Im Grunde sind sich alle einig: Über eine erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung einer Firma entscheidet auch der smarte Umgang mit Daten. Doch Daten sind in Deutschland ein Reizthema und man neigt eher dazu, aus Angst und mangelndem Wissen, dieses Feld zu verdrängen statt es anzupacken. Christian Sauer bietet mit der Firma Webtrekk seinen Kunden Analyse- und Marketinglösungen an, damit sie die Besucher ihrer Webseiten noch besser kennenlernen. Dadurch ist er täglich ganz dicht dran an diesem Thema. Wir haben mit ihm über Angst vor Daten, Digitalisierung der Gesellschaft und die Zukunft der Wirtschaft in Deutschland gesprochen.

Schadet der Datenschutz der digitalen Wirtschaft in Deutschland?

Ganz klar: Ja! Der neue Deal in der Internetwirtschaft lautet Daten gegen Leistung. Dies sieht man am besten an den Beispielen von Google, Apple und Amazon. Die Konsumenten geben diesen Firmen recht: 28 Millionen Deutsche nutzen alleine Facebook. Als StudiVZ seine AGBs geändert hat, war das in der Tagesschau die erste Meldung. Wir diskutieren unsere eigenen Firmen kaputt und schaffen gleichzeitig Weltmarktführer in anderen Ländern, die sich um unseren Datenschutz nicht kümmern. Google hat intern die Devise heraus gegeben, immer nur die fertig entwickelten Produkte von den Behörden überprüfen zu lassen. Nach Beanstandungen wird dann gesagt, das Produkt wurde erweitert und man müsste neu prüfen.

Sind die US-Firmen uneinholbar davongeeilt, weil in den USA eher lockerer mit Daten umgegangen wird?

Ich habe die leise Hoffnung, dass die Deutschen noch aufwachen und sich viel stärker an der Digitalisierung der Gesellschaft beteiligen, anstatt als Außenstehende über Regulierungen zu diskutieren. Am Beispiel von Uber sieht man doch am besten, dass sich die Unternehmen sogar absichtlich über Gesetze hinwegsetzen. Im Silicon Valley allein wurden im letzten Jahr 28 Milliarden Dollar in digitale Geschäftsmodelle investiert, in ganz Europa 8 Milliarden. Aktuell werden Weltmarktführer geboren, man ist dabei oder eben nicht.

Manchmal nimmt die Sorge um Daten in Deutschland schon fast schon hysterische Züge an. Ist diese Angst berechtigt?

Natürlich verändert der Umgang mit Daten unsere Gesellschaft massiv und man sollte über die Folgen diskutieren. Nur diskutieren wir gerade darüber, ob uns ein paar Schuhe im Internet verfolgt. Ich sehe viel größere Einschnitte in unsere Privatsphäre, wenn z.B. die Analyse des menschlichen Genoms für unter 100 Euro verfügbar sein wird, uns selbstfahrende Autos von zentralen Computern gesteuert durch die Stadt fahren oder mehr und mehr Brillen mit Kamerafunktionalität ausgestattet sein werden. Das sind Themen, die datenschutzrechtlich wirklich bedenklich sind, nicht die Speicherung einer IP-Adresse zur Auslieferung einer Werbung. Außerdem besitzen Unternehmen wie Google und Apple bereits jetzt mehr personenbezogene Daten über uns, als der BND je haben wird. Warum beschwert sich darüber niemand?

Was können Unternehmen überhaupt mit Daten anfangen?

Daten sind das Öl der Gegenwart. Wenn ich weiß, womit sich ein Mensch beschäftigt, kann ich ihm relevantere Werbung einblenden und seine Bedürfnisse besser bedienen. Die meisten Konsumenten verstehen das sogar als Bereicherung, wenn sie Produkte gezeigt bekommen, die sie interessieren. Zum Beispiel empfindet nur ein relativ kleiner Prozentsatz Warenkorbabbrechermails als störend, der Großteil hält diese für einen sinnvollen Service. Vielleicht ist man ja abgelenkt worden während eines Einkaufsprozesses. Die Wettbewerbskommission hat für Deutschland festgestellt, dass diese Form der Werbung ohne Double-Opt-In unzulässig ist. Damit verliert die Werbeform aber 80 Prozent Reichweite. Manche Firmen tun es trotzdem und wachsen ein paar Prozent mehr. Dieser kleine Unterschied kann über den Sieg entscheiden.

Dein Geschäft mit Webtrekk hängt auch von der intelligenten Analyse von Daten ab. Wie reagieren Kunden?

Auch wir spüren Zurückhaltung der Kunden bei den Themen Personalisierung und der Verknüpfung von Daten mit den eigenen Systemen. Man bindet schnell einen Drittanbieter für das Retargeting in die eigene Webseite ein, tut sich aber schwer, eigene Datenkompetenz im Unternehmen intern aufzubauen. Datentechnisch gesehen wäre das geschützter und unbedenklicher. Leider laufen die Deutschen Konsumenten wie verrückt zu Amazon, um dort ihre Produkte einzukaufen. Wenn die Konsumenten durch ihr Verhalten zeigen, dass sie die hohe Relevanz bei Amazon positiv finden und ein kleinerer Teil es ablehnt, dann überholt unsere Industrie bald die Realität.

Was wäre dein Wunsch für eine bessere Zukunft im Umgang mit Daten in Deutschland?

Meinen Wunsch habe ich in dieser Petition niedergeschrieben. Wir sollten an der Digitalisierung der Gesellschaft aktiv mitwirken, mit eigenen Initiativen und Modellen. Wir benötigen einen viel aktiveren Kapitalmarkt, der erst von einer größeren Community angezogen wird. Außerdem sollten wir in Europa versuchen, mit den USA einen gemeinsamen weltweiten Datenschutzstandard zu entwickeln. Sonst werden Investoren vor der Regulierung in Europa immer wieder zurückschrecken und die Digitalisierung wird von anderen umgesetzt.

Bild: Webtrekk