Wie professionell agieren deutsche Investoren im Venture-Capital-Bereich? Immer wieder beschweren sich Gründer über Arroganz, schlechte Vorbereitung und mangelnde Offenheit. Doch auch umgekehrt klagen viele VCs über Kapriolen auf der Gründerseite – ist es Zeit für einen Stilguide zum Umgang mit Investoren?

Investoren unprofessionell

Von der VC-Arroganz

Immer öfter wird mir in den letzten Tagen von Gründern – und sogar auch von VCs selbst – berichtet, dass es deutschen Investoren häufig an der nötigen Professionalität fehlt. Mit Investoren meine ich vor allem institutionalisierte Geldgeber, also Venture-Capitalists, Inkubatoren, Acceleratoren und Beteiligungsgesellschaften. Ich möchte diese Kritik hiermit ein wenig reflektieren und bei den Gründerszene-Lesern nachfragen, ob diese berechtigt ist und wenn ja, was sich daraus ableiten lässt.

Beispielsweise erzählte mir erst kürzlich ein Gründer, dass er es bei seinem Fundraising (dem Suchen nach Investorenkapital) immer wieder mit schlecht vorbereiteten und arroganten Venture-Capitalists zu tun hat. Allzu oft verlaufe es so, dass in der zweiten oder dritten Besprechung exakt dieselben Fragen wie beim ersten Call besprochen werden. Habe man es über die Hürde der Calls mit Analysten geschafft, folgen irgendwann Live-Treffen mit Managing-Partnern, die nicht wissen, wie das vorgestellte Produkt heißt, was es macht und wie genau es eigentlich funktioniert. Ein Einzelfall?

Und solche Hinweise erhalte ich nicht bloß von frustrierten Gründern. Erst kürzlich sprach ich mit einem VC, der die Geheimformel erfolgreicher Investoren in einem Satz zusammenfasste: „Wenn Du es schaffst, Dich nicht wie ein arrogantes A******** zu benehmen, ist das schon die halbe Miete.“ Seiner Ansicht nach würden VCs sich nicht mit den Gründern und ihren Produkten beschäftigen, sondern stattdessen einen arroganten Trip der Selbstverliebtheit bestreiten. Auch hier wurde mir erzählt, dass, wenn McKinsey-Berater so schlecht vorbereitet wären wie mancher Investor, sie wohl im hohen Bogen gefeuert würden.

Die Nachfrage bestimmt das Angebot

Ich führe diese kolportierte Arroganz der Investoren zum größten Teil darauf zurück, dass sie bisher in einem gemachten Nest saßen. In der Vergangenheit konnten sich Gründer glücklich schätzen, wenn irgendjemand ihnen Kapital für ihre Ideen gab. VCs galten als rar und gefragt, schließlich war nach dem Platzen der Blase die Stimmung genauso am Boden wie die Finanzierungsbandbreite. Von der Börse kann sich in Deutschland bis heute kaum ein Internetgründer Geld besorgen und nach der Blase waren Privatanleger ebenfalls vorsichtig.

Mittlerweile ändert sich dies aber stark. Während der Seed-Bereich in Deutschland komplett überlaufen ist und Gründer sich eigentlich aussuchen können, wen sie um Geld bitten, müssen größere Finanzierungstickets meist ohnehin im Ausland gelöst werden. In meiner Kolumne zur Situation von Later-Stage-VC in Deutschland habe ich dies ja bereits thematisiert. Die guten und großen Tickets werden schon jetzt also oft im Ausland gelöst und laufen damit an der deutschen Investorenszene vorbei. Einerseits, weil wir im Bereich der Anschlussfinanzierung eine Lücke haben, andererseits, weil deutsche Gründer immer mehr eine weltweite Vernetzung anstreben.

Auch auf Gründerseite gibt es Defizite

Bei diesem Thema wollen wir aber auch nicht verhehlen, dass umgekehrt auch Investoren oft und intensiv über die Kapriolen junger Gründer stöhnen. Ein paar Klassiker: Schlechte Präsentationen, die keine Zahlen enthalten und deren Unstrukturiertheit nur noch von den überzogenen Erwartungen der Vortragenden getoppt werden. Plumpe Massenmails an gleich mehrere Investoren, die aber alle im cc zu sehen sind. Investoren-Shopping, wobei gleich das ganze Spektrum an Geldgebern abgeklappert wird, deren Angebote dann gegeneinander ausgespielt werden sollen.

Dies sind sicherlich nur einige der Stilblüten, mit denen VCs sich rumschlagen, und nicht umsonst landen wohl 95 Prozent aller Mail-Anfragen daher im Papierkorb. Und auch, wenn solche Vorkommnisse nervig und oft nur schwer erklärbar sind, unterscheidet den typischen Gründer ein wichtiger Umstand von Venture-Capitalists: Er hat das Ganze noch nie gemacht. Vielen fehlt es leider am gesunden Menschenverstand, etwas Welpenschutz ist angesichts der zahlreichen Anglizismen, Modi und Rechtsfragen aber allemal erlaubt.

Von einem VC, dessen Partner gerne mal 300.000 Euro pro Jahr an Management-Fees für ihren Fonds einstreichen, darf ich währendessen sehr wohl erwarten, dass er sich mit den Gepflogenheiten der Branche bestens auskennt. Vor allem dürfen Gründer erwarten, dass ein VC auch in ihrem Interesse handelt, schließlich steht und fällt mit der Motivation des Gründerteams der Erfolg auf beiden Seiten.

Ein Stilguide für Investorenbeziehungen

Nachdem ich kürzlich auf einem Panel über diese Beobachtungen gesprochen habe, war die Resonanz zustimmend. Dennoch möchte ich diese vereinzelten Beobachtungen gerne mit der Gründerszene-Community diskutieren:

Wie sind eure Erfahrungen mit Venture-Capitalists und Investoren?

Darüber hinaus kam mir der Gedanke, ob die Zeit nicht reif für eine Art Stilguide für Investoren wäre. So wie der Knigge das gesellschaftliche Auftreten klassifiziert, würde der Szene ein entsprechendes Pendant gut tun, das regelt, was sich im Austausch mit Investoren gehört und was nicht. Themen wie, welche Vesting-Periode ist für wen angebracht, wie sieht ein gutes Term-Sheet aus oder was gibt es bei der Prozentverteilung zu beachten, könnten Teil dieses Werks sein.

Wie ungeschriebene Gesetze geistern dazu viele Erfahrungen in der Szene herum, aufgeschrieben wurden diese bisher aber eher selten. Da ich nur einen Teil der relevanten Punkte in diesem Feld kenne, wäre daher meine Frage an die kommentierenden Leser:

Was gehört sich (auf beiden Seiten) im Umgang mit Investoren und was nicht?

Über die Indivijoel-Kolumne:

“Indivijoel” ist die Kolumne von Gründerszenes Chefredakteur Joel Kaczmarek. Durch seinen Beruf und die damit verbundenen Inhalte sieht Joel quasi täglich Unternehmen von innen, tauscht sich mit den relevanten Akteuren der deutschen Webwirtschaft aus und kennt viele Facetten des Unternehmertums aus der Praxis. In seiner Kolumne möchte er daher sein Wissen und seine Ansichten teilen sowie relevante Themen der Gründerszene thematisieren. Ihr könnt Joel Kaczmarek auch bei Facebook folgen!

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Bildmaterial: Fbattail