.

Doch Besserfleisch und Kaufnekuh wollen ihre Bauern gar nicht zu einer Massentierhaltung bringen, sondern vor allem einen fairen Betrag für ihre Rinder bezahlen und so eine nachhaltige Landwirtschaft unterstützen.

Crowdbutcher wollen eine Alternative zu Großschlachtereien bieten.
Crowdbutcher wollen eine Alternative zu Großschlachtereien bieten.

Also müssen die Start-ups weiter regional wachsen und neue Schlachtbetriebe finden und dann Bauern aufnehmen. Per Facebook-Anzeige suchte Kaufnekuh im Dezember bereits Metzger für den eigenen Partnerschlachtbetrieb bei Überlingen am Bodensee. „Von 2016 zu 2017 haben wir unseren Umsatz verdoppelt“, sagt Dorit Sonnert zur Entwicklung von Kaufnekuh.

Auch andere Fleischsorten kommen dazu

Vor allem nach Medienberichten kann das Unternehmen die Nachfrage durch die Nutzer nicht mehr befriedigen. Mittlerweile hat man nun einen neuen Schlachtbetrieb im fränkischen Aub eröffnet. In der Region nimmt man jetzt weitere Bauern auf, um das Angebot zu vergrößern. Bisher arbeitet man mit 30 Betrieben zusammen.

Und auch der kleinere Konkurrent Besserfleisch handelt: „Wir wollen nachhaltig wachsen und denken gleichzeitig auch über neue Fleischsorten nach, die wir ins Programm aufnehmen können“, so Brian Lettkemann. Vor Kurzem ist das mit einem Lämmerhof bereits geschehen, und man ist im Gespräch mit Höfen, die Schweine in Freilandhaltung aufziehen.

Schweine und Gänse gibt es bei Kaufnekuh.de schon länger. Die Seite, die eigentlich aus den Niederlanden kommt, hat in seinem Heimatmarkt sogar bereits Puten und Ziegen im Angebot. „Wir spüren, dass die Menschen immer mehr wissen wollen, wo ihr Fleisch herkommt“, erklärt Dorit Sonnert den Trend. Und dieser Markt werde noch weiter wachsen. Das liege auch daran, dass das Bewusstsein für gute Lebensmittel in Deutschland im europäischen Vergleich geringer ist. Noch würden die Verbraucher zuallererst auf den Preis achten. Doch das ändere sich nach und nach. Auch das ist ein Ziel der neuen Fleisch-Start-ups.

Dieser Text erschien zuerst auf Welt.de.

Bilder: Getty Images / Frank Bienewald / Contributor (Oben), JEAN-SEBASTIEN EVRARD / Stringer (unten)