Mario Draghi, president of the European Central Bank (ECB), speaks during a news conference at the bank's headquarters on June 5, 2014 in Frankfurt am Main, Germany.

Die Deutsche Börse hat etwas Neues gebaut: Ein Format, das Startups und Investoren zusammenbringt. Bei „Venture Match“ geht es um Finanzierungsrunden im zweistelligen Millionenbereich. „In der Größe gibt es eine Lücke für Wachstumsunternehmen in Deutschland“, sagte Deutsche-Börse-Vorstand Hauke Stars bei der Präsentation des neuen Angebots in Frankfurt.

Für Business Angels und staatliche Förderprogramme sind zweistellige Millionenbeträge zu hoch, für die Börse dagegen noch nicht hoch genug – und die Banken fallen als Geldgeber für Startups in der Regel ohnehin aus, da sie das Risiko nicht stemmen wollen und angesichts immer höherer Auflagen der Aufsichtsbehörden auch nicht stemmen können.

100 Jungunternehmen, 180 potenzielle Investoren

Ende September soll das Angebot Venture Match starten. Mitarbeiter von Deutschlands größtem Börsenbetreiber vermitteln dann Wachstumsunternehmen an risikofreudige Investoren. Rund 100 Jungunternehmen hat die Deutsche Börse in den zurückliegenden zwölf Monaten auf ihre Plattform genommen, dazu gehören der Kreditanbieter Kreditech aus Hamburg ebenso wie aus Berlin der Online-Optiker Mister Spex und der Lebensmittel-Lieferdienst HelloFresh. Sie alle hätten bereits nachgewiesen, dass sie ein funktionierendes Geschäftsmodell haben.

Dem stehen in der Datenbank die Wünsche von 180 potenziellen Investoren gegenüber, darunter wichtige Adressen im Beteiligungsgeschäft wie KKR und Accel Partners. Rund die Hälfte von ihnen kommt aus den Vereinigten Staaten. Zusammen verwalten sie 1,3 Billionen Euro und suchen lukrative Anlagen.

Im ersten Schritt kümmern sich fünf Mitarbeiter der Börse darum, die Wünsche beider Seiten in Einklang zu bringen und die passenden Partner zu vermitteln. Mittelfristig ist geplant, dass dies mehr oder weniger automatisch von einem Computer übernommen wird. Gibt es Interesse auf beiden Seiten, können sich die potenziellen Partner in einem elektronischen Datenraum austauschen und die genauen Modalitäten einer Beteiligung verhandeln.

„Wir wollen unser klassisches Börsengeschäft sukzessive um vorbörsliche Initiativen erweitern“, sagte Stars dazu. Ziel sei der Aufbau eines Ökosystems für Wachstum, das Unternehmen von der Startup- über die Wachstumsphase bis hin zu einem Börsengang begleitet und unterstützt. So will das Dax-Unternehmen einen Beitrag für den künftigen Erfolg Deutschlands leisten, wie Stars sagte, aber auch neue Ertragsquellen für die Börse erarbeiten. Ein junges Unternehmen aus dem Pool wage unter Umständen noch in diesem Jahr den Sprung auf den Kurszettel, im kommenden Jahr seien dann mehrere Marktdebüts zu erwarten. Mittelfristig will die Börse auf zehn bis 15 erfolgreiche Börsengänge dieser jungen, schnell wachsenden Unternehmen kommen.

Aktienabstinenz der Deutschen

Die Initiative geht auch auf die Bundesregierung zurück, die Technologiefirmen den Zugang zum Kapitalmarkt erleichtern will. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte ursprünglich die Schaffung eines Börsensegments 2.0 gefordert, was die Deutsche Börse jedoch ablehnte. Den Verantwortlichen war die Gefahr zu groß, dass halb fertige Firmen an den Markt kommen und sich dort nicht gut entwickeln – wie einst am Neuen Markt.

Noch heute wird die weit verbreitete Aktienabstinenz der Deutschen mit den schlechten Erfahrungen mit dem Ende der 90er-Jahre ins Leben gerufenen Technologie-Segment verbunden. Bis zum Jahr 2000 schossen die Kurse vieler Internet- und IT-Firmen in die Höhe, nach dem Platzen der Dotcom-Blase stürzten sie dann ins Bodenlose. Viele Unternehmen gingen Pleite, zahlreiche Betrugsfälle landeten vor Gericht. 2003 stellte die Deutsche Börse das Segment ein.

Nun, 13 Jahre nach dem Ende des Neuen Marktes, schließt die Börse ein solches Segment zumindest nicht mehr grundsätzlich aus. Man schaue sich die Lage an und werde zu gegebener Zeit reagieren. Hauke Stars machte deutlich, dass ein solcher neuer Neuer Markt nicht am Anfang der laufenden Initiative stehen könne. „Nur ein neues Segment zu eröffnen, ist nicht die Lösung“, sagte sie. Dem Vernehmen nach lotet das Unternehmen derzeit mit Fragebögen aus, ob Investoren und andere Marktteilnehmer Interesse an einem solchen Wachstumssegment haben. In einem weiteren Schritt wäre es dann auch eine Option, einen Index für Wachstumsunternehmen aufzulegen, so Stars. „Auch das schauen wir uns an.“

Bei einer weiteren Idee, um die Startup-Szene in Deutschland zu beleben, ist das Unternehmen offenbar schon weiter. Die Deutsche Börse will einen vorbörslichen Handel organisieren, bei dem Beteiligungspakete an jungen Unternehmen verkauft und gekauft werden können. Gerade in den Vereinigten Staaten sind solche Plattformen verbreitet. So können Geldgeber ihre Anteile frühzeitig versilbern und müssen nicht auf einen Börsengang warten. Für Deutschland gibt es bislang noch rechtliche Bedenken, da viele Gründungen als GmbH und nicht als Aktiengesellschaft firmieren. Man arbeite jedoch auch hier an einer Lösung, hieß es.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Welt Online.

Bild: Thomas Lohnes