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digitales-publishing-link-tot Ist der Link tot?

Ein Beitrag von Roland Eisenbrand, Head of Content bei OnlineMarketingRockstars.de.

Buz­zfeed will künf­tig Con­tent direkt auf gro­ßen Platt­for­men einstellen

Es ist die digi­tale Gret­chen­frage, die alle Medi­en­un­ter­neh­men der Gegen­wart beant­wor­ten müs­sen: Stelle ich meine Inhalte auf mei­ner eige­nen Web­site ein und ver­su­che, Traf­fic von den gro­ßen Platt­for­men wie Face­book und Google auf meine Seite abzu­zwei­gen – oder poste ich die Inhalte direkt auf den Platt­for­men, die über eine rie­sige Reich­weite ver­fü­gen, bei denen ich aber vom Gut­dün­ken der Platt­form­be­trei­ber abhänge? Jonah Peretti, CEO und Grün­der von Buzzfeed, einem der erfolg­reichs­ten neuen Medi­en­un­ter­neh­men, glaubt an das zweite Modell und meint: „Es ist ein ver­al­te­tes Modell, Links in den News­stream der Nut­zer zu pus­hen.“

Es sei eine merk­wür­dige Sache mit die­sem Inter­net, sagte Peretti im Rah­men sei­ner sehens­wer­ten Keynote beim South-by-Southwest-Festival in Aus­tin (der inter­es­san­teste Teil beginnt bei 4:58:10): Weil so viele Publis­her ihr Geschäft auf Banner-Werbung auf­bau­ten, seien sie davon abhän­gig, dass die Nut­zer ihre Seite besu­chen, damit sie Geld ver­die­nen kön­nen. „Sie ver­wen­den also sehr viel Auf­wand dar­auf, Links in den Stream der Nut­zer zu pus­hen. Das führt zu Mil­li­ar­den von Impres­si­ons, bei denen die Nut­zer keine Inhalte sehen, son­dern Links.“ Die­ses Vor­ge­hen sei ver­al­tet, glaubt Peretti. Die Medi­en­un­ter­neh­men soll­ten den Nut­zern auf den gro­ßen Platt­for­men gleich Inhalte zei­gen.

Unge­nutzte Reich­wei­ten in den Streams

Im ande­ren Fall wür­den die Medi­en­un­ter­neh­men enorme Reich­wei­ten unge­nutzt las­sen, meint der Buzzfeed-Gründer. Er demons­trierte dies anhand einer Traffic-Analyse sei­nes eige­nen Unter­neh­mens. Laut die­sen sei die Zahl der Klicks, die Buz­zfeed im Januar die­ses Jah­res über Face­book, Pin­te­rest und Twit­ter erhal­ten habe, zwar durch­aus beein­dru­ckend und zufrie­den­stel­lend gewe­sen – habe aber nur einen Bruch­teil der Zahl der Sicht­kon­takte betra­gen, die Buz­zfeeds Inhalte im News­stream der Nut­zer auf den genann­ten Platt­for­men erzielt habe.

Ein Vergleich der Klicks und der Impressions von Buzzfeed auf den verschiedenen Plattformen

„Die Men­schen wer­den zwar sagen: ‚Du musst den Traf­fic auf deine eigene Seite len­ken, weil du diese kon­trol­lie­ren und mit ihr mehr Ein­nah­men erzie­len kannst’“, sagt Peretti im Bewusst­sein über die mög­li­chen Ein­wände gegen die Ver­brei­tung der Inhalte direkt auf frem­den Platt­for­men. „Aber unsere Erfah­rung hat gezeigt: Wenn man Inhalte extern ver­brei­tet und dafür im Gegen­zug Daten und Ein­nah­men erhält, kann das ein gutes Geschäft sein.“

Buz­zfeed grün­det Team für Inhalte auf ande­ren Plattformen

Buz­zfeed werde des­we­gen künf­tig ver­stärkt Inhalte direkt auf den Platt­for­men ein­stel­len, anstatt Links zu pos­ten, kün­digte Peretti an. Das Unter­neh­men habe sogar ein eige­nes Team namens „BFF“ gegrün­det, das nur damit expe­ri­men­tiere, wie man Inhalte dort ver­brei­ten könne, wo die Nut­zer aktiv sind – sei es Ins­ta­gram, Pin­te­rest, Face­book oder Twit­ter –, ohne die Erwar­tung, dass die Nut­zer dar­über auf die Buzzfeed-Website gelang­ten.

Die neue Strategie von Buzzfeed

„Unser Ideal ist es, dass es uns irgend­wann egal ist, wo die Nut­zer unsere Inhalte kon­su­mie­ren“, so Peretti. Buz­zfeed sei des­we­gen auch kein Pro­dukt, son­dern ein Ser­vice, der per­ma­nent bes­ser darin werde, Inhalte zu pro­du­zie­ren, die die Nut­zer mögen.

„Native Adver­ti­sing“ ermög­licht Unab­hän­gig­keit von der eige­nen Website

Buz­zfeed kann sich diese Denk­weise leis­ten, weil das Geschäfts­mo­dell des Unter­neh­mens nicht auf einer Mone­ta­ri­sie­rung durch Display-Werbung oder andere klas­si­sche Media-Modelle basiert, son­dern auf „Native Adver­ti­sing“: Wer­bung, die die­selbe Form annimmt wie die redak­tio­nel­len Inhalte auf der Seite. Bei Buz­zfeed kann dies bei­spiels­weise ein „Listi­cle“ sein – eine Liste wie „15 ver­steckte Schätze in den USA, die du nicht in Fil­men sehen wirst“, die im Auf­trag eines US-Tourismus-Unternehmens für Rei­sen in die USA wirbt. Sol­che Inhalte las­sen sich auf exter­nen Platt­for­men zumin­dest durch Links gut ver­brei­ten.

Aber auch Video-Werbung pro­du­ziert Buz­zfeed für die Wer­be­kun­den – und Bewegt­bild­in­halte stellt das Medi­en­un­ter­neh­men bereits auf ande­ren Platt­for­men ein. Wie Peretti im Inter­view mit dem US-Portal Recode erklärte, habe das Unter­neh­men Videos zunächst auf der eige­nen Web­site ver­brei­tet; das habe jedoch nicht so gut funk­tio­niert. Seit­dem Buz­zfeed die Inhalte bei Youtube ein­stellt, habe sich Video zu einem der am schnells­ten wach­sen­den Unter­neh­mens­zweige ent­wi­ckelt.

Opti­mie­rung der Inhalte auf Basis der Inter­ak­ti­ons­da­ten der Plattformen

Ein Vor­teil des­sen, die Inhalte gleich auf den Platt­for­men zu publi­zie­ren, auf denen die Nut­zer sie sowieso tei­len, bestehe darin, dass Buz­zfeed auf diese Weise mehr und bes­sere Daten über die Reak­tio­nen und Content-Vorlieben der Nut­zer erhalte. So hät­ten in den Kom­men­ta­ren unter einem auf Face­book gepos­te­ten Video über die typi­schen Streit­the­men von Paa­ren viele Men­schen ihren Part­ner „getaggt“, also mar­kiert. Die Bei­träge hät­ten Buz­zfeed viele Ideen für neue Inhalte gelie­fert.

Die Daten, die Buzzfeed durch das Posten von Inhalten direkt auf die Plattformen erhält, nutzt das Unternehmen, um seine Inhalte weiter zu optimieren

Auch bei der Mone­ta­ri­sie­rung durch Native Adver­ti­sing biete die­ses Vor­ge­hen Vor­teile: Das Video „Dear Kit­ten“ für die Nestlé-Katzenfuttermarke Purina sei eine der erfolg­reichs­ten Kam­pa­gnen von Buz­zfeed gewe­sen, so Peretti. Bis­lang wurde das Video mehr als 20 Mil­lio­nen Mal abge­ru­fen. Was jedoch nur wenige wüss­ten, sei, dass dies bereits das fünfte Video gewe­sen sei – zuvor habe Buz­zfeed ein ähn­li­ches Video ohne Wer­be­part­ner pro­du­ziert und dann mit Purina meh­rere Ver­sio­nen getes­tet. „Wir sind am erfolg­reichs­ten, wenn wir ite­rie­ren und mit der Zeit ler­nen kön­nen“, so Peretti.

Die Ergeb­nisse von Buz­zfeed kön­nen sich mehr als sehen las­sen: Das Unter­neh­men erreicht eige­nen Anga­ben zufolge mehr als 200 Mil­lio­nen Uni­que User pro Monat und ist pro­fi­ta­bel. Der Wert wird auf 850 Mil­lio­nen bis eine Mil­li­arde US-Dollar geschätzt.

Platt­form­be­trei­ber drän­gen auf Direkt­ein­bin­dung von Content

Mit der Ent­schei­dung, die eigene Web­site gegen­über ande­ren Platt­for­men zurück­zu­stel­len, stellt Buz­zfeed sich mög­li­cher­weise als eines der ers­ten Medi­en­häu­ser recht­zei­tig auf anste­hende Ver­än­de­run­gen in der Medi­en­land­schaft ein. Die aktu­elle Ent­wick­lung im Videobe­reich deu­tet dar­auf hin, dass Face­book (neben Google der­zeit der größte Traffic-Bringer im Netz) Medi­en­pro­du­zen­ten künf­tig offen­bar ver­stärkt dazu bewe­gen möchte, Inhalte direkt auf Face­book ein­zu­stel­len – auch, weil Face­book den Ver­brau­chern im mobi­len Inter­net eine bes­sere Nut­zer­er­fah­rung biete als viele Publis­her mit ihren Web­sites.

Einem Bericht der New York Times zufolge denkt das soziale Netz­werk dar­über nach, Publis­hern anzu­bie­ten, auch andere Inhalte auf Face­books Platt­form zu hos­ten und die so ent­ste­hen­den Wer­be­ei­nah­men zu tei­len.

Dar­über hin­aus expe­ri­men­tiert Snap­chat, eine der am stärks­ten wach­sen­den neuen Platt­for­men, seit Januar mit meh­re­ren gro­ßen Publishing-Partnern (dar­un­ter CNN, Vice, MTV und Buz­zfeed), die ihre Inhalte über die Snapchat-App ver­brei­ten. Das so genannte „Discover“-Feature sieht auch keine Ver­lin­kun­gen nach außen vor – statt­des­sen wer­den die Inhalte über Video-Werbung mone­ta­ri­siert. Laut Busi­ness Insi­der erhal­ten die Publis­her 70 Pro­zent der so erziel­ten Einnahmen.

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Dieser Beitrag erschien zuerst auf OMR.com.

Titelbild: © panthermedia.net / Klaus Gresser