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Der Zugdrache stammt aus Deutschland – entwickelt und gebaut in Hamburg

Am neunten April 2017 bricht die Race for Water, die unter der Flagge der gleichnamigen Stiftung segelt, in Lorient in der Bretagne zu einer fünfjährigen Weltreise auf. Als Ziel der ersten großen Etappe peilt die Crew um Kapitän Gérard d’Aboville die Bermuda-Inseln an. Sollte der Zero-Emission-Katamaran den Atlantik heil überqueren und in den über 6000 Kilometern entfernten Bermudas anlegen, wäre bereits das eine Sensation.

Die Hochseeyacht fährt ausschließlich mit Wind- und Solarenergie. Ende Mai dann die Nachricht: Die Race for Water legt wohlbehalten am 22. Mai um 13:45 Uhr auf den Bermuda-Inseln an.

Dort trifft das Schiff auf das Groupama Team France, das am America’s Cup teilnimmt und die Race for Water bei ihrem Vorhaben unterstützen wird. Denn die Crew des Zero-Emissions-Katamarans hat eine Mission: Die Expedition soll sowohl das Bewusstsein der Menschen für das von Plastik verschmutzte Meer schärfen, als auch der Wissenschaft dienen. Während der Weltreise werden Forscher verschiedene Untersuchungen und Tests absolvieren, und Ingenieure sollen Ansätze für neue technologische Lösungen zur Bekämpfung der Meeresverschmutzung entwickeln.

„Mit dieser Odyssee von 2017 bis 2021 möchten wir zeigen, dass dauerhafte Lösungen dank innovativer Technologien existieren, um die Meere vor der Verschmutzung zu bewahren“, sagte der Lausanner Unternehmer Marco Simeoni, Präsident und Gründer der Stiftung Race for Water gegenüber dem Schweizer Portal Blick. Ganz nebenbei wirbt das 100 Tonnen schwere und 35 Meter lange Schiff noch für den umweltfreundlichen Antrieb per Windkraft.

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Nur mit Energie der Sonne und des Windes überquerte der Zero-Emissions-Katamaran den Atlantik.

Und diese nutzt optimal der auffällige Zugdrache, der über dem Schiff fliegt. Erdacht, entwickelt und gebaut hat das 40 Quadratmeter große, luftige Ungetüm das Hamburger Unternehmen SkySails. Bei einer Windgeschwindigkeit von 25 Knoten ließ diese Kite-Technik die Nadel des Schiffstachos bei der Atlantiküberquerung auf zehn Knoten schnellen, bei nur 15 Knoten Windgeschwindigkeit waren immerhin noch 6,5 Knoten für das Boot möglich. Durchschnittlich lag die vom Drachen beigesteuerte Leistung bei acht Knoten.

Die Kraft hängt mit der Flughöhe und den Flugbewegungen des Kites zusammen: Über ein High-Tech-Kunstfaserseil ist er mit der Yacht verbunden. Die Steuergondel lenkt den Drachen, die Steuerbefehle erteilt ein in der Gondel befindlicher Autopilot. Gestartet und gelandet wird der Drache mit Hilfe einer speziellen Vorrichtung, die sich auf und unter dem Deck der Yacht befindet.

Fliegen soll der Kite in einer Höhe von 100 bis 150 Metern, denn dort herrschen stärkere und stetigere Winde als in Bodennähe. Darüber hinaus steuert der Autopilot den Zugdrachen so, dass er permanent in einer liegenden Acht fliegt, um die Zugkraft zu erhöhen. Auf diese Weise generiere der SkySails-Yacht-Antrieb pro Quadratmeter bis zu 25mal mehr Leistung als ein herkömmlicher Segelantrieb, verspricht der Hersteller in einer Pressemitteilung.

Die Technologie hinter dem Zugdrachen basiere auf einem Antrieb für Frachtschiffe, mit dessen Entwicklung die Firma SkySails bereits im Jahr 2002 begonnen habe, erklärt Henning Kühl, Pressesprecher des Hamburger Unternehmens, gegenüber den Kollegen von Wired. Die Weiterentwicklung zum Yacht-Antrieb habe etwa ein Jahr gedauert.

Die Idee für den Umbau lieferte der Markt selbst: „SkySails hat in den letzten Jahren zunehmend Anfragen von Yacht-Eignern erhalten und sich daher entschlossen, ein Produkt für diesen Markt zu entwickeln“, sagt Kühl. Die Stiftung Race for Water sei als Partner an der Erprobung und Weiterentwicklung der Technologie beteiligt.

„Die Schifffahrt gehört leider zu den größten Umweltverschmutzern weltweit“, so Kühl. Zwar sei die Beförderung von Gütern auf dem Seeweg grundsätzlich energieeffizient, doch die meisten Schiffe würden immer noch mit dem hochgiftigem Schweröl als Treibstoff fahren, ein Abfallprodukt, das in den Raffinerien bei der Pkw-Treibstoffherstellung anfällt.

„Allein die 15 größten Schiffe der Welt stoßen pro Jahr so viele Schwefeloxide aus wie 760 Millionen Autos“, zitiert Kühl eine Studie des Naturschutzbundes Deutschland. Ein Schiff wie die Race for Water, die bereits ein sehr effizientes Design aufweise, würde seiner Meinung nach bei voller Fahrt etwa 600 Kilogramm Treibstoff pro Tag verbrauchen. „Da kommt bei einer fünfjährigen Reise natürlich einiges zusammen“, so Kühl. Ziehe er all diese Faktoren in Betracht, sei klar: „Die Nutzung von erneuerbaren Energien in der Schifffahrt würde die Welt ein ganzes Stück besser machen.“

Ganz unbekannt ist die Race for Water übrigens nicht, auch wenn sie früher unter anderer Flagge fuhr: Der 35 Meter lange Katamaran, der komplett mit Solarmodulen bedeckt ist, hat schon einmal vor fünf Jahren eine Weltumrundung erfolgreich abgeschlossen. Damals allerdings noch ohne Zugdrachen, sondern komplett angetrieben von Solarenergie. Der ursprünglicher Name war Planet Solar.

Die Race for Water setzt am 7. Juli ihre aktuelle Reise fort und sticht gen Kuba in See. Wer möchte, kann die „Odysee“, wie die Stiftung die Reise getauft hat, auf ihrer Homepage verfolgen.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Wired.de.

Bild: Race for Water