Kelela
Kelela wandelt dekorativ durch einen Club. Ihre Musik vereint Elektronik und Soul.

„Digitaler Kapitalismus!“ Die neue Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten hatte ein paar Minuten nach ihrer Wahl im September den Ton gesetzt. Als einen der mächtigsten Gegner, den es aus Sicht der SPD zu bekämpfen gelte, hatte die zukünftige Oppositionsführerin Andrea Nahles den „digitalen Kapitalismus“ ausgemacht. Was sie damit meinte, blieb damals noch etwas vage. Doch in der vergangenen Woche fand in der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin eine zweitätige Konferenz statt, die sich unter dem Motto „Digitaler Kapitalismus – Revolution oder Hype?“ mit der Digitalisierung auseinandersetzte. Hier wurde die Stoßrichtung der zukünftigen Digitalpolitik der Sozialdemokraten etwas deutlicher. 

Wenn man den Rednern und den Fragern aus dem Konferenz-Publikum lauschte, stand vor allem eine Sorge im Vordergrund: Haben Staat und Politik ihre Handlungsfähigkeit an die mächtigen Internetkonzerne verloren? Andrea Nahles warnte eindringlich vor der Monopolbildung der Netzkonzerne. „Die Varianz des globalen kapitalistischen Systems“ erlaube eben auch die Entstehung von Monopolen, erklärte sie etwas umständlich. Oft würden sie als Plattformen bezeichnet – und das findet Nahles „viel zu niedlich“: „Eine Plattform habe ich ja im Baumhaus meiner Tochter.“

Dann wollen sie auch noch Weltverbesserer sein

Die grundsätzliche Stoßrichtung der Fraktionsvorsitzenden der SPD ist klar: Die großen Internetkonzerne hätten lediglich die Profitmaximierung im Sinn, hieß es. Dafür wollten sie möglichst Monopole bilden. Wettbewerb, Arbeitnehmerrechte und soziale Verantwortung wollen sie ersticken. Dazu besäßen Firmen wie Uber, Google, Facebook, Airbnb und Amazon auch noch die Frechheit, sich als Weltverbesserer aufzuspielen und auf eigene Faust ein neues Recht zu etablieren, ohne dass Parteien, Politik oder Gesellschaft überhaupt gefragt würde. „Unlegitimiert“ sei dieses Vorgehen laut Nahles. Die „Bürger müssen geschützt werden“, sagte sie. In den Zeiten der ersten industriellen Revolution hätten sich Arbeiter in Kollektiven versammelt und gemeinsam ihre Rechte durchgesetzt. Der digitale Kapitalismus vereinzelne die Leute. Darauf müssten neue Antworten gefunden werden.

Viele Experten erwarten, dass sich die SPD unter Andrea Nahles und Martin Schulz nach all den Kompromissen in der der großen Koalition wieder ein schrofferes, linkes Profil geben wird. Die Ausführungen von Andrea Nahles auf dem Kongress können durchaus als Auftakt dafür gesehen werden. Eine Besucherin fragte in die Runde, wie man es erreichen könne, dass „kapitalistische Angebote wieder in staatliche Hand gelangen“ könnten. Gerade im Bereich der Wissensvermittlung, wie Google sie betriebe. Google als Staatsbetrieb? Ein staatliches Google? Für diese Frage gab es Applaus. Kein Gelächter. Auch über eine mögliche Verstaatlichung von Facebook wurde diskutiert. Außerdem war man sich einig, dass der Staat mehr Handlungs- und Eingriffsmöglichkeiten bekommen muss, wenn es um Fehlentwicklungen in der digitalen Wirtschaft kommt. 

Wir sind mal wieder dabei, uns selbst zu zerstören

Offen blieb die Frage, wie die Politik handeln möchte, wenn sie so pointiert auf ihre Handlungsfähigkeit pocht. Aber vielleicht gibt es dazu in Zukunft noch eine Konferenz. Man sollte sich aber nicht allzu viel Zeit lassen damit. Denn der bekannte Internetkritiker Evgeny Morozov sagte in seiner Keynote, dass die Menschheit gerade dabei sei, sich selbst zu zerstören. Schade. Dabei hätte man gerne von den Politkern und Experten gehört, wie die Digitalisierung uns helfen kann, besser zu leben und die großen Zukunftsfragen zu beantworten. Oder vielleicht ein paar Worte zum Umstand, dass sich mit dem Computer Produktionskraft und Produktionsmittel in der Hand der einzelnen Nutzer befinden. Das müsste einer linken Partei eigentlich grundsätzlich gefallen.  

Auch DGB-Chef Reiner Hoffmann durfte seine Befürchtungen an die Wand malen. Die Digitalisierung mache aus seiner Sicht die Menschen zwangsläufig zu vogelfreien „Soloselbstständigen“. Das ist natürlich schlecht aus der Sicht eines Mannes, der neue Mitglieder in seine Gewerkschaft locken will. Aber vielleicht könnte es auch ein Anfang, um andere Formen der Arbeitnehmer-Beteiligung zu entwickeln. Das forderte Pasquale nämlich auch. Wie so etwas aussehen könnte, wurde leider nicht behandelt. 

In Startups wird nebenbei die Zukunft der Arbeit gelebt

Wir haben in Deutschland eine florierende Startup-Szene, die sich jeden Tag mit den Möglichkeiten der digitalen Wirtschaft beschäftigt. Für das Ranking, das Gründerszene ein Mal im Jahr als gedrucktes Magazin herausgibt, haben wir mit vielen Startups gesprochen, die ein überdurchschnittliches Wachstum vorweisen können. Eins war allen Unternehmen gemeinsam. Sie wollen gar nicht um jeden Preis wachsen. Im Gegenteil. Unternehmensziel bei vielen dieser Startups ist es, eine tolle Firma zu werden, für die es sich zu arbeiten lohnt. In der die Angestellten Spaß an ihrer Arbeit haben.

Hier entsteht gerade eine neue Arbeitskultur, die mit Uber oder Amazon überhaupt nichts zu tun hat. Vielleicht sollten sie die Veranstalter der Konferenz beim nächsten Mal ein paar Menschen aus der Praxis einladen, die berichten können, wie in Deutschland gerade die Arbeit der Zukunft entsteht und wie sie jeden Tag gelebt wird. Dann füllt sich auch der Begriff vom „digitalen Kapitalismus“, über den man ganz sicher zwei Tage lang gut diskutieren kann, mit echtem Leben. Das würde bestimmt auch den SPD-Wählern gefallen.

Zur Erholung gibt es jetzt die neue wunderbare Kelela. Ihr neues Album ist ein Erlebnis:

Foto: Kelela / Vevo /Screenshot

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