Behindert. Einsam. Schwul.

Vielleicht lag es am Wetter. Oder am nassen Schnee. Wir von Gründerszene waren jedenfalls sofort in der denkbar schlechtesten Stimmung. Am Mittwochabend saß nämlich ein Schriftsteller auf der Bühne – irgendwo in der Mitte von Berlin-Mitte – und bemühte die gefühlt ältesten Klischees, die einem zur Dating-App Tinder einfallen. Und ewig lockt das Smartphone-Display. Sollte man sich nicht lieber in die Augen schauen? Ja. Danke. Geht es vielleicht eine Spur origineller? Ein Freund, so las er weiter aus seiner Schmunzel-Kolumne vor, hätte jedenfalls durch exzessive Tinder-Nutzung mit 127 Frauen geschlafen, sah anschließend etwas mitgenommen aus und sagte den krass legendären Satz: „Ich hatte zu viel Sex in meinem Leben.“ Ok. Vielleicht haben wir es nicht gemerkt, das ist wahrscheinlich doch superlustig und wir von Gründerszene waren an diesem Abend einfach nur erschöpft vom Tempo der Digitalisierung.

Gleich nach der Lesung durfte eine Hauptstadt-Journalistin auf dem Panel ungestört die nächsten Klischees über digitales Dating abfeuern. Und dann kam als Höhepunkt eine Aufzählung, die mich in die Kälte der Berliner Nacht fliehen ließ: „Es wird immer so getan, als ob auf Dating-Portalen jeder Topf ein Deckelchen finden würde. Das ist aber nicht so einfach, wie von den Anbietern behauptet. Was ist mit den Behinderten, Einsamen und Schwulen?“ Danke. Reicht. Schnell den Mantel gegriffen, denn in der Kneipe gegenüber lockte eine Sky-Leuchtreklame und die Fußball-Bundesliga. Der Mann hinter dem Tresen schaut mich für den Bruchteil einer Sekunde an – und reicht mir wortlos ein Bier.

Dabei fing die Woche sehr gut an. Mit unserem Games-Schwerpunkt auf Gründerszene. Gamen, Zocken – und dabei viel Geld verdienen. Das klingt doch gut! Klaas Kersting ist das gelungen. Statt im Seminar zu sitzen, schlug sich der junge Mann die Nächte mit Computerspielen und Spaghetti mit Tomatensoße um die Ohren. Bis er schließlich anfing, selber Spiele zu entwickeln und dann Gameforge gründete. Heute müsste Klaas eigentlich nicht mehr arbeiten, doch er hat inzwischen irgendwie Gefallen daran gefunden. Wir finden das ja auch ziemlich prima. Heute kommt er nur noch selten dazu zu spielen. So ändern sich die Zeiten.

Auch Rick Schwartz hatte Jahre zu kämpfen, bevor er richtig erfolgreich wurde. Er fuhr als Handlungsreisender kreuz und quer durch die USA und verkaufte Möbel. Doch dann hatte er den richtigen Riecher und begann Mitte der 90er-Jahre Domain-Namen zu kaufen. Unter anderem die Web-Adresse mit dem schönen Namen Porno.com. 42.000 Dollar legte er dafür auf den Tisch. Ein kluges Investment. Denn in dieser Woche verkaufte er die Domain für 8,8 Millionen Dollar weiter. Auf diese Idee wären wir von Gründerszene und ihr da draußen an den Endgeräten natürlich auch gerne gekommen. Sind wir aber nicht. Ganz kurz ärgern – und weitermachen. And don’t mess with Rick Schwartz…

Und dann war da noch die Rede von Christian Lindner im NRW-Landtag. Die FDP? Ja, die gibt es offenbar noch. Irgendwo da draußen. Lindners Reaktion auf einen naseweisen Zwischenruf, dass Lindner als Unternehmer ja gescheitert sei, hat uns dran erinnert. Drei Minuten. Emotional und herzerfrischend. Lindner: „Herr Kollege, mit mir können Sie das ja machen. Ich bin FDP-Vorsitzender, ich bin andere Anwürfe gewohnt. Aber welchen Eindruck macht so ein dümmlicher Zwischenruf wie Ihrer auf irgendeinen gründungswilligen jungen Menschen?“ Wir durften zu dieser Frage mit Christian Lindner sprechen – und am Montag könnt ihr das Interview hier auf Gründerszene lesen.

Zum Ausklang der Woche legte Delivery Hero einen fetten Deal hin. Rocket Internet übernimmt 30 Prozent der Anteile an der Firma und zahlt dafür insgesamt 496 Millionen Euro. Wir bestellen uns jetzt schnell ein paar Pizzen ins Büro und empfehlen euch in der Wartezeit Musik für das Wochenende:

Superzeitlupe. Mojave-Wüste. Eine Liebesgeschichte von Clement Oberto mit der Musik von John Tejada.


John Tejadas neues Album „Signs Under Test“ ist gerade auf Kompakt erschienen

Hilfe, sind die süß. Und gut. Lennon & Maisy sind echte Nashville-Profis und machen bis jetzt alles richtig.

So. Schluss. Jetzt aber raus und ab auf die Tanzfläche.


Mark Ronson, Uptown Special, Sony Music
Foto: Namensnennung Bestimmte Rechte vorbehalten von Thomas8047