Auf den ersten Blick ist das ein Horror-Szenario. In den USA soll die Netzneutralität abgeschafft werden. Unter der Obama-Administration wurde die Gleichbehandlung von Datenpaketen im Internet beschlossen. Doch seit Januar leitet ein Trump-Getreuer die US-Behörde für Telekommunikation, die aller Voraussicht nach im Dezember dafür sorgen wird, dass das Internet, wie wir es kennen, der Geschichte angehört. Es kann durchaus sein, dass US-Bürger schon bald für einige Dienste extra bezahlen müssen. Zum Beispiel für Netflix, soziale Netzwerke oder Messenger. Gut, dass es mehrere Internets gibt!

Man vergisst das so leicht. Es gibt nicht nur dieses eine Internet, das wir täglich alle benutzen. Da wäre noch das Darknet oder das Hidden Web. Dazu kommen unzählige sogenannte Peer-to-Peer-Netzwerke, die ohne zentrale Server auskommen und Netzwerke, die sich Universitäten und private Firmen aufgebaut haben. Eine dramatische Veränderung des Internets, wie sie gerade in den USA passieren wird, hat zur Folge, dass wir uns in Zukunft noch viel intensiver mit alternativen Netzen auseinandersetzen werden. Denn da gibt es durchaus denkbare Lösungsansätze, die technisch leider sehr kompliziert sind. Aber anhand eines Beispiels lässt sich verstehen, in welche Richtung sich unser nächstes Netz entwickeln könnte.

Eine Chance für das neue, dezentrale Internet 

Das Startup Substratum arbeitet gerade daran, ein alternatives Netz aufzubauen. Es soll ei dezentrales Netz werden. Ohne zentrale Server und Verteilerknoten. Unser alltägliches Internet basiert auf wenigen Knotenpunkten, die wir ansurfen. Von dort aus werden wir auf den gewünschten Inhalt durchgestellt. Diese Knotenpunkte will Substratum abschaffen. Denn mit der Software des Unternehmens kann jeder Nutzer ein kleiner Verteiler eines dezentralen Internets werden. Er gibt dafür einen Teil seiner Rechenpower und Speicherkapazität frei. Substratum verspricht, dass dafür sogar Smartphones genutzt werden können.

Dafür installiert sich der zukünftige Internet-Host ein Stück Software, mit dem er bestimmen kann, wieviel Speicher und Rechenkraft er zur Verfügung stellen möchte. Für seine Dienste wird er mit der neuen Kryptowährug Sub bezahlt. Rechteinhaber können auf der anderen Seite mit Hilfe eines Tools ihre Inhalte ins Substratum-Netz hochladen. Alles wird verschlüsselt und mehrfach gesichert. Diese Inhalte werden auf das Netzwerk verteilt, sodass sie schnell abrufbar sind. Für den Surfer bedeutet das keine große Veränderung. Er tippt die Adresse in den Browser und wird zu seinem gesuchten Inhalt geführt. Wie bisher auch. Alle Informationen darüber, wo Inhalte zu finden sind, werden in einer Blockchain gespeichert.

Huch. Viele nutzen plötzlich den Darknet-Browser Tor.

Je schneller in den USA versucht wird, die Netzneutralität abzuschaffen, umso schneller werden Ideen wie Substratum entwickelt werden und an den Markt drängen. Bis jetzt hat es das überragende Bedürfnis nach einer Alternative zum Internet, wie wir es kennen noch nicht gegeben. Aber jetzt erleben wir, wie die Freiheit des Netzes sehr wahrscheinlich dramatisch eingeschränkt wird. Ein Wettlauf in Richtung unabhängiger und dezentraler Netze wird das Resultat sein. 

Das war bis jetzt nur ein Thema für die ganz harten Nerds, vielleicht noch für Wissenschaftler und Drogenhändler, die im Hidden Web oder Darknet unterwegs sind. Ab schon bald könnte daraus ein Massenphänomen werden. Die sprunghafte Entwicklung der Blockchain-Technonolgie kann ein wichtiger Faktor dabei sein. Die Nutzung des Tor-Browsers ist übrigens seit Oktober dramatisch angestiegen (siehe Grafik). Mit ihm erhält man Zugang ins Darknet. Oder ist das nur ein Zufall?

Bis wir uns im Hidden Web sehen, ist ja noch etwas Zeit. Bis dahin hören wir wundere Musik, die man wohl als Soul bezeichnen könnte: 

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