Der vollelektrische Mercedes-Benz Citaro

Um mögliche Fahrverbote für Dieselautos in deutschen Städten zu verhindern, würden viele Kommunen gern für ihren öffentlichen Nahverkehr Elektrobusse einsetzen. Doch bislang gibt es dabei ein Problem: Die großen deutschen Hersteller Daimler und MAN haben gar keine vollelektrischen Busse im Angebot. Bislang kann man lediglich von einigen chinesischen Herstellern und anderen ausländischen Anbietern Elektrobusse kaufen.

Das soll sich nun ändern. Daimler will seinen Stadtbus Citaro noch in diesem Jahr auch als vollelektrische Variante auf den Markt bringen. Zunächst beginnt in den nächsten Wochen ein Testbetrieb von zehn Bussen unter realen Bedingungen bei Kunden. Im Herbst soll dann die Serienproduktion beginnen.

„Natürlich kann man fragen, warum der Marktführer so spät mit einem Elektrobus auf den Markt kommt“, gibt auch Entwicklungschef Gustav Tuschen zu. „Wir haben aus strategischen Überlegungen nicht den frühen Markteintritt gewählt, weil wir überzeugt sind, dass erst eine ausreichende Leistungsfähigkeit und Reichweite erreicht sein musste.“

Viel länger hätten die deutschen Hersteller auch nicht warten dürfen, wenn sie das Feld nicht dauerhaft den chinesischen Konkurrenten überlassen wollen. „Wir nehmen unsere chinesischen Wettbewerber sehr ernst, einige drängen auch extrem aggressiv auf europäische Märkte“, sagt Tuschen. „Wir punkten aber in diesem Wettbewerb nicht über den Preis, sondern mit technischer Überlegenheit.“

Für viele Nahverkehrslinien ist das noch zu wenig

Doch mit der ist es zumindest bei der Reichweite nicht weit her. 150 Kilometer schafft ein Elektro-Citaro, bevor er zurück an die Ladestation muss. Für viele Nahverkehrslinien ist das noch viel zu wenig. „Mit den 150 Kilometer Reichweite können unsere Kunden derzeit etwa 30 Prozent ihrer Strecken ohne Nachladen bedienen“, sagt Tuschen. Die nächste Generation mit 200 Kilometer Reichweite müsse nun schnell folgen. „Das wird keine fünf Jahre dauern“, verspricht er.

Dabei können die Elektrobusse schon heute auch deutlich weiter fahren – allerdings nur im Herbst und Frühling, wenn weder Heizung noch Klimaanlage eingeschaltet sind. „Im schlechtesten Fall, wenn der Bus bei Außentemperaturen von minus zehn Grad geheizt werden muss, steigt der Energiebedarf um 60 Prozent – obwohl wir bereits modernste Heizungstechnik einsetzen“, sagt Tuschen.

Bei einigen Wettbewerbern sei der Mehrverbrauch sogar noch höher. Dennoch gibt es einige Konkurrenten, die bereits 200 Kilometer Reichweite und mehr versprechen. „Wir sprechen bewusst von einer systemrelevanten Reichweite, die auch im Winter gilt“, sagt der Entwicklungschef. „Die Branche muss anfangen, professioneller mit Kennzahlen umzugehen, und nicht länger Äpfel mit Birnen vergleichen.“

Mit Komfortverlust im Winter bezahlen

Doch selbst die verhältnismäßig kurze Strecke zwischen zwei Akkuladungen müssen die Passagiere mit einem Komfortverlust im Winter bezahlen – oder damit leben, dass auch weiterhin Abgase durch eine zusätzliche Dieselheizung entstehen. „Wir bieten unsere Elektrobusse optional für unsere Kunden auch mit einer zusätzlichen Dieselheizung an, um so eine ähnliche Reichweite wie im Sommer zu erreichen“, sagte Tuschen. „Ich halte das für eine sinnvolle Option für die wenigen sehr kalten Tage in Deutschland.“

Noch vor einiger Zeit hatten Daimler-Manager hinter vorgehaltener Hand darauf verwiesen, dass die schnelleren Wettbewerber nur deshalb schon Elektrobusse auf dem Markt haben, weil sie solche Kompromisse eingehen.

Die Alternative heißt nun auch bei Daimler: frieren. „Wir haben auch über die notwendige Temperatur im Innenraum nachgedacht“, sagt Tuschen. Bislang empfehle die Richtlinie des Verbandes der Verkehrsunternehmen 24 Grad im Innenraum von Bussen. „Künftig sind Abweichungen in Abhängigkeit zur Außentemperatur möglich“, sagt der Entwicklungschef der Daimler-E-Busse.

Die Flottenmanager der Verkehrsbetriebe können die Temperatur künftig dem Vernehmen nach bis auf 16 Grad herunterregeln, um noch ein paar Kilometer Reichweite im Winter herauszuholen. „Man spürt die niedrigere Temperatur im Bus, es kommt daher darauf an, wie lange man sich im Fahrzeug befindet“, räumt auch Tuschen ein. „Wir trennen daher zwischen dem Fahrgastraum und der Fahrerkabine, wo es wärmer sein muss.“

Schon heute bei Gesamtkosten konkurrenzfähig

Zwar können die Busse theoretisch auch unterwegs auf der Strecke oder an bestimmten Haltestellen aufgeladen werden. Doch dafür müssten die Städte in die nötige Infrastruktur investieren – ohne zu wissen, ob das dauerhaft notwendig bleiben wird. „Natürlich bieten wir die Möglichkeit an, den Bus auch unterwegs auf der Strecke aufzuladen“, sagt Tuschen. „Allerdings glauben wir, dass die Streckenladung durch die Fortschritte bei der Reichweite zukünftig überflüssig wird.“

Ohnehin sind die Investitionen für die Verkehrsbetriebe anfangs höher. Die Elektrobusse werden bei der Anschaffung deutlich mehr als vergleichbare Dieselfahrzeuge kosten. „Betrachtet man allerdings die Gesamtkosten, die für den Kauf des Fahrzeugs und später für den Betrieb anfallen, ist der Elektrobus schon 2018 konkurrenzfähig“, verspricht der Entwicklungschef.

Auch deshalb glaubt Tuschen, dass Daimler schon 2025 genauso viele elektrische Citaros verkaufen könnte wie Dieselbusse. Zumal dann die Reichweite bereits bei 250 Kilometern liegen soll. „2030 werden sich die Elektrobusse weitgehend durchgesetzt haben, wir gehen davon aus, dass dann drei Viertel aller neu verkauften Citaro-Busse elektrisch angetrieben werden“, sagt er. Dann soll die Reichweite bei 400 Kilometern liegen, und der E-Bus könnte wohl endgültig die Dieselbusse ersetzen.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Welt.de.

Bild: Daimler