Katrin Reuter und Maxim Loick möchten die Löwen von ihrem High-Tech-Verhütungsmittel überzeugen
Katrin Reuter und Maxim Loick möchten die Löwen von ihrem High-Tech-Verhütungsmittel überzeugen.

Viele Frauen möchten sich von der hormonellen Verhütung verabschieden. Eine Alternative zur Pille ist die Temperaturmessung. Das Startup Trackle möchte diese digitalisieren: Gründerin Katrin Reuter hat zusammen mit ihrem Mann Maxim Loick ein Fieberthermometer entwickelt, das über Nacht vaginal tragbar ist und die Temperatur direkt ans Smartphone der Nutzerin übermittelt. Per App erfahren Frauen so, wann ihre fruchtbaren Tage sind. 

Trackle wurde 2015 gegründet, erwerben kann man das High Tech-Verhütungsmittel aber noch nicht. Trotzdem stellten Reuter und Loick ihr Startup in der Höhle der Löwen vor. Hier gingen die Bonner Gründer zwar leer aus. In einer Seed-Finanzierungsrunde im Sommer konnten sie aber einen sechsstelligen Betrag einsammeln, unter anderem investierte dabei die NRW.Bank. Im Interview mit Gründerszene erzählt Reuter, warum die Investorensuche mit einem intimen Frauenprodukt besonders schwierig ist.

Katrin, warum konntest Du bei Die Höhle der Löwen kein Investment erzielen?

Das Produkt ist ungewöhnlich. Es passt vermutlich nicht ins Portfolio der Investoren.

Der Kundenandrang könnte nach der Ausstrahlung der Sendung trotzdem groß sein.

Wir sind auf jede Bestellmenge vorbereitet. Zunächst kann man den Trackle ohnehin nur vorbestellen, wir warten noch auf verschiedene Zulassungsstempel. Der Prüfungsprozess für Medizingeräte dauert einfach. Ab Februar wollen wir ausliefern können

Wie finanziert sich Dein Startup?

Wir haben in unserer ersten Finanzierungsrunde im Dezember 2016 ganz klassisch Geld von Investoren und Business Angels aufgenommen. Unter anderem ist die NRW.Bank bei uns an Bord, zusätzlich haben wir Investoren aus dem Medizintechnik-Bereich. Wir haben uns bemüht, Leute dazuzuholen, die uns auch inhaltlich weiterhelfen können. Crowdfunding machen wir nach der Kampagne im Frühjahr nicht mehr. Für Hardware-Entwicklung ist das eher ein Tropfen auf den heißen Stein.

Welche Erfahrungen hast Du generell mit Investoren gemacht?

Es gibt Studien darüber, dass Investoren gerne in etwas investieren, was sie selber gerne hätten. Damit kann ich nicht dienen, es sind eben fast nur Männer, die als Investoren unterwegs sind. Es wäre leichter, wenn es mehr weibliche Investorinnen gäbe.

Was muss man beachten, wenn man so ein intimes Produkt kommuniziert?

Wir bemühen uns darum, klarzumachen, dass wir es tatsächlich aus meinem persönlichen Eigenbedarf heraus entwickelt haben. Das ist keine Idee, die am Reißbrett entstanden ist und es steckt kein Mann dahinter, der sich mit weiblicher Anatomie noch nie weiter beschäftigt hat, sondern es ist transparent, dass ich dafür stehe. Es ist an der Zeit, die Scheu zu verlieren und zu sagen, dass es normal ist, seinen Zyklus zu tracken. Es ist aber ein sehr sensibles Thema.

Der Verhütungsmittel-Markt ist groß. Auch viele Startups wollen mit ihren Zyklus-Trackern in dem Markt Fuß fassen. Wie kamst Du darauf, Dich mit einer weiteren Methode selbstständig zu machen?

Ich habe zur Verhütung selbst die Temperaturmethode genutzt. Dazu musste ich morgens die Körpertemperatur messen und in eine App übertragen. Dann saß ich da morgens mit meinem Handy in der einen und dem digitalen Fieberthermometer in der anderen Hand und dachte: „So, ihr zwei Geräte, wieso könnt ihr denn nicht ohne mein Zutun miteinander kommunizieren?“ So bin ich auf die Idee gekommen, etwas zu entwickeln, das die Temperatur die ganze Nacht durch misst und sie auf mein Handy überträgt.

Wieso muss man die Temperatur die ganze Nacht lang messen?

Man möchte die Basaltemperatur messen – den tiefsten Wert, den der Körper nachts in Ruhe erreicht. Statistisch passiert das morgens zwischen drei und fünf Uhr. Weil man da ja schläft, versucht man, sich über Verhalten möglichst nah an diesen Tiefstwert heranzutasten: Man muss immer die gleiche Menge Stunden schlafen, idealerweise auch immer zur gleichen Zeit, man sollte abends keinen Alkohol trinken und man darf morgens vor dem Messen nicht aufstehen und nicht sprechen. Das lässt sich generell schwer durchhalten und wenn man zwei kleine Kinder hat, ist es im Prinzip überhaupt nicht mehr möglich.

Wie kann die Basaltemperatur bei der Verhütung helfen?

Die Körperkerntemperatur steigt zum Zeitpunkt des Eisprungs um 0,5 Grad an. In den fünf Tagen vor und den zwei Tagen danach ist man fruchtbar – das zeigt unsere App den Nutzerinnen an. Die restliche Zeit kann man ungeschützten Geschlechtsverkehr haben.

Woher weiß das Gerät, dass die Nutzerin nicht nur leicht erhöhte Temperatur hat?

Man muss noch weitere Parameter eingeben, zum Beispiel wie der Zervixschleim beschaffen ist und wie der Muttermund steht. Dafür gibt es eine Gebrauchsanleitung. Erst, wenn alle Faktoren zusammenkommen, erkennt der Algorithmus, ob es wirklich der Eisprung war.

Wie kommen die Daten vom Trackle auf das Smartphone?

Morgens wäscht man den Trackle ab und stellt ihn in seine Aufbewahrungsbox. Erst dann überträgt er die Daten in unsere Trackle-Cloud. Da werden sie verarbeitet und das Ergebnis auf der Handy-App ausgespielt.

Wie bekommen Nutzerinnen das Gerät rein und wieder raus?

Der Trackle ist so groß wie ein Tampon und wird auch genauso eingeführt. Einmal eingeführt, kann er nicht verrutschen, nicht nach oben wegwandern und auch nicht herausfallen. Zum Rausholen gibt es kein Fädchen, weil darüber Keime aufsteigen könnten und man es spüren kann. Stattdessen kann man den Trackle so wieder an den Eingang schieben, dass man ihn greifen kann. Im Körper verloren gehen kann er nicht.

Aus welchem Material besteht das Produkt?

Aus medizinischem Silikon. Das ist vollkommen unschädlich, was wir auch in der Medizinproduktezulassung belegen mussten. Es kann nicht passieren, dass schädliche Stoffe austreten. Aber der Sensor hat eine Batterie, das heißt, eine begrenzte Lebensdauer, die bei zwei Jahren liegt.

Ist es den Nutzerinnen nicht unangenehm, die ganze Nacht ein technisches Gerät in ihrem Körper zu tragen?

Die Technik ist geprüft und sicher. Da kann nichts passieren und es strahlt auch nicht. Keine Daten werden direkt aus dem Körper übertragen. Meine Erfahrung ist, dass viele Frauen froh sind, wenn sie ein technisches Gerät zur Verhütung nutzen können, statt sich mit Hormonen behandeln zu müssen.

Wie sicher ist die Verhütung mit dem Trackle?

Die Methode hat einen Pearl Index von 0,2 bis 0,4. Das bedeutet, sie ist so sicher wie die Pille – wenn man Nutzerfehler ausschließt.

Wie viel kostet das Produkt?

Was Frauen in Deutschland im Schnitt für die Verhütung ausgeben, sind zehn bis 20 Euro im Monat. Da liegen wir locker drin. Das Trackle-System wird wahrscheinlich so um die 190 Euro kosten und hält dann für zwei Jahre.

Wie willst Du das Produkt vertreiben?

Wir machen erstmal nur Online-Vertrieb, weil wir ein Startup mit begrenzten Ressourcen sind. Der Vertrieb über Apotheken oder Ärzte kostet irrwitzig viel Zeit und Geld. Deswegen ist das nachgelagert – aber es kommt.

Das Produkt macht Familienplanung zu etwas Technischem. Könnte es nicht sein, dass die meisten das nicht möchten?

Ehrlich gesagt nicht. Für Frauen, die einen Kinderwunsch haben, ist es ein Segen, etwas zu unternehmen, das nicht direkt auf eine Hormonbehandlung im Kinderwunschzentrum hinausläuft. Dass es jetzt die technischen Möglichkeiten gibt, empfinden viele als Erleichterung. Man nutzt die Technik ja nur zur Datenaufzeichnung und nicht, um den Vorgang als solchen zu beeinflussen.

An wie vielen Frauen wurde der Trackle getestet?

Insgesamt waren das zwischen zehn und 20 Frauen, die den Trackle sowohl zur Verhütung als auch zur Planung verwenden. Die Tests laufen immer weiter parallel. Die Resonanz ist sehr sehr gut.

Glaubst Du, dass Dein Produkt aufgrund des „Made in Germany“-Siegels im Ausland besonders gute Chancen hat?

Unbedingt! Wir merken immer wieder, dass der Stempel Made in Germany mit deutscher Ingenieurskunst wirklich eine Rolle spielt. Für Medizinprodukte gibt es da ganz klare Vorgaben, wir müssen alles zertifizieren, das Material und auch den Herstellungsprozess als solchen. Da kann man nicht pfuschen oder billige Materialien verwenden. Gerade beim Thema Silikon sind die Zulassungsbehörden wirklich besonders kritisch.

Als Eltern zweier Kinder im Grundschulalter die Jobs zu kündigen, um Vollzeit am Startup zu arbeiten, ist ein mutiger Schritt.

Mein Mann und ich haben unsere alten Jobs Mitte 2016 gekündigt. Wir haben natürlich eine exotische Position: Als deutlich über 30-Jährige Frau mit zwei Kindern im High-Tech-Bereich zu gründen, das ist ein Wort. Auf der anderen Seite ist es total hilfreich, dass wir eine ganze Menge Berufserfahrung und ein Netzwerk haben. Wir wissen, was wir tun. Insofern hat uns die Entscheidung nicht nächtelang den Schlaf geraubt.

Was hat Euch den Mut gegeben?

Wir glauben, dass wir ein wirklich sinnvolles Produkt entwickelt haben. Wir machen kein Datentracking von irgendwelchen Fitnessdaten oder eine kurzlebige App, sondern ein sinnvolles Produkt, das ganz viele Frauen betrifft. Es war an der Zeit, dass jemand die technischen Möglichkeiten nutzt.

Wie schafft Ihr es, Eure Kinder und die Startup-Gründung unter einen Hut zu bekommen?

Wir haben uns, bevor wir die Kinder bekommen haben, entschieden, dass wir beide so gut wie möglich weiterarbeiten wollen und dass wir uns die Belastung wirklich fifity-fifty teilen. Seit unser großer Sohn zehn Wochen alt war, haben wir beide 50 Prozent gearbeitet. Mit viel Organisation und immer mehr Fremdbetreuung haben wir das so über zwei Kinder gut hingekriegt.

Bild: MG RTL D / Bernd-Michael Maurer