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Roman Hartmann und Tobias Schubert, die beiden Gründer von Farmy

Der eine hat sich seit Jahrzehnten am Markt etabliert und erzielt Millionenumsätze, den anderen gibt es erst seit kurzem. Der eine beschäftigt rund 3000 Mitarbeiter, der andere 30. Der eine setzt vor allem auf günstige Ware, der andere legt den Schwerpunkt auf regionale Produkte, die hochwertig sind. Den Schweizer Ableger des Discounters Aldi – Aldi Suisse – und das Züricher Startup Farmy verbindet nicht viel, außer dass beide in derselben Branche aktiv sind: Sie verkaufen Lebensmittel. Und doch hat es Farmy mit einer witzigen Aktion geschafft, mit dem Konzern ins Gespräch zu kommen.

Hintergrund ist eine Kampagne, die die renommierte Werbeagentur Scholz & Friends für den Discounter Anfang des Jahres geschaltet hat. „Ich bin ein Aldi-Kind“ hieß sie, sie zeigte sympathisch aussehende, sportliche Menschen, die sich für die Produkte des Discounters entscheiden. Werbung, die auf eine junge Zielgruppe abzielt – eine Vorlage für das Schweizer Startup.

Farmy ließ es sich nicht nehmen, ein eigenes Video zu produzieren, inklusive Website, und darin die „Aldi-Kinder“ direkt anzusprechen. Der Inhalt: Bei Farmy erhielten sie „echte Frische“ zu „fairen Konditionen“ für Schweizer Kleinstlieferanten. Einige von denen wurden dann auch im Film gezeigt, „Erwachsen Einkaufen“ lautet das Motto. „Unserer Meinung nach darf der Preis bei so etwas grundlegendem wie Lebensmitteln nicht das wichtigste Kaufkriterium sein, gerade Discounter rücken dies jedoch leider naturgemäss in den Mittelpunkt“, sagt Florian Laudahn, der bei Farmy fürs Marketing zuständig ist.

Rund 26 Stunden war das Video online, dann erschien ein weiteres, dieses Mal wieder von Aldi Suisse. Der Konzern antwortete dem Startup direkt. Einige junge, symathisch aussehende Aldi-Mitarbeiter bedankten sich bei dem Startup fürs Erwähnen, einer sagt „eure Parodie, netter Versuch“ in die Kamera. Und dann verraten sie, dass einige Lieferanten ihres Arbeitgebers durchaus aus der Schweiz kommen und sogar mit Aldi und Farmy gleichzeitig zusammenarbeiten. Öffentlich werde das nicht, über die Zusammenarbeit herrsche Stillschweigen. Beispielhaft wird Bauer P. aus A. eingeblendet, ein hemdsärmeliger Typ im Getreidefeld. Halbherzig unkenntlich gemacht durch einen dunklen Balken über den Augen. Die Botschaft: Bei beiden Anbietern bekommt man dieselbe Ware, nur womöglich zu unterschiedlichen Preisen. Eine Andeutung, die Farmy nicht auf sich sitzen lassen konnte.

Das Startup stellte ein weiteres Video online, in dem es sich fragte, wer Herr P. aus A. eigentlich wirklich ist – nämlich laut dem Startup ein Stock-Foto-Model, kein echter Bauer, und damit ein weiterer Beweis für die Intransparenz des Konkurrenten. „Wir sagen nicht, dass Aldi hundertprozentig schlechte Qualität hat, sondern dass die Firma unserer Meinung nach zu wenig Transparenz in Bezug auf die Produktherkunft bietet und somit die Qualitätseinschätzung stark erschwert“, sagt Florian Laudahn von Farmy. Über die schnelle Antwort des Konzerns hat er sich trotzdem gefreut. „Wir haben darauf abgezielt, aber nicht damit gerechnet“, erzählt er. Eine durchaus gelungene Werbeaktion für das junge Unternehmen also.

Und Aldi? Bisher hat der Konzern auf das neueste Farmy-Video nicht mit einem weiteren Clip geantwortet. Auf Nachfrage von Gründerszene schreibt ein Sprecher: „Es ist richtig, dass es sich bei dem in unserem Video abgebildeten Bauern um ein Stock-Photo handelt. Dieses klischeeerfüllende Bild haben wir bewusst ausgewählt, um in nicht personifizierter Form die realen Lieferanten zu symbolisieren, die Farmy und Aldi Suisse gemeinsam haben.“

Außerdem habe man ihn mit einem schwarzen Balken unkenntlich gemacht und nur die Kurzform seines Namens angegeben, um das „für die Kunstform der Parodie typische Stilmittel der Übertreibung weiter auf die Spitze zu treiben.“ Die gezeigten Mitarbeiter, versichert Aldi, seien allerdings alle echt.

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Bild: Farmy