Das perfekte Produktangebot

30.000 Produkte im Supermarkt, 600 Fernseher im Online-Shop, 54 Biersorten im Späti: Sortimente werden immer komplexer. Weil all diese Optionen Zeit, Energie und Nerven kosten, können sich Konsumenten immer weniger entscheiden. Oft werden schwierige Konflikte produziert, sodass Kaufprozesse verschoben oder gänzlich abgebrochen werden. Vielfalt motiviert anfangs, lähmt dann aber sobald die mentale Belastung und Konflikte überhand nehmen.

„Multioptions-, Konsum-, Wissens-, Informations-, Erlebnisgesellschaft“. Hinter fast allen soziologischen Gesellschaftsbeschreibungen der letzten Jahre steckt ein gemeinsamer Kern: Mehr, mehr, mehr.

Menschen wollen, suchen und haben mehr Wahlfreiheit, mehr Produkte, mehr Infos, mehr Wissen und mehr. Kein Wunder, wenn sich bei Produkt- und Marketingmenschen bei Gründern, Betreibern von Onlineshops aber auch vielen Einzelhändlern verschiedene Glaubenssätze in Bezug auf das optimale Angebot eingeschlichen haben:

1. „Mehr ist besser“

Anbieter, die diesem Glaubenssatz unterliegen haben dennoch meist hohe Komplexitätskosten, verwirrte Kunden und viele graue Haare, weil sie die ganzen Produkte bestellen, im System pflegen und lagern müssen.

In der Tat wird mehr Vielfalt positiv von Kunden bewertet und führt zu einer höheren Besucherfrequenz in Läden und auf Webseiten. Jedoch ist die Anzahl der Produkte nur ein Faktor, der die wahrgenommene Vielfalt bestimmt. Oft spielen bestimmte optische Hinweisreize wie die Anordnung der Produkte oder die Verteilung bestimmter Attribute im Sortiment eine größere Rolle.

So führen in einigen Fällen mehr unstrukturiert präsentierte Produkte zu einer geringeren wahrgenommenen Vielfalt als weniger, aber dafür gut ausgewählte Produkte.

Fazit: Mehr Produkte sind nur besser, wenn die Produktvielfalt sorgsam ausgewählt und strukturiert wird.

2. „Wenn ich mein Sortiment reduziere, verliere ich Kunden“

Der Konsumgütergigant Proctor & Gamble erzielte mit der Reduktion des Shampoos „Head & Shoulders“ von 26 auf 15 Varianten eine Umsatzsteigerung von 10 Prozent. Boatwright und Nunes, zwei amerikanische Konsumentenforscher haben in einer Feldstudie die Zahl der Produkte in 42 Supermarktkategorien untersucht. Bei fast der Hälfte der Produktkategorien konnte nach einer Bereinigung des Sortiments eine Umsatzsteigerung von 10 Prozent erreicht werden, der Rest erzielte im Schnitt eine vierprozentige Steigerung der Umsätze.

Händler und Hersteller mögen nun die Gefahr sehen, dass Konsumenten ihre Lieblingsartikel nicht mehr finden, deswegen zur Konkurrenz wechseln oder der Durchschnittsumsatz sich verringert. Aber auch das haben die Konsumentenforscher gemessen und festgestellt, dass der Durchschnittsbon bei einem Großteil der Kunden höher als vorher war.

Das kompensierte die wenigen verlorenen Kunden, die tatsächlich zur Konkurrenz abwanderten. Und immerhin hatten in dieser Studie fast 40 Prozent der Kunden, die ihr präferiertes Produkt nicht mehr fanden ein Substitut gewählt.

3. „Wenn ich mein Angebot übersichtlich gestalte, greifen Kunden zum billigsten Produkt“

Das ist unwahrscheinlich. Zwar zeigt eine Studie im Lebensmittelhandel, dass Kunden mit guten Vergleichsmöglichkeiten zwei Prozent weniger Umsatz machten – aber diese Studie stammt aus den 70iger Jahren, als es ein Bruchteil der heute erhältlichen Produkte gab.

Neuere Studien zeigen, dass in geordneten Produktangeboten, die Käufer zur Mitte hin tendieren, also ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis wählen. Besonders überforderte Kunden greifen auf Autopilot-Mechanismen zurück und kaufen das billigste Produkt, die Marke die Sie schon immer hatten oder laufen davon.

 4. „Wir sprechen verschiedene Nutzer gleichzeitig an.“

Die Überlegung, durch Hinzufügen weiterer Funktionen ein Produkt für mehrere Nutzergruppen attraktiv zu machen ist verlockend. Doch wer wird dann wirklich angesprochen? Oft verwässern zu viele Features die Coolness und Passung eines Produktes für eine bestimmte Zielgruppe.

Wo liegt die Unterscheidungskraft einer Produktlinie wenn diese 30 verschiedene Produkte für alle mit der jeweils „besten Qualität“ bietet? Zwei bis max. fünf „Allrounder“ für den Massenmarkt und zwei Hand voll Produkte für Spezialbedürfnisse sollten in den meisten Fällen genügen.

Nicht nur Marken brauchen eine gute Positionierung! Auch einzelne Produkte müssen sich merklich von anderen abgrenzen – nicht nur von Konkurrenzprodukten, sondern auch von den anderen Produkten der eigenen Marke.

 5. „Das ist doch vollkommen logisch“

Mfg, AGB, GEZ, VSV, M27der, 501S, 3TD – In vielen Firmen wird eine eigene Sprache gesprochen. Doch Kunden sprechen nur selten Samsungschisch oder Miele-aneisch! Warum werden denn Produkte so kryptisch bezeichnet? Was hilft ein Auswahlmenü für ein Navi, wenn der Kunde die Wahl zwischen einer F-, Z- oder N-Serie hat – ohne dass diese Klassifikation erklärt wäre?

Kunden wollen im Kaufprozess das passende Produkt finden. Schnell und einfach – ohne mentales Produktnamen-Soduko zu spielen!

Fazit: Die Kunst besteht darin, sich zu fragen, was jede einzelne Option für einen einzigartigen Kundennutzen bietet und wie sich die einzelnen Produkte oder Dienstleistungspakete wirksam voneinander abgrenzen. Wenn ein neues Produkt einen Mehrwert schafft, soll es eingeführt werden. Wenn ein Produkt keinen Mehrwert schafft, hätte es einen großen Vorteil, dieses Produkt aus dem Angebotsportfolio zu nehmen und dafür die anderen Angebote besser zu positionieren und mit voller Kraft zu vermarkten.

Fokus, Struktur, Straffung und Passgenauigkeit – das sind wichtige Rezepte in Zeiten der „Zuvielitis“.

Gründerszene-Seminare

Der Autor Martin Krengel ist auch als Referent bei den Gründerszene-Seminaren tätig und leitet dort die Workshops zum Thema Produktivitätstraining und Customer Navigation.

Customer Navigation
Mit 4 neuen, psychologischen Methoden Umsatz steigern und Kosten senken
26. August 2013, 14 bis 18 Uhr

Produktivitätstraining
Verbessere deine Motivation, Konzentration und Effizienz
09. September 2013, 14 bis 18 Uhr

 

Alle Seminare gibt es wie immer unter gruenderszene.de/seminare 

Um noch mehr Tipps für die Sortiments- und Informationsoptimierung zu bekommen, verlost Gründerszene zwei Exemplare des neuesten e-Books von Martin Krengel, “Customer Navigation“.

Um an dem Gewinnspiel teilzunehmen, genügt ein Kommentar unter diesem Artikel zu der Frage:

„Nenne bitte eine Eurer Produktkategorien und die von Euch angebotene Anzahl an Produkten bzw. Wahlmöglichkeiten dazu.“

Jeder Kommentar nimmt automatisch an dem Gewinnspiel teil. Die allgemeinen Teilnahmebedingungen sind hier zu finden.

Bild: Alexander Dreher  / pixelio.de