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In einer Welt der steigenden digitalen Gefahren zeigt sich Deutschland zunehmend schizophren. „Das Wissen der Deutschen über Cybersicherheit ist gestiegen“, sagte Thomas Kremer, Chef des Vereins „Deutschland sicher im netz (DsiN)“ und Vorstandsmitglied der Deutschen Telekom, bei der Vorlage des neuen Sicherheitsindex, der in diesem Jahr zum vierten Mal präsentiert wurde. „Aber dieses Sicherheitswissen wird in der Praxis weniger angewendet.“

Der Sicherheitsindex, an dem sich auch das Bundesjustizministerium beteiligt, ist im Vergleich zum Vorjahr um 4,3 Punkte auf einen Wert von 61,1 Indexpunkte gesunken. Demnach geht die Schere zwischen Wissen und tatsächlichem Verhalten der Verbraucher weiter auseinander.

Die weit verbreitete Unbekümmertheit ist gefährlich. „Die Bedrohungslage hat sich deutlich verschärft“, sagte Kremer. Die Attacken selbst würden immer professioneller. Zudem schreite die Digitalisierung immer weiter voran. „Damit wird auch die Oberfläche für Angriffe größer.“

Gefährdungsgefühl sinkt, obwohl die Bedrohungslage steigt

Die Studie von DsiN ist repräsentativ, befragt wurden in Zusammenarbeit mit dem Marktforscher Kantar TNS mehr als 2000 Verbraucher. „Die Bedrohungslage steigt schneller als das Schutzniveau“, sagte Hartmut Scheffler, Geschäftsführer bei Kantar TNS. Zwar hätte die Zahl der Sicherheitsvorfälle im vergangenen Jahr zugenommen, das Gefährdungsgefühl der Verbraucher aber abgenommen. Die Befragten berichteten insbesondere von zunehmenden Phishing-Versuchen, bei denen Kriminelle im Internet versuchen, an Nutzernamen und Passwörter zu kommen, indem sie ihre Opfer auf gefälschte Webseiten, etwa von Banken leiten.

Die Untersuchung teilt die Verbraucher in unterschiedliche Typen ein: Fatalisten, Außenstehende, Gutgläubige und Souveräne. Sicherheitsdefizite und mangelndes Sicherheitsverhalten offenbarten sich insbesondere bei der Gruppe der Fatalisten, zu denen viele junge Menschen gehörten. Sie sind meist zwischen zehn und 30 Stunden pro Woche online und nutzen stationäre PCs, Notebooks und Smartphones gleichermaßen. Gut 17 Prozent aller deutschen Onliner gehören dazu. Fatalisten kennen zwar die Sicherheitsgefahren, sind aber der Meinung, dass sie sich dagegen ohnehin nicht wirklich wehren können.

Außenstehende Nutzer sind überwiegend ältere Menschen ab 50 Jahren, die das Internet meist weniger als 20 Stunden pro Woche nutzen, überwiegend auf Computern. Sie verfügen über eingeschränkte Kenntnisse und schützen sich digital eher wenig. Gutgläubige Nutzer sind zwischen 20 und 29 Jahren und zwischen 40 und 49 Jahren alt. Meist sind sie wöchentlich zwischen zehn und 20 Stunden im Netz unterwegs, vor allem mit Notebooks und Smartphones. 34 Prozent der Online-Nutzer gehören zu dieser Gruppe.

Am größten ist jedoch die Gruppe der souveränen Nutzer mit gut 42 Prozent. Sie sind zwischen 30 und 49 Jahre alt, nutzen alle Zugangswege zum Internet, bevorzugt mobile Geräte. Sie sind wöchentlich zehn bis 30 Stunden lang im Internet unterwegs.

Verbraucher sollen besser aufgeklärt werden

Mit der Digitalisierung und dem Trend zu vernetzten Geräten sei auch die Komplexität gestiegen, sagte Ulrich Kelber, Staatssekretär im Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz. „Die Verbraucher sind auch auf sichere und einfach zu bedienende Geräte angewiesen.“ In Sachen Sicherheit seien alle gefragt – vom Nutzer über den Anbieter bis hin zu den Behörden.

„Um der Bedrohungslage im Netz entgegenzuwirken, müssen wir die Aufklärungsarbeit für Verbraucher verstärken“, sagte Telekom-Vorstand Kremer. Man müsse das Übel an der Wurzel packen. Die Förderung digitaler Kompetenz als übergreifende Schlüsselqualifikation entwickle sich zur Kernaufgabe digitaler Aufklärung.

Mit dieser Arbeit müsse man bereits in der Schule beginnen. „IT-Sicherheit und Schutz von Daten müssen Bestandteile des Bildungskanons in Deutschland werden“, sagte Kremer. „So schaffen wir für die Zukunft die Voraussetzungen für ein sicheres Verhalten im Netz.“ Die Aufklärung müsse aber professionell aufgestellt sein. „Und das kostet auch Geld.“

Dieser Artikel erschien zuerst bei Welt Online.

Bild: Getty Images / Antenna