Tesla-Chef Elon Musk steigt aus dem elektrisch betriebenen Semi Truck.

Elon Musk will nun also auch Elektro-Lkw bauen, die natürlich besser, sparsamer, schöner als alle anderen Trucks dieser Welt sind und zudem eine Windschutzscheibe aus Panzerglas haben. Musk will, wie man weiß, so vieles: Autos bauen sowieso, aber auch Raketen ins All schießen und bemannte Überschall-Kapseln durch Röhren katapultieren.

Tesla hat bekanntlich am Donnerstag die Fertigung eines elektrisch betriebenen Sattelschleppers angekündigt. Überzeugen kann der mehrfach verschobene Produktlaunch nicht: Vielmehr weckt er Zweifel. Denn selbst beim Bau eines elektrisch angetriebenen Mittelklasse-Pkw ist das Unternehmen bislang gescheitert und hat lediglich knapp 300 Exemplare des Model 3 auf den Markt gebracht. Man mag einen Nissan Leaf hässlich finden, aber der Stromer verkauft sich gut. Fast 300.000 Exemplare haben die Japaner abgesetzt. Auch BMW verweist gerne darauf, dass man mehr elektrisch angetriebene Fahrzeuge absetzt als die amerikanischen Kultautobauer aus Fremont.

Die Reaktionen der Fachmedien schwanken zwischen Kenntnisnahme (Recode: „Ein Lkw, der sich nicht sehr von typischen Lastwagen unterscheidet, die man heute auf der Straße sieht“) und Kritik (TheVerge: „ein ungeschlachter und bedrohlicher Sattelschlepper, der schwarz lackiert an Darth Vader erinnert“). Nach Euphorie muss man lange suchen.

Daimler könnte der Gewinner sein

Am Ende könnte es Daimler sein, der Tesla zeigt, was ein Rücklicht ist. Ohne den Namen des Herausforderers zu nennen, ließ Konzernchef Dieter Zetsche am Tag vor dem Tesla-Launch-Event auf der Internetplattform LinkedIn einen Autorenbeitrag posten, der die Meilensteine des Autokonzerns zusammenfasst: Daimler habe bereits vor mehr als einem Jahr einen Elektro-Truck vorgestellt, habe im Oktober den „E-FUSO Vision One“ präsentiert, einen Elftonner mit 350 Kilometer Reichweite, und sei mit dem Lieferwagen „FUSO eCanter“ bereits auf der Straße. Pikanterweise sei der Logistiker UPS in den USA unter den ersten Kunden. Weiter zählt Zetsche die Elektrifizierungserfolge in der Bussparte auf: den kürzlich präsentierten Schulbus-Prototypen Jouley oder den für Ende 2018 angekündigten Start der Serienproduktion für den Linien-Elektrobus „Citaro E-cell“.

Lagerfeuerromantik auf dem Fabrikdach

Es scheint grotesk, wenn Tesla-Gründer Elon Musk – wie kürzlich auf Instagram zu sehen – nachts bei Lagerfeuer auf dem Dach seiner Gigafactory zu den Klängen von Johnny Cashs „Ring of Fire“ herumtanzt, jener Hymne der Selbstaffirmation („… ich denke, wir sind in Ordnung, ich denke, wir machen es richtig, ich denke, wir werden dieses verrückte Leben schaffen, dieses verrückte Leben…“), während die Arbeiter Zehn-Stunden-Schichten teils zu Hungerlöhnen abreißen und es dabei leidlich geschafft haben, 300 Exemplare von Teslas massentauglichem Modell vom Band rollen zu lassen.

Dass Musk seinen Sattelschlepper als Geschenkverpackung für einen neuen Roadster nutzt, ist ein durchschaubarer PR-Gag und soll von den hausgemachten Problemen mit dem Model 3 ablenken. Zudem zeigt sie, dass Elon Musk mit seiner Strategie des „One more thing“ (Video) nicht in der Liga eines Steve Jobs spielt. Dazu genügt ein Blick auf die Twitter-Zahlen. In den USA schaffte es der Begriff „Roadster“ zwar in die Twittertrends – hinter einer TV-Soap. Twitter-Deutschland beschäftigte sich derweil mit #jamaika. So bleiben hierzulande #tesla, #semitruck und #roadster ein Phänomen der elektromobilen Internetblase. Auch die Börse reagiert auf die Ankündigungen aus Kalifornien nüchtern: Die Aktie steigt leicht, bleibt aber weiter 60 Euro unter dem Peak vor einem halben Jahr.

Allerdings muss man wohl auch festhalten: Ohne Elon Musk wäre die europäische Automobilindustrie nicht so leicht aus ihrem dieselvernebelten Koma erwacht.

Bild Gettyimages /VERONIQUE DUPONT

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