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Das Ergebnis des „Nationalen Forums Diesel“, zu dem am Mittwoch Bundesminister, Ministerpräsidenten, Verbandschefs, Gewerkschafter und die deutschen Autobosse nach Berlin geladen sind, steht natürlich im Vorfeld fest: Erstens muss er ein Erfolg werden oder sich zumindest so verkaufen lassen und zweitens muss der Dieselmotor vor dem sicheren Aus gerettet werden.

Die Besitzer entsprechender Pkw sollen vor einer faktischen Enteignung bewahrt werden. Und die Autobranche vor einer Art Kernschmelze, die unzweifelhaft droht, wenn flächendeckende Fahrverbote die Selbstzünder aus den Innenstädten verbannen würden – und kein Mensch mehr Autos mit entsprechenden Motoren kaufen würde.

Jenen Motoren, die die Industrie noch vor wenigen Jahren als Garanten für Mobilität und saubere Luft gepriesen hatte.

„Die Bundesregierung hat sich koalitionsübergreifend auf eine gemeinsame Linie geeinigt“, heißt es vorab in Regierungskreisen. Das ist die offizielle Version. Hinter den Kulissen knirscht es in der großen Koalition jedoch gewaltig.

Zu den Vorwürfen, das Kraftfahrt-Bundesamt habe Untersuchungsberichte zum Abgasskandal geschönt, müsse Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) öffentlich Stellung nehmen, verlangt Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD). „Wir brauchen diese Informationen noch vor dem Autogipfel am 2. August“, fordert sie.

Es herrscht Dieselchaos in Berlin

Im Verkehrsministerium nennt man die Vorwürfe einen „alten Hut“. Und im Bundesumweltministerium verweist man darauf, dass ohnehin alles, was man bislang für den großen Dieselgipfel besprochen habe, noch nicht mit den Bundesländern abgestimmt worden sei.

Es gehe um „keine einfache Materie“, heißt es im Haus von Ministerin Barbara Hendricks. Es herrscht Diesel-Chaos in Berlin – Durcheinander bei der Rettungsaktion einer Schlüsseltechnologie unserer Schlüsselindustrie. Es kann einem Angst und Bange werden.

Hinzu kommt, dass ein Mann wie Jürgen Resch, der Chef der Deutschen Umwelthilfe, sowieso alles für Makulatur hält, was auf dem Diesel-Gipfel besprochen wird. „Die geplanten Nachrüstungen der betroffenen Autos sind weder ausreichend noch rechtens“, so Resch. Hätte er recht, könnte man den Gipfel im Grunde gleich absagen.

Die Nachrüstung betroffener Autos mit Dieselmotoren ist das Herz der Rettungsaktion. Autos mit Motoren der Norm Euro-5 und -6 sollen eine neue Motorsoftware aufgespielt bekommen, ein sogenanntes Update. Natürlich auf Kosten der Automobilhersteller.

So ausgerüstet, sollen sie dann die Stickoxid-Grenzwerte einhalten können. Damit wären Fahrverbote vom Tisch, wie sie das Verwaltungsgericht Stuttgart am Freitag als wirksamstes Instrument formuliert hat, damit Kommunen ihre Luftreinhaltepläne einhalten können.

Ein Dieselfahrverbot droht

Maßnahme zwei, die am Mittwoch verkündet werden soll, ist eine verstärkte Förderung der Elektromobilität durch die Bundesregierung. Wenn der Diesel schon den Status einer „Übergangstechnologie“ verpasst bekommen hat, muss dieser Übergang zu Elektroautos organisiert werden.

Das ist überfällig, denn mögliche Fahrverbote in den Innenstädten für Diesel könnte es bereits ab Anfang kommenden Jahres geben. In knapp einem halben Jahr gibt es aber weder ausreichend bezahlbare und leistungsstarke E-Autos noch die nötige Infrastruktur, um sie zu laden. Dazu sollen nach Plänen der Regierung „Kräfte und Ressourcen für diesen Umbau gebündelt und die Mittel dafür aufgestockt werden“, wie es heißt.

Zuletzt ist ein Fonds geplant, aus dem Konzepte für alternative Mobilitätskonzepte in den Kommunen finanziert werden können. „Was wir in jedem Fall vermeiden müssen, sind Fahrverbote“, sagt Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes.

Die Kommunen wüssten ja noch nicht mal, wie sie die Verbote kontrollieren sollten. Aus dem Fonds sollen nun Konzepte für bessere Ampelschaltungen bezahlt werden, um so den Verkehrsfluss zu erhöhen. Oder Pläne für effizienteren Parkraum, die Bündelung von Lieferverkehren oder die Umrüstung von Diesel-Loks und Lastkähnen – Letztere sind zu einem Drittel an den Stickoxidemissionen in den Städten am Rhein verantwortlich.

Dennoch: Der Maßnahmenkatalog zeigt, dass man ziemlich verzweifelt um jedes Gramm Stickoxid kämpft, das nicht in die Luft geblasen wird. Schließlich hatte die EU-Kommission auch Deutschland angezählt und ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, weil in 28 Städten hierzulande die Luftreinhaltepläne nicht richtig umgesetzt, die vorgegebenen Grenzwerte nicht erreicht werden.

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EU gibt vor, deutsche Gerichte entscheiden

Darauf gründen sich die Klagen wie die von der DUH, die Urteile der Richter wie dem am Stuttgarter Verwaltungsgericht, der dafür gesorgt hat, dass Fahrverbote für Diesel bald kommen könnten. Die EU gibt also vor, wie sauber unsere Luft sein soll, und Richter schreiben vor, wie das am besten zu erreichen ist. Und die Bundesregierung? Steht wenig glücklich da und erhöht nun – reichlich spät – den Druck auf die Automobilhersteller. „Der Gipfel wird zeigen, was wir von der Industrie erwarten“, heißt es in Regierungskreisen.

Erwartet wird neben einem Umdenken und Paradigmenwechsel vor allem Geld. Die Nachrüstungen sollen die Autobauer ganz bezahlen, den Fonds für die kommunalen Maßnahmen „mindestens zur Hälfte füllen“. „Noch zieren sich die Hersteller“, heißt es in einem der Ministerien.

Zieren wäre übertrieben. Und vor allem bei BMW fühlt man sich schon im Vorfeld des Diesel-Gipfels verschaukelt. Nur die Münchner haben sich an die eigentlich einmal getroffene Absprache gehalten und vor dem Spitzentreffen am Mittwoch noch keine einseitigen Maßnahmen verkündet.

Sowohl bei Daimler als auch bei Audi und VW hat man sich bereits auf einen freiwilligen Rückruf von Millionen Fahrzeugen der Abgasnormen Euro-5 und Euro-6 festgelegt. Das, so ist aus Unternehmenskreisen zu hören, ärgert die BMW-Leute am meisten. Schließlich sollte es ursprünglich nur um die Euro-5-Fahrzeuge gehen.

Schon dabei hätten die Münchner nur zähneknirschend mitgemacht. Schließlich stehen die Münchner bislang als Einzige ohne Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Abgasmanipulation da. „Am Ende müssen wir alle zahlen“, hat sich ein hochrangiger BMW-Manager festgelegt. „Bei Daimler und VW können sie es sich nicht leisten, sich querzustellen, deshalb müssen wir wohl auch zahlen.“ Nun wird es durch die Ausweitung auf Euro-6-Autos wohl noch teurer.

Rechtssicherheit wird es nicht geben

Eigentlich wollten sie in der Autoindustrie nur dann für die Nachrüstung zahlen, wenn sie im Gegenzug Rechtssicherheit bekommen, dass Fahrverbote damit nun endgültig vom Tisch sind. Doch nach und nach rückten immer mehr Autobauer von dieser Position ab und verkündeten einseitig freiwillige Rückrufe – wohl auch, um verpflichtenden Schritten der Zulassungsbehörde zuvorzukommen.

Inzwischen wirkt es fast aus der Zeit gefallen, wenn Bosch-Chef Volkmar Denner noch immer auf dieser Position beharrt. „Die entscheidende Frage ist: Bekommen die Halter von nachgerüsteten Fahrzeugen die Garantie, dass sie weiterhin in die Innenstädte fahren dürfen?“, fragte Denner in der Welt am Sonntag. „Hersteller und Autofahrer sind natürlich auf Rechtssicherheit angewiesen.“

Doch diese Rechtssicherheit wird es nicht geben. Schon am vergangenen Freitag stellte das Landgericht in Stuttgart fest, dass es die angekündigten Nachrüstungen für Dieselautos nicht für ausreichend hält, um die Stickoxid-Grenzwerte in der baden-württembergischen Landeshauptstadt künftig einzuhalten.

Fahrverbote bleiben damit nicht nur möglich, sondern werden sogar wahrscheinlicher. „Der Gipfel kann Fahrverbote nicht mehr wegverhandeln“, sagt DUH-Chef Resch. „Das liegt jetzt in den Händen von Gerichten, nicht mehr in denen der Politik.“ Nun, die Politik hatte lange genug Zeit gehabt, die Regeln für den Diesel klar vorzugeben.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Welt.de.

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