Während der Revolution im Februar 2011 auf dem Tahrir-Platz in Kairo

Erst kürzlich veröffentlichte die Menschenrechtsorganisation Privacy International einen ausführlichen Bericht mit brisantem Inhalt. Die Aktivisten konnten durch geleakte Verträge belegen, dass der ägyptische Geheimdienst Überwachungstechnik aus Europa eingekauft hat, um seine Bürger auszuspähen.

Dem Bericht zufolge hat das deutsch-finnische Unternehmen Nokia Siemens Networks (NSN) den ägyptischen Nachrichtendienst bei Ausbruch der ägyptischen Revolution 2011 mit Technik versorgt, um Gespräche über Festnetz und Mobilfunk abzuhören. Zudem soll die Firma ein Netzwerk verkauft haben, das der Regierung einen Zugang zum Internet ermöglichte, trotz der landesweit angeordneten Internet-Sperre.

Privacy International liegen weitere Verträge vor, die das deutsche Unternehmen Gamma International mit Sitz in München und die italienische Firma Hacking Team mit dem ägyptischen Geheimdienst abgeschlossen haben. Beide vertreiben Spionagesoftware und werden international dafür kritisiert, totalitäre Regime damit zu unterstützen.

Siemens schiebt die Verantwortung von sich

Ein weiteres Unternehmen mit dem Namen Egyptian German Telecommunications Industries, das zu Teilen von Siemens gehalten wird, soll bei der Installation von Netzwerken zur Datenübertragung in Ägypten mitgeholfen haben.

Zudem liegen der Organisation Verträge aus dem Jahr 2006 vor, die der ägyptische Geheimdienst mit einem Unternehmen namens Advanced German Technology abschloss. Die verkauften Technologien werden nur kryptisch mit den Namen SGS-1100 und SG-1100 benannt. Die Verkaufssumme betrug 50.000 US-Dollar, inklusive einem „Basis-Support“. Was diese Technik genau macht, geht aus den Verträgen nicht hervor.

Auf Anfrage von Privacy International schiebt Siemens die Verantwortung für die Geschäfte von sich, da man alle Kompetenzen an Nokia abgegeben habe. Nokia lässt in einer Stellungnahme mitteilen, dass man sich den Menschenrechten verschrieben sähe und nicht davon ausgehe, dass nach 2009 derartige Geschäfte getätigt worden seien.

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hatte 2014 gefordert, die Lieferung von Spionage-Technologien in autoritäre Länder zu unterbinden, und die EU hat Spionage-Software mit strengen Ausfuhrkontrollen belegt. Autoritäre Regime, so Gabriel, „unterdrücken ihre Bevölkerung schon lange nicht mehr nur mit Panzern und Maschinengewehren.“ Ein Export solcher Technologien unterstütze diese Regime dabei, Bürgerrechtsbewegungen zu unterdrücken und Menschenrechte nicht zu akzeptieren und sei daher nicht zu rechtfertigen.

„Für die Menschenrechte höchst bedenklich“

Inwiefern die von Privacy International aufgedeckten Geschäfte von EU-Seite aus abgenickt wurden, bleibt unklar. Privacy International hat in dem Bericht angekündigt, dazu EU-Abgeordnete zu befragen.

Unabhängig davon schreibt Privacy International im Bericht „Die Tatsache, dass eine geheime Einheit ohne demokratische Kontrolle Millionen von Euro für das Ausspähen seiner Bürger ausgeben kann, ist für die Menschenrechte höchst bedenklich und muss von der ägyptischen Regierung geklärt werden.“

Bislang hat das Land noch Nachholbedarf, was Demokratie angeht. Auf dem zuletzt veröffentlichten Index der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen liegt Ägypten auf Platz 158 von 180.

Bild: Flickr Namensnennung Bestimmte Rechte vorbehalten von RamyRaoof