Delinero-Gründerin Anne Leuschner

Marmelade aus Estland, Erdbeer-Schokolade aus Polen, Schinken aus Portugal – Delinero verkauft Feinkost und Spezialitäten, die im Supermarkt schwer zu bekommen sind. 7.000 Produkte gibt es in dem Onlineshop, die einzeln oder in Boxen zusammengestellt an die Kunden verschickt werden.

2012 wurde das Hamburger Startup, das von der gebürtigen Berlinerin Anne Leuschner (27) geleitet wird, von dem Hamburger Company Builder Truventuro gestartet. Ein Jahr nach dem Launch beteiligte sich Gruner + Jahr an Delinero – in einer für den Hamburger Traditionsverlag ungewöhnlich frühen Phase.

Die Zusammenarbeit verlief offenbar erfolgreich: Der Verlag, der auch Anteile an Startups wie Veeseo oder Trnd hält, kauft nun Delinero komplett und übernimmt damit die Anteile von Truventuro, mehrerer Family Offices und verschiedener Privatinvestoren. Nach eigenen Angaben hat Delinero mittlerweile Kundenzahlen im hohen fünfstelligen Bereich, profitabel ist das Startup jedoch noch nicht.

Wie kam es zur Übernahme? Was ändert sich nun? Und wie profitiert Gruner + Jahr eigentlich von Delinero? Wir haben Geschäftsführerin Anne Leuschner gefragt.

Wie bist du auf die Idee für Delinero gekommen?

Der Initialimpuls kam nicht von mir, sondern vom Hamburger Company Builder Truventuro. Europäische Qualitätslebensmittel in Deutschland verfügbar zu machen, ist auch heute noch der Kerngedanke, der Delinero zu Grunde liegt und uns antreibt.

Anfangs wart ihr ein Marktplatz, seit Ende 2014 ein klassischer E-Commerce-Händler. Wieso der Wandel?

Lebensmittel sind ein milliardenschwerer Markt, der erst am Anfang des digitalen Shifts steht. Das Potenzial ist riesig – die Herausforderung, diesen Markt zu entwickeln und sich als relevanter Player zu etablieren, ebenfalls. In diesem Umfeld lernt man recht schnell, sich nicht an die erstbeste Idee zu klammern, sondern das Geschäftsmodell auch mal um ein paar Gradzahlen nach rechts oder links zu drehen, immer mit einem Ohr am Kunden. Wir haben diesen Schritt mehr als einmal gewagt, teils auch mal mitten im Weihnachtsgeschäft. Ich glaube, ich könnte darüber ein ganzes Buch schreiben. Am Ende des Tages habe ich ein sehr mutiges und umsetzungsstarkes Team, mit dem es möglich war, den perfekten Product-Market-Fit zu finden. Das Marktplatz-Konzept war nicht kundenkonform, vor allem in Bezug auf Lieferzeiten. Mit der Transformation zum Shop konnten wir letztendlich die Kundenzufriedenheit enorm steigern und haben eine Basis geschaffen, auf der wir skalieren können.

Mittlerweile kann man überall im Internet Lebensmittel kaufen. Was macht Euch besonders?

Ist die Verfügbarkeit von guten Lebensmitteln im Internet wirklich so überragend? Da bin ich skeptisch. Wir möchten nicht der Online-Supermarkt für den täglichen Bedarf sein, da streiten sich andere drum. Wir bieten unseren Kunden hochwertige Lebensmittel aus den Manufakturbetrieben Europas. Wir reden hier von Produkten, die man aus dem Urlaub kennt und die man in Deutschland schwer oder gar nicht bekommt.

Ihr bietet auch Boxen mit Lebensmittel aus bestimmten Regionen im Abo an. Wie ist die Idee dafür entstanden?

Über unsere Kunden haben wir gelernt, wie wichtig der Faktor Erlebnis ist und daraufhin unser Geschäftsfeld um ein Abo-Modell mit monatlich wechselnden Länderboxen erweitert. Eine kulinarische Reise durch Europa sozusagen. Das Konzept ist durch die Decke geschlagen und hat einmal mehr bewiesen, dass Emotionen extrem wichtig für die Kaufentscheidung und Kundenloyalität sind. Aus Unternehmenssicht ergänzen sich die beiden Säulen eines klassischen Online-Shops und einer Abo-Box übrigens wunderbar. Deine Lieblingsprodukte aus der Länderbox kannst du als Kunde unkompliziert im Shop nachbestellen. Positiver Nebeneffekt: Wir haben einen überdurchschnittlich langen Kundenlebenszyklus.

Bereits 2013 hat Gruner + Jahr 20 Prozent der Anteile übernommen. Wie kam es dazu?

Als wachstumsstarkes Unternehmen ist Delinero auf externe Investitionen angewiesen. Die Chemie mit Gruner + Jahr hat von Anfang an gestimmt. Wir haben eingangs Testbatterien aufgesetzt und festgestellt, dass die Medien des Verlags unsere Zielgruppe ideal erreichen.

Eine Empfehlung der G+J-Zeitschrift „Essen & Trinken“ auf der Seite von Delinero

Wie profitiert ihr von Gruner + Jahr?

Der Verlag kann mit seiner Reichweite einen signifikanten Wertbeitrag zum Wachstum leisten und ist für uns von enormer Bedeutung für den Aufbau der Marke Delinero. Den Großteil meiner Kunden spreche ich heute de facto noch offline an. Was eignet sich hier besser als Deutschlands reichweitenstärkste Food-Magazine wie beispielsweise Essen & Trinken? Nicht zuletzt ist Delinero mit G+J spürbar gereift – für ein blutjunges Unternehmen ein teils schmerzhafter Prozess, der sich am Ende aber auszahlt.

Und wie profitiert Gruner + Jahr von Euch?

Gruner + Jahr kann mit Delinero nicht nur seine Zielgruppen ideal ansprechen und monetarisieren, sondern auch Erfahrungen mit Startups und E-Commerce-Modellen sammeln. Die mehrjährige enge Zusammenarbeit bestätigt, dass wir sehr gut zusammenpassen und Synergieeffekte ideal nutzen können.

„Essen & Trinken“ verweist in einem Rezept auf der eigenen Webseite auf Produkte von Delinero

Hat Gruner + Jahr Euch den Strategieschwenk weg vom Marktplatz hin zum E-Commerce-Modell vorgeschlagen?

Nein, der Strategieschwenk ist durch das Management erfolgt. Gruner + Jahr steht uns aber bei allen Entscheidungen unterstützend zur Seite.

Nun übernimmt Euch der Hamburger Verlag komplett. Wieso?

Wir konnten die letzten Jahre mit solidem Wachstum überzeugen. Es war ein logischer nächster Schritt, über eine tiefergehende Partnerschaft zu sprechen.

Was wird sich durch die Übernahme verändern?

Nicht viel, wir werden genauso hart weiterarbeiten wir vorher (lacht). Wir bleiben ein komplett selbstständiges Business. Ich glaube, beide Seiten wissen, dass ein Unternehmerteam weitestgehend autark bleiben muss, damit die Werte, die dieses Unternehmen tragen, erhalten bleiben. Wir werden unser Wachstum dieses Jahr noch einmal beschleunigen und die Zusammenarbeit mit den Magazinen von Gruner + Jahr intensivieren. Persönlich freue ich mich darauf, nur noch einen Shareholder zu haben, das vereinfacht einiges in der Kommunikation.

Gruner + Jahr hat gerade einen 50-Millionen-Euro-Fonds für Startups im Bereich Food, Living, Family sowie Werbetechnologie aufgesetzt. Welchen Startups würdest Du zu einer Bewerbung für ein Investment raten?

Disruptiven Geschäftmodellen, die in der Lage sind zu skalieren, ein talentiertes Team haben und zu einer der „Communities of Interest“ von Gruner + Jahr passen, um strategisch von der Reichweite des Medienhauses profitieren zu können.

Vielen Dank für das Interview, Anne.


Eine Übersicht mit den wichtigsten Startup-Köpfe Hamburgs gibt es hier:

Das sind Hamburgs Startup-Köpfe

Bild: Delinero