Kein Bereich unseres Lebens bleibt von der Digitalisierung verschont. Das haben inzwischen die meisten Menschen verstanden. Aber kann auch Liebe, Partnerschaft und Flirten digital disrupted werden? Schwierig. Die Partnerschaftssuche im Netz ist jedenfalls ein großes Geschäft. Es gibt unzählige Datingportale und offenbar ein unerschöpfliches Reservoir an Menschen, die auf der Suche nach einer Partnerin oder einem Partner digitalen Kanälen vertrauen. Es ist ja auch viel einfacher ein Profil auf einer Datingseite anzulegen, als einen Abend am Tresen einer Bar oder in einem Club zu verbringen, nach geeigneten Partnern Ausschau zu halten – und dann noch den Mut aufzubringen, sie persönlich anzusprechen.

Neben ihrem Kerngeschäft bieten viele Datingportale Ratgeber, Blogs oder Diskussionsforen an. Hier kann sich die Kundschaft über Themen informieren, die im weitesten Sinn mit Liebe, Sex oder Partnerschaft zu tun haben. Da gibt es Tipps für das erste Date, zum Thema Sexting oder wie man als Mann seine sexuelle Ausdauer verbessern kann. Und es ist schon erstaunlich, dass sich die meisten dieser Ratgeber und Blogs so lesen, als hätte sich in den vergangenen Jahren auf dem Gebiet der zwischenmenschlichen Beziehungen überhaupt nichts geändert. Vieles klingt seltsam verklemmt, hoffnungslos altbacken oder sogar unfreiwillig komisch. Genau wie in den guten alten, vordigitalen Zeiten.

Ashley Madison: In weiten Teilen sinnfrei

Die Topthemen auf dem Seitensprung-Portal Ashley Madison lesen sich so:

  • „Wie findet und behält man eine Fickfreundin?“
  • „Top 10 Sexspielzeuge, die eine Frau haben sollte“
  • „Zur Ehrenrettung von kleineren Penissen.“

Zu diesem Text in Sachen Penis folgt dann ein Einleitungstext, der es in sich hat: „Ein moderner Mythos besagt, dass größere Schwänze besser sind. Auch wenn es einige Frauen gibt, die auf Umfang stehen, gibt es viele, die damit nicht umgehen können (auch wenn sie meinen, es tun zu können)…“ Alles klar? Klingt, als ob es sich hier um komplett verunglückte, automatisierte Übersetzung handelt. Irgendwo ist auf dem Weg jedenfalls der Sinn der Botschaft verloren gegangen – wenn er denn jemals vorhanden war. Ashley Madison war zuletzt in die Schlagzeilen geraten, weil sich hinter vielen Profilen offenbar Fembots versteckten, die paarungswilligen Männern nur vorgaukeln, dass sie es mit echten Frauen zu tun haben. Mit Automatisierung kennt man sich also aus bei Ashley Madison. Mehr oder weniger.

Ohlala: Welcome to Hells Gate

Die Smartphone-App Ohlala vermittelt seit einiger Zeit bezahlte Dates. Angemeldete Männer können sich hier eine Partnerin suchen. Für was auch immer. Das bleibt jedem Kunden selber überlassen. Auch die Verhandlung über den Preis für das Date. Der Ohlala-Blog heißt „Bei Lust & Laune“ und ist etwas liebevoller inszeniert als bei der Konkurrenz von Ashley Madison. Man bemüht sich immerhin um einen unverklemmten, offenen Ton. Hier gibt es zum Beispiel einen Fragebogen, der nach eigener Aussage „heißer als der im Playboy und klüger als der aus der FAZ“ sein soll. Die „Ohlala-Damen des Monats“ beantworten Fragen wie diese hier: „Was verwandelt Deinen Unterleib in einen Regenwald?“ oder „Welche Zeilen würdest Du Dir auf Deinen Venushügel tätowieren lassen?“. Die 26jährige Lilith, die in einer Bar und als Freudenmädchen arbeitet, antwortet trocken: „Hells Gate.“ Willkommen bei Ohlala.

Dazu gibt es dann noch Tipps für Männer, die nicht ganz sicher sind, wie sie bei einem Date auftreten sollen: „Seid sauber, dann riecht ihr auch lecker!“ Vielen Dank. Oder: „Ungepflegte Hände, schmutzige Fingernägel bringen Frauen zum Würgen.“ Ok. Verstanden. Auch für Frauen hat Ohlala ein paar wertvolle Tipps parat: Zähne putzen, duschen, an den richtigen Stellen rasieren und ein oder zwei Tropfen Parfum. Aha. Wären wir jetzt echt nicht drauf gekommen. Und dann waren da noch ein paar superheiße Tipps, wie man einen Seitensprung geheim hält: Klappe halten, digitale Spuren verwischen, auf keinen Fall das Handy herumliegen lassen. Echt nicht? Wer solche Tipps wirklich nötig hat, sollte sich die Sache mit dem Seitensprung noch einmal gründlich durch den Kopf gehen lassen.

Kissnofrog: Es lenzt der Lenz, Veronika

Der Blog von Kissnofrog greift in weiten Teilen völlig ungeniert in die tiefsten Untiefen der Klischeekiste. Bis es schmerzt. „Ringsum grünt und blüht es, Frühlingsduft liegt in der Luft. Vögel zwitschern im Park, in den Straßencafés turteln verliebte Pärchen. Die ersten warmen Sonnenstrahlen versetzen Mensch und Tier jedes Jahr von Neuem in einen körperlichen Ausnahmezustand. Frühlingsgefühle – für dieses himmlisch schöne Phänomen lässt sich in der Wissenschaft nur schwer eine allgemein gültige Erklärung finden.“ Man möchte den verantwortlichen Texter am liebsten am Kragen durch den ringsum grünen Park schleifen, bis er die Vögel zwitschern hört.

Völlig überraschend auch dieser Funfact auf Kissnofrog: „Am wichtigsten ist Männern weltweit die Attraktivität der Partnerin. Welche äußeren Merkmale dabei allerdings entscheidend sind, ist von Mann zu Mann verschieden.“ Aha. Das wird ganz sicher sehr vielen Damen bei der Partnersuche helfen. Einer geht noch: „Gut trainierte Bauchmuskeln, knackige Hintern und das alles in knappen Bikinis und trendigen Badehosen. Die Freibad-Saison läuft auf Hochtouren und Schwärme von Singles tummeln sich in den Gewässern, wartend auf den ,großen Fang’.“ Soso. Schwärme von Singles tummeln sich. In trendigen Badehosen. Gnade!

Parship: Männer, Frauen und Planeten

Eine positive Ausnahme ist der Blog der Partnervermittlung Parship. Er befindet sich uns sprachlich und inhaltlich immerhin auf gehobenem Frauenzeitschriftenniveau. Manchmal wirkt alles etwas steif, bürokratisch und werblich. Experten geben Auskunft über Themen wie Körpersprache oder wie man es schafft, sich im Urlaub nicht zu streiten. Ausführlich wird dem Publikum dargelegt, warum es keine Schande ist, sich einen Partner im Internet zu suchen. Dazu gibt es Tipps per Video, wie man in Kontakt tritt und was man dabei unbedingt vermeiden sollte. Aber auch bei Parship gibt es Ausflüge in das weite Land des Irrsinns – oder was soll uns diese Einleitung sagen: „Dass Männer und Frauen von verschiedenen Planeten kommen, ist schon verwirrend genug. Dass sie auch noch verschiedene Sprachen sprechen, macht die Suche nach dem perfekten Partner noch komplizierter.“ Bestimmt irgendwie richtig.

Beim Thema Liebe und Sex ist schwer, die richtigen Worte zu finden. Auch in digitalen Zeiten. Da lenzt der Lenz, knackt der Hintern oder es wird so locker und lässig über Venushügel-Tattoos gesprochen, dass es schon wieder verklemmt wirkt. Viele Menschen finden ihre Liebe, den Partner oder einfach nur Sex über das Internet. Hoffentlich haben sie die begleitenden Blogs und Diskussionsforen nicht gelesen. Dann könnte man fast auf den Gedanken kommen, eine Kontaktanzeige in der gedruckten Zeitung zu schalten. Da ist das Umfeld irgendwie hochwertiger.

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