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Für 3,1 Millionen US-Dollar wechselt die Domain whisky.com Anfang 2014 den Besitzer – und ist damit bis heute eine der teuersten Webseiten überhaupt. Käufer ist das deutsche Familienunternehmen Whisky.de GmbH aus Seeshaupt am Starnberger See, das ebenfalls whisky.de betreibt. Während Familienvater Horst Lüning dank dreier YouTube-Kanäle mit insgesamt rund 47 Millionen Aufrufen längst eine eigene Brand ist, sorgt er als Tesla-Influencer für Millionen-Umsätze beim Elektroauto-Konzern. OMR zeichnet die Geschichte des markigen Unternehmers nach.

„Man meint, die See, den Sturm, die Brise im Glas zu spüren. Der Rauch überdeckt aber sehr, sehr viel. Mal sehen, was der Geschmack bringt“, fachsimpelt Horst Lüning über den Geruch eines 16 Jahre alten Lagavulin, einer schottischen Whisky-Sorte. Ende November 2007 lädt er das erste Video auf dem YouTube-Kanal von whisky.de hoch. Was heute leicht angestaubt wirkt, ist bei Fans und Kunden des Online-Shops von Familie Lüning längst kult. Fast 200.000 mal wurde das Video bisher angeschaut, unter den Kommentaren befinden sich Sätze wie „Dieses Video ist der HEILIGE GRAL von whisky.de!!!!“ und „Ich finde dieses Video sensationell und es das erste einer unglaublichen Serie. Weiter so!“.

Whisky- und Internet-Pionier

Gemeinsam mit seiner Frau Theresia gründet Horst Lüning „The Whisky Store“ schon 1993, nachdem das Paar während einer Reise durch Schottland auf den Spirituosen-Geschmack gekommen war. Der Shop ist damit ein echter Online-Pionier. Die Unternehmer probieren im Laufe der Zeit immer wieder neue URLs und damit auch kleine Veränderungen an der Brand aus. Aus thewhiskystore.de wird so zwischenzeitlich erst whisky24.de und dann whisky.de – immer in der kanadischen und schottischen Schreibweise ohne das „e“ in „Whiskey“. Alle URLs gehören bis heute dem Unternehmen und leiten auf die Startseite von whisky.de mit dem Claim „Treffpunkt feiner Geister“ weiter.

Im Frühjahr 2014 dann der Deal, der vermuten lässt, dass das Online-Geschäft mit Whisky ganz gut läuft: Für 3,1 Millionen US-Dollar kauft Familie Lüning die Domain whisky.com und sichert sich damit einen Platz in der Rangliste der teuersten Webseiten aller Zeiten. Der Verkäufer Michael Castello, gemeinsam mit seinem Bruder unter dem Namen „Castello Brothers“ als legendärer Domainer bekannt, hatte die Seite einige Jahre zuvor kostenlos registrieren lassen. Kurz nach dem Rekord-Deal nennt Castello spannende Details, unter anderem habe er dem Vermittler, der nur sieben Tage für den Verkauf gebraucht haben soll, eine Provision von zehn Prozent, also 310.000 US-Dollar, gezahlt.

Internationalisierung und ein neuer, englischsprachiger YouTube-Kanal

Die neue Seite soll den Whisky-Versand des Unternehmens internationalisieren. Horst Lüning fasst die Ziele damals so zusammen: „Kern dieser neuen Domain werden die ins Englische übersetzten Inhalte von Whisky.de sein, dessen Seiten mit 33.000 täglichen Besuchern und 17 Millionen Abrufen im Dezember 2013 bereits heute in der Spitzengruppe der weltweiten Whisky-Portale rangiert.“

Ein Blick in das Statistik-Tool von SimilarWeb zeigt allerdings, dass bis heute die .de-Domain das Zugpferd der Firma sein dürfte. In den letzten 24 Monaten kam die deutsche Seite demnach durchschnittlich auf rund 650.000 Visits pro Monat bei 7,5 Seitenaufrufen pro Besuch; das englische Pendant erreichte hingegen nur 110.000 monatliche Visits bei 2,7 Seitenaufrufen pro Besuch. Weitere, ältere Domains im Portfolio wie whisky24.de, thewhiskystore.de oder whiskey.de spielen offenbar keine relevante Rolle. Trotz angeblich mehrerer Kaufangebote plane Horst Lüning nicht, auch die Domain whiskey.com zu kaufen; laut mediaoptions.com steht die aktuell aber für 1,61 Millionen US-Dollar zum Verkauf.

Community-Building als Erfolgsfaktor

Ob sich die Millionen-Investition schon rentiert hat, lässt sich von außen nur schwer sagen. Das Unternehmen hält sich zu Finanzkennzahlen recht bedeckt; auch auf mehrfache Anfragen haben wir keine Antworten erhalten. In einer Pressemitteilung zum 15-jährigen Jubiläum 2008 heißt es, der Whisky-Shop habe 2007 „mit über 1.000 Whiskyartikeln einen Umsatz von 10 Mio. EUR“ gemacht, das durchschnittliche Wachstum liege bei 20 Prozent pro Jahr. Dass das Familienunternehmen diese Wachstumsrate über die Jahre auf diesem Niveau halten konnte, ist allerdings kaum vorstellbar.

Ein wesentlicher Erfolgsfaktor von whisky.de ist mit Sicherheit der schon früh betriebene Aufbau einer Community. Auf der Webseite selber bietet das Unternehmen eine Whisky-Datenbank, in der knapp 28.000 Mitglieder bisher fast 73.000 Bewertungen zu verschiedenen Sorten abgegeben haben. Auch ein Blick ins Forum zeigt eine hohe Aktivität der User: In tausenden Threads – natürlich vor allem zum Thema Whisky – wurden bis heute über 620.000 Kommentare geschrieben. Als Mitglied des „The Whisky Club“ erhält man bei einem Jahresbeitrag von 60 Euro fünf Prozent Rabatt auf jede Bestellung und – natürlich – eine Flasche Whisky. Außerdem Teil der Community-Maßnahmen von whisky.de: ein Newsletter, ein kostenloser Whisky-Katalog, ein gratis Whisky-Buch und eine Facebook-Gruppe mit über 10.000 Mitgliedern.

Content Marketing auf YouTube als Traffic-Maschine

Seit Ende 2007 ist whisky.de mit einem eigenen Kanal auf YouTube aktiv und hat seitdem über 1.700 Videos hochgeladen. Vor der Kamera verkostet vor allem Horst Lüning verschiedene Whisky-Sorten; ohne Skript und Schnitte erklärt er Besonderheiten der Spirituosen und hat es mit seiner speziellen, natürlichen Art geschafft, in der Community und der Whisky-Branche als das Gesicht der Marke wahrgenommen zu werden. Die einrfolgreichsten der bis zu 30 Minuten langen Clips kommen auf knapp 400.000 Views, häufig wird direkt auf das entsprechende Produkt im Shop verlinkt. Insgesamt wurden die Videos des Kanals fast 25 Millionen Mal angeschaut, knapp 36.000 Fans haben ihn abonniert. Der Sohn Benedikt Lüning, laut Impressum gemeinsam mit seiner Mutter Geschäftsführer, tritt inzwischen auch immer häufiger vor die Kamera.

Mit dem Kauf der Domain whisky.com Anfang 2014 hat Familie Lüning auch den Content auf YouTube internationalisiert. Der schon einige Wochen vor Abschluss des Deals erstellte englischsprachige Kanal kommt mit fast 1.000 hochgeladenen Videos auf rund 22.000 Abonnenten und knapp fünf Millionen Views. Mit dem Start der YouTube-Aktivitäten sollen die Umsätze angeblich um 25 Prozent gestiegen sein.

Horst Lüning als Marke und Tesla-Influencer

Der in Sachen Abonnenten stärkste YouTube-Kanal im whisky.de-Portfolio ist der von Horst Lüning selber. Seit Mitte 2012 veröffentlicht der studierte Maschinenbauingenieur Videos zu verschiedensten gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Themen. So handeln einige der erfolgreichsten Videos beispielsweise von Heizkosten-Vergleichen, den US-Wahlen und seiner Rolex-Uhr – selbstverständlich immer mit einer Whisky-Flasche im Bild und Verlinkung zum Shop in der Beschreibung. 57.000 Abonnenten haben sich die über 1.100 Clips bisher mehr als 16 Millionen Mal angeschaut.

Neben “Geheimnissen der Gesellschaft und Wirtschaft, die von Politik und Medien gerne verschwiegen werden”, wie Horst Lüning in leichter Verschwörungstheoretiker-Manier seine Videos häufig einleitet, dreht sich auf seinem Kanal seit einigen Jahren viel um den Elektroauto-Konzern Tesla. Lüning selber fährt aktuell ein Model S und liefert regelmäßig Einblicke in seinen Alltag mit dem Fahrzeug, zum Beispiel während einer 24 Stunden langen Weltrekordfahrt.

Durch die zahlreichen Videos rund um Tesla mit hunderttausenden Views hat Horst Lüning inzwischen den Status eines Influencers. Über den von ihm promoteten Affiliate-Link sollen seiner Aussage nach bereits 21 weitere Tesla Model S verkauft worden sein. In der Minimalkonfiguration ohne Extras kostet das Auto 60.970 Euro, das wären rund 1,28 Millionen Euro Umsatz für Tesla. Der Konzern soll Lüning daraufhin zum Launch-Event des neuen Model 3 ins Produktionswerk nach Fremont in Kalifornien eingeladen haben – Horst Lüning lehnte die Einladung ab. Als Provision für erfolgreiche Vermittlungen belohnt Tesla Affiliates nicht mit einer Umsatzbeteiligung, sondern mit kleinen Vorteilen und Zubehör für das Elektroauto.

Anhaltender Whisky-Trend und Autogrammkarten

Wie lange Horst Lüning noch als Gesicht von whisky.de auftreten will und ob ihn sein Sohn nicht vielleicht schon bald ablöst, ist unklar. Autogrammkarten gibt es bisher nur vom Vater. Das allgemeine Interesse an Whisky scheint, wenn man Google Trends Glauben schenken darf, jedenfalls nicht abzunehmen. International liegt in Sachen Suchanfragen jedoch die Schreibweise „Whiskey“ vorn – vielleicht denkt das Familienunternehmen ja doch noch über den Kauf der entsprechenden .com-Domain nach.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei OMR.com.

Bild: YouTube / Screenshot