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Deutschland soll bis zum Jahr 2025 ein flächendeckendes konvergentes Gigabit-Netz bekommen. Die Umsetzung soll bis dahin 80 Milliarden Euro kosten. Das sagte Infrastrukturminister Alexander Dobrindt (CSU) am Dienstag bei der Vorstellung der Zukunftsoffensive Gigabit-Deutschland in Berlin.

Ein Großteil der Investitionen soll aus der Industrie kommen. Acht Milliarden Euro sollen die Unternehmen pro Jahr in den Netzausbau stecken. Ab 2018 stellte der Minister eine Förderung des Bundes in Höhe von drei Milliarden Euro jährlich in Aussicht. Ausgearbeitet wurde der Plan in der Netzallianz, in der sich vor drei Jahren Telekommunikationsunternehmen zusammengeschlossen haben, um den Breitbandausbau in Deutschland voranzutreiben.

Allerdings wollte sich Dobrindt nicht auf ein neues Breitbandziel der Bundesregierung festlegen, in dem jedem Haushalt eine Mindestgeschwindigkeit versprochen wird. Die Bundesregierung hatte sich zuletzt auf ein Breitbandziel verständigt, das viele Kritiker als zu wenig ambitioniert ansehen. Bis Ende des kommenden Jahres soll jeder Haushalt in Deutschland mit einer Internet-Geschwindigkeit von mindestens 50 Megabit pro Sekunde erreichbar sein.

Vodafone-Chef Ametsreiter hält Ziel zu gering

„So ein Ziel ist für die bedeutendste Industrienation Europas schlichtweg zu klein“, sagte kürzlich Hannes Ametsreiter, Deutschlandchef von Vodafone, im Gespräch mit der „Welt“. Man könne nicht von Digitalisierung sprechen und dann bei 50 Megabit „herumrudern“. Ametsreiter verwies auf Spanien, wo man sich das Ziel gesetzt habe, 80 Prozent aller Haushalte bis 2020 mit Glasfaser-Kabeln erreichen zu können, die deutlich höhere Geschwindigkeiten erreichen. „Wir halten uns immer noch mit der Frage auf, ob wir überhaupt mehr Geschwindigkeit brauchen“, sagte Ametsreiter. Im Silicon Valley würde man diese Frage nicht stellen.

„Natürlich gibt es Länder, die deutlich schneller sind als wir“, sagte Dobrindt am Dienstag. „Aber mit der Dynamik, die wir erreicht haben, werden wir im Zeitraum bis 2025 zu den Spitzenregionen im Bereich der Breitband-Infrastruktur auf der Welt gehören“, sagte der Infrastrukturminister. Dobrindt verwies auf die Fortschritte der vergangenen drei Jahre, darunter auch das DigiNetz-Gesetz, in dem unter anderem geregelt wird, dass bei allen Straßenbaumaßnahmen des Bundes auch Glasfaser-Kabel mit verlegt werden müssen. „Jede Baumaßnahme bringt also zusätzliche Bandbreite“, sagte Dobrindt.

In den vergangenen drei Jahren sei außerdem die Breitbandverfügbarkeit von 60 Prozent der Haushalte auf derzeit 75 Prozent gestiegen. Der Ausbau von unterversorgten Gebieten werde außerdem mit vier Milliarden Euro gefördert. Das 50-Megabit-Versprechen der Bundesregierung bezeichnet Dobrindt inzwischen allerdings nur noch als „Etappenziel“.

Bundesregierung soll Telekom-Anteile veräußern

Auch der Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko), in dem fast 160 Netzbetreiber organisiert sind, fordert deutlich höhere Geschwindigkeiten. „Deutschland muss mit der leistungsfähigsten digitalen Infrastruktur in Europa punkten“, sagt Breko-Präsident Norbert Westfal. „Reine Glasfaseranschlüsse bis direkt zu allen Bürgern und Unternehmen sind schon bald so wichtig wie ein Wasser- oder Stromanschluss.“ Sie würden einen zentralen Grundstein für wirtschaftliches Wachstum und Wohlstand für die heutige Gesellschaft sowie kommende Generationen bilden.

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Für den schnellen Aufbau eines Glasfasernetzes in Deutschland schlägt der Breko vor, nur noch Ausbauprojekte zu fördern, die Anschlüsse mit mindestens ein Gigabit pro Sekunde zur Verfügung stellten. Das ist zugleich ein Seitenhieb auf die Deutsche Telekom, die vor allem auf ihr Vectoring setzt. Dabei legt sie Glasfaserleitungen bis zu den Verteilerkästen am Straßenrand, nutzt aber für die letzten Meter in die Wohnungen die alten Kupferleitungen mittels einer Technologie, die dazu führt, dass Telekom-Konkurrenten hier nicht mehr direkt auf diese Leitungen zugreifen können. Derzeit bietet die Telekom auf diesen Leitungen höchsten 100 Megabit pro Sekunde an.

Der Breko geht in seinen Vorschlägen noch weiter und macht einen Vorschlag, wie die Förderung eines größeren Glasfaserausbaus in Deutschland finanziert werden könnte. „Die notwendigen Fördermittel können durch einen Verkauf der beträchtlichen Telekom-Anteile des Bundes gedeckt werden“, heißt es dazu beim Breko. Durch eine Veräußerung ließen sich Einnahmen von derzeit etwa 25 Milliarden Euro erzielen, die den Bundeshaushalt spürbar entlasten würden.

Dobrindt weist die Forderung zurück. „Ich könnte mir vorstellen, dass der Kurs der Telekom-Aktie auch noch steigt“, sagte der Minister. Er verwies auf kommende Erlöse aus Frequenzvergaben, die wiederum in die Förderung des Netzausbaus fließen sollen. Nach Angaben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur sollen bereits im kommenden Jahr Frequenzen für den Ausbau der fünften Mobilfunkgeneration 5G vergeben werden. „Wir sind übrigens die ersten in Europa, die diese Frequenzen zur Verfügung stellen“, sagte er.

„Gar nicht die Kapazitäten für den Tiefbau“

Auch der VATM, in dem die Telekom-Konkurrenten organisiert sind, sieht Handlungsbedarf und vergleicht das Vorhaben mit dem Autobahnbau. „Wenn man jetzt schon weiß, dass man in zehn Jahren die Infrastruktur braucht, muss man doch jetzt mit dem Bau anfangen“, sagte VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner der „Welt“. Die Telekom wolle mit Vectoring nur ihre alten Kupferleitungen aufwerten, werde so aber zum Bremser für den Glasfaserausbau.

Die Telekom hingegen bezeichnet einen schnellen und flächendeckenden Glasfaserausbau als nicht finanzierbar. Tatsächlich würde er Schätzungen zufolge bis zu 80 Milliarden Euro verschlingen. „Abgesehen davon gibt es dafür gar nicht die Kapazitäten für den Tiefbau“, sagte Telekom-Chef Tim Höttges. Die Geschwindigkeit von 100 Megabit pro Sekunde will die Telekom in einem späteren Schritt auf ihren Kupferleitungen steigern und spricht vom Einsatz der Super-Vectoring-Technologie, mit der auch 250 Megabit pro Sekunde möglich seien.

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„Wir reden über 100 beziehungsweise 250 Megabit pro Sekunde. Denken Sie mal, wenn wir das flächendeckend hinbekämen. Sagen Sie mir einen Dienst, der derzeit mehr Bandbreite benötigt“, sagte Höttges zuletzt bei der Vorlage der Konzernbilanz.

Die nun angekündigten gemeinsamen Investitionen von 80 Milliarden Euro bis 2025 sollen nicht allein den Glasfaserausbau finanzieren. Vielmehr fließt diese Summe in jede Art von Netzinvestition, darunter auch in den 5G-Ausbau. Von den acht Milliarden Euro, die von Unternehmen in Deutschland pro Jahr in die Netze investiert werden, kommt etwa die Hälfte von der Deutschen Telekom, die damit auch ihren Vectoring-Ausbau vorantreibt. „Wir müssen bei unseren Investitionen auch sehen, dass wir das Geld zurückverdienen“, sagte Niek Jan van Damme, Deutschland-Chef der Telekom, der „Welt“.

Bild: Getty Images/Michael Bocchieri