Von Henkel, über Anonymous bis zu Netflix: Eine kleine Auswahl gelungener und misslungener Crowdsourcing-Projekte.

Henkel sucht einen Slogan für Pril

Virales Marketing kann aus den vorgegebenen Bahnen laufen: So gesehen bei Henkel und dem Etiketten-Wettbewerb für das Spülmittel Pril. Eine Idee mit lustigem Ergebnis. Über Facebook warb das Unternehmen für den Wettbewerb und lies Nutzer über die eingereichten Designs abgestimmen. Über 30.000 Vorschläge wurden eingereicht – ein guter Start für ein Crowdsourcingprojekt. Doch dann folgte das Desaster: Die Crowd wollte nicht so wie Henkel, und Henkel schien sehr feste Vorstellungen für das Sieger-Etikett zu haben.

Zum Renner bei der Abstimmung entwickelte sich schnell ein Etikett mit der hingekritzelten Aufschrift „schmeckt lecker nach Hähnchen!“, und das passte scheinbar nicht in das Konzept von Henkel. Als der Vorschlag 3.500 Stimmen Vorsprung vor dem zu der Zeit zweitplatzierten hatte, schritt Henkel ein und änderte die Regeln. Nun musste eine Jury (das „Pril-Team“) die Vorschläge erst freigeben, ehe sie in die Abstimmung gingen. Es folgte eine Reihe böser Kommentare auf der Facebookfanseite, und der Urheber des Hähnchendesigns zog seinen Vorschlag zurück.

Doch damit nicht genug: Wenig später wurden plötzlich die Zahlen der abgegebenen Stimmen für Vorschläge korrigiert. So hatte ein Design mit dem Slogan „jetzt mit leckerem Brezelduft“ auf Facebook über 2000 Stimmen, auf der Wettbewerbsseite wurden aber nur 1680 Stimmen gezählt. Unter lautem Protest gewannen Vorschläge, die nach Facebook-Empfehlungen eigentlich auf den hinteren Rängen der Top-Ten zu finden hätten sein müssen. Das Ergebnis: viel schlechte PR, verschreckte Teilnehmer und enttäuschte Facebookfans. Was Unternehmen daraus lernen können: Wer ein Crowdsourcing-Projekt startet, muss bereit sein mit der Crowd zu gehen. Regeln müssen transparent sein und von Anfang an sehr gründlich festgelegt werden, denn späteres Ändern empört Teilnehmer. Dies gilt umso mehr, wenn es um ein Projekt mit hoher Öffentlichkeit geht.

Die Protestbewegung Anonymous

Die Protestbewegung Anonymous erreichte in letzter Zeit mit ihren Aktionen große Aufmerksamkeit. Sie unterstützte Wikileaks, in dem sie die Server der Kreditkartenfirmen VISA und Mastercard durch DDoS-Attacken zum Zusammenbruch brachte, sie protestiert gegen Scientology und half beim schnellen Wiederaufbau der Webseite Kino.to. Gesteuert wird Anonymous von der kollektiven Intelligenz der Teilnehmer, also einer immer größer werdenden Crowd.

Bis heute existiert weder eine Führung oder eine Führungsriege innerhalb des Kollektivs, noch eine Mitgliedschaft im administrativen Sinn. Mitmachen tut, wer mitmachen will. Protestiert wird, wenn sich genügend Teilnehmer für einen Protest finden. Informationen werden über bestimmte Webseiten weitergegeben, genauso werden Aktionen geplant und ihre Durchführung organisiert. Dieses Vorgehen hat sich in der Anfangszeit von Anonymous etabliert und als überraschend effektiv erwiesen.

Bei den Attacken auf die Webserver zur Unterstützung von Wikileaks wurde ein Programm ins Internet gestellt, bei welchem man nur den Zielserver angeben musste, dann führte der eigene Rechner andauernd Attacken aus. Die aktuellen Ziele wurden ebenfalls im Internet bekannt gegeben. Zehntausende Menschen weltweit nahmen an der Aktion teil und luden das Programm herunter. Diese Struktur macht Anonymous auch für Behörden zu einem immer größeren Problem: Einerseits haben sie es mit einem Gegner zu tun, der auf riesige Manpower zugreifen kann, andererseits gibt es keine Führungsebene oder Kommandostruktur, die für die (teilweise illegalen) Aktionen verantwortlich gemacht werden könnte.

Netflix sucht einen Algorithmus – für viel Geld

Was Unternehmen mit einem gut durchdachten Crowdsourcingprojekt erreichen können, macht Netflix, eine amerikanischen Onlinevideothek deutlich. Diese schrieb schon 2006 einen Preis für einen Algorithmus aus, der eine Vorhersage darüber treffen konnte, welche Filme populär bei den Nutzern sein würden. Bis dato wurde dafür die interne Software Cinematch verwendet. Vorgabe für den Wettbewerb war eine Verbesserung um zeh Prozent, das Preisgeld betrug eine Million Dollar.

Gewonnen hat den Preis am Ende ein Team mit dem Namen BellKor’s Pragmatic Chaos, das aus insgesamt sieben Leuten aus den USA, Österreich, Israel und Kanada bestand. Dieses Team überschritt im Juni 2009 die zehn Prozent Marke. Doch damit war der Wettbewerb nicht vorbei, denn nach den Regeln löste die Überschreitung der zeh Prozent Marke eine neue 30 Tage dauernde Phase aus, in der andere Teams die Chance hatten aufzuholen.

Dieser Kniff führte zu massenhaften Zusammenschlüssen von Teams, die sich mit unheimlichem Ehrgeiz daran machten, den Vorsprung von BellKor wett zu machen. Ein zweites Team konnte dabei so schnell aufholen, das Netflix zunächst keinen Gewinner bestimmen wollte, sondern eine Expertenjury den Gewinner bestimmen lies. Am Ende hieß der Gewinner BellKor, dennoch ist die Leistung des anderen Teams nicht unerheblich, denn es gelang innerhalb von 30 Tagen, einen großen Teil der Leistung der Konkurrenz aus mehreren Jahren Arbeit aufzuholen.

Netflix machte in diesem Beispiel einiges richtig: Einerseits wurden feste Regeln an das Ergebnis gestellt, so dass sich Teilnehmer auf diese verlassen konnten. Diese betrafen aber nur das Ergebnis und schränkten die Crowd nicht in ihrer Handlungsweise ein. So konnten Teams sich zusammenschließen und gegenseitig unterstützen, die Crowd konnte sich entfalten. So übertraf das Ergebnis am Ende sogar die Erwartungen von Netflix.

Fazit: Unternehmen müssen der Crowd vertrauen

Alle Beispiele zeigen vor allem Eines: Dreh und Angelpunkt eines jeden Crowdsourcing-Projekts ist es, dass das Unternehmen der Crowd vertraut. Tut es das nicht oder nicht genug, dann scheitert das Projekt und das Unternehmen kann in die Schusslinie der Crwod geraten.

Wenn Unternehmen der eigenen Crowd vertrauen ergeben sich oft Möglichkeiten, die das Unternehmen alleine nicht hätte erreichen können. Dafür ist es jedoch wichtig, dass von Anfang an feste Regeln gesetzt werden, damit die Crowd auch weiß, was sie erreichen soll. Im Beispiel von Anonymous sind diese eher weich formuliert, aber durchaus vorhanden: Vereinigen tut sich hier eine Crowd, um gegen alles zu protestieren, was den Aufwand lohnt (aus Sicht der Crowd). Bei dem Netflix Beispiel lässt sich sehr gut erkennen, wie erfolgreich dieses Prinzip auch in der Wirtschaftswelt sein kann.

Bild: FlyingPete / Morgue File