Eins, zwei, drei: Nach der Sendung müssen die „Löwen“ (hier: Judith Williams) erst einmal nachzählen, in was sie da investiert haben.

Wie echt ist die Fernsehsendung „Die Höhle der Löwen“? Verschweigt die Show einen Teil der Realität? Über diese Fragen ist in den vergangenen Tagen eine Diskussion entbrannt. Denn Gründerszene hatte aufgedeckt, dass 21 der 35 in der Sendung zugesagten Deals im Anschluss noch platzten – viele Medien berichteten, teils in aufgeregtem Ton.

Der TV-Sender Vox wollte das nicht so stehen lassen und reagierte mit einem Statement: „Bei jedem Deal, der in der Sendung gemacht wurde, waren sowohl die ,Löwen‘ als auch die Startups in diesem Moment absolut gewillt, einen Vertrag miteinander abzuschließen“, sagte Sprecher Magnus Enzmann der Bild-Zeitung. Danach müssten Startups und Investoren noch die „vertraglichen Details“ festlegen. „Dass in dieser Phase sowohl bei den Investoren als auch bei den Startups immer mal wieder Gründe auftauchen, die gegen eine Zusammenarbeit sprechen, ist in der Wirtschaftswelt ein normaler Vorgang und kommt so eben auch in ,Die Höhle der Löwen‘ vor“, so Enzmann.

Doch in dem Vertrag, den alle teilnehmenden Startups vor ihrem Auftritt in der Show unterschreiben müssen, ist von so viel Verbindlichkeit überhaupt nicht die Rede. Gründerszene liegt ein solcher sogenannter Mitwirkendenvertrag exklusiv vor. Dort heißt es:

„Die Parteien sind sich einig, dass SPFFP [die DHDL-Produktionsfirma Sony Pictures] und der beauftragende Sender VOX mit vertragsgegenständlichen Produktion lediglich die Möglichkeit geben, sein Geschäftskonzept bei den Löwen vorzustellen. Sämtliche Investmententscheidungen liegen in freiem Ermessen der Löwen. Im Falle einer positiven Investmententscheidung treten allein der/die Löwen [sic] und der Vertragspartner in Verhandlungen über den Abschluss eines schriftlichen Investmentvertrages zwischen dem Vertragspartner und dem/den Löwen auf der Grundlage der in der Produktion gemachten Angebote.“

Eine freudige Umarmung im Studio muss also noch nichts bedeuten – auch nicht, dass vermeintliche Investoren und das jeweilige Startup „absolut gewillt“ sind, zusammenzuarbeiten.

Das zeigt das Beispiel des Startups Beli-Luu aus der ersten Staffel, das Schablonen zum Fingernägel-Lackieren verkauft. In der Sendung hatten die Gründerinnen einen Deal mit Judith Williams abgeschlossen. 1.000 Stück der Lackierhilfen seien nach der Aufzeichnung zum Selbstkostenpreis an Williams gegangen, damit die Teleshopping-Queen sie über den Fernsehsender HSE24 verkaufen konnte, so die Gründerinnen.

Doch nach den Dreharbeiten hätten sie nichts mehr von der Investorin gehört. „Wir haben schriftlich am 10. November 2014 nachgefragt, aber auch darauf haben wir bis heute keine Antwort erhalten“, sagt Maja Vatralj, Inhaberin des Startups. Erst durch die Gründerszene-Berichterstattung hätten sie schlussendlich erfahren, dass der Deal geplatzt sei. „Wir hatten niemals das Gefühl, dass da ein Interesse an einer Zusammenarbeit bestand.“ Von Judith Williams Sprecher heißt es auf Gründerszene-Nachfrage, man wolle nur kommunizieren, dass der Deal nicht zustande gekommen sei.

Gesteuerte Kommunikation

In dem Vertrag finden sich zwei Worte, die in der Sendung deutlich zu kurz kommen: Due Diligence. Also die sorgfältige und ausführliche Prüfung von Finanzen, Technologie oder rechtlicher Struktur, die erst nach der Sendung stattfinden kann. Von den Startups fordert der Vertrag, Zahlen bedingungslos offenzulegen: „Die Vertragspartner verpflichten sich, dem/den Löwen zur Vorbereitung der konkreten Vertragsverhandlungen Einblick in alle relevanten Geschäftsunterlagen zu gewähren (due Diligence).“

Der Text gibt außerdem einen interessanten Einblick in das Verständnis von Öffentlichkeitsarbeit von Sender und Produktionsfirma. Ihnen ist es offensichtlich unheimlich wichtig, die Kommunikation komplett steuern zu können. Unter dem Punkt „Geheimhaltung“ heißt es dazu:

„Sämtliche PR-Arbeit für die Produktion obliegt alleine SPFFP bzw. dem beauftragenden Sender. Der Vertragspartner darf Ankündigungen, bildliche oder publizistische Darstellungen, Interviews sowie sonstige öffentliche Mitteilungen, die sich auf die Tätigkeit des Vertragspartners bei SPFFP beziehen (gleich ob vor, während oder nach der Vertragszeit), nur mit vorheriger schriftlicher Zustimmung der SPFFP bzw. des beauftragenden Senders verbreiten oder verbreiten lassen. […] Vorstehendes Veröffentlichungsverbot gilt auch für Veröffentlichungen über sog. soziale Netzwerke und Nachrichtendienste wie z.B. Facebook, Twitter oder Instagram.“

Nur nach „vorheriger schriftlicher Zustimmung“ dürften die Startups mit ihrer Teilnahme an der Sendung werben – „in Textform“ und ohne Logo des Senders. Der konkrete Zeitpunkt sei abzustimmen. „Weiterhin dürfen im Rahmen der Eigenwerbung keine noch nicht öffentlich bekannt gegebenen Informationen oder Produktionsinterna verraten werden“, heißt es. „Spätestens ab Erstaustrahlung“ sei Eigenwerbung in Textform auf der Homepage dann zulässig – ohne dass die Startups das Einverständnis einholen müssten.

Das erklärt, warum viele der Startups nicht über ihre geplatzten oder erfolgreichen Deals berichten, denn zwischen Aufzeichnung und Ausstrahlung liegen mehrere Monate. Eine langer Zeitraum für Gründer.

Nicht in die Karten schauen lassen

Die Verpflichtung zur Verschwiegenheit geht noch weiter – der Sender will sich bei der Produktion auf keinen Fall in die Karten schauen lassen. „Der Vertragspartner ist verpflichtet (auch über das Vertragsende hinaus), über alle mit seiner Tätigkeit und der Produktion zusammenhängenden Angelegenheiten und Vorgänge der SPFFP und deren Produktionspartner(n) strengstes Stillschweigen zu bewahren“, heißt es im Vertrag. Dies gelte „insbesondere für seine vertragsgegenständliche Mitwirkung in der Produktion und den Inhalt der Produktion selbst sowie den Inhalt dieses Vertrages“.

Von der exklusiven Homestory über Auftritte in anderen Fernsehshows bis zur Cross-Promotion im Fernsehen – Produktionsfirma und Sender überlassen nichts dem Zufall. Auch für die Zukunft will sich der Sender das „exklusive Recht“ vorbehalten, selbst nach Ablauf des Vertrags die Startups mit einem Fernsehteam begleiten zu können. Auch zur Teilnahme an Best-of-Sendungen oder einer Reunion im Fernsehen verpflichten sich die Startups.

Was konkret in den Verträgen zwischen Investoren und Startups stehen muss, hierzu gibt es kaum Vorgaben in dem Mitwirkendenvertrag. Der CEO des Startups Locca, Teilnehmer der ersten Staffel, hatte daher gefordert: „Das Sendungsformat ist echt gut und fördert Entrepreneurship, aber Vox sollte ein Mindestmaß an Rahmenbedingungen vorgeben, wie eine Due Diligence abzulaufen hat und welche Vertragsklauseln zulässig sind und welche das Startup zu sehr knebeln“, so Julian Breitenecker gegenüber Gründerszene.

Bild: VOX/Bernd-Michael Maurer