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Disney kauft das Multichannel-Netzwerk Maker Studios

Von der deutschen Gründerszene praktisch unbemerkt hat Lakestar, der Internetfonds des Investors und Wahlschweizers Klaus Hommels, an einem potenten Exit auf der anderen Seite des Atlantiks partizipiert. Insgesamt 500 Millionen US-Dollar sowie einen performanceabhängigen Earnout über noch einmal 450 Millionen Dollar war der Unterhaltungskonzern Disney kürzlich bereit, für das Multichannel-Netzwerk Maker Studios auf den Tisch zu legen. Das kalifornische Unternehmen mit Sitz in Culver City hat sich als so genanntes Multi-Channel Network (MCN) darauf spezialisiert, Spartenkanäle auf der Videoplattform YouTube zu betreiben und zu vermarkten – also eine Art Content-Netzwerk, das unterschiedliche Kanäle nach Themen bündelt und durch die so erzeugte themenorientierte Reichweite eine vertikale Vermarktung ermöglicht.

Für Disney also ein strategischer Deal, der neue Potenziale in der Onlinevermarktung, vor allem aber auch bei der Art der Content-Erzeugung beschert. Während die Bedeutung des linearen Fernsehens zusehends abnimmt und Nutzer ihre Inhalte mehr und mehr online und mobil abrufen, bestechen vor allem die günstigen Produktionskosten von YouTube-Videos. Wirft die Produktion üblicher Fernsehformate geschätzte 4.000 Euro pro Stunde und mehr auf, generieren YouTube-Videos trotz einem geschätzten Kostenpunkt von um die 80 Euro pro Stunde dank hoher Viralität dennoch hohe Reichweitenzahlen. Neben großen Anbietern mit breiten Themenbereichen können so dank gezielter Nachfrage auch eher nischige Longtail-Bereiche adressiert werden.

Die Medienlandschaft im strategischen Umbruch

Maker bietet damit für Disney, das YouTube bisher wohl eher als Promotionkanal betrachtet und selbst gut 70 Kanäle auf der Google-Tochter unterhält, also eine neue Perspektive, die den veränderten Bedingungen des Medienkonsums Rechnung trägt. Und das YouTube-Netzwerk zählt dabei zu den Schwergewichten: Ursprünglich als eine Art Vermarktungsallianz unter Videomachern gestartet, wurde das Unternehmen seit seinem Start im Dezember 2009 mit rund 66 Millionen US-Dollar finanziert und umfasst nach eigenen Angaben rund 55.000 Kanäle, die von 340 Millionen Nutzern etwa 4,5 Milliarden Mal pro Monat abgerufen werden – eine Entwicklung, die angesichts des nun erfolgten Megadeals auch die deutsche Medienlandschaft hellhörig werden lässt. Denn Disney ist beileibe nicht der erste große Unterhaltungskonzern, der eine Chance im Geschäft mit Online-Videos wittert – wohl aber jener mit der größten (und teuersten) platzierten Wette. Bereits 2013 hatte Dreamworks den Maker-Konkurrenten AwesomenessTV für eine Summe von bis zu 150 Millionen Dollar übernommen, um so Zugriff auf über 55.000 Kanäle mit gut 14 Millionen Abonnenten und 800 Millionen Videoaufrufen zu erhalten. Nach einem großen Content-Deal mit Netflix und dem Kauf des Lizenznehmers Classic Media ein weiterer Schritt zur Neuausrichtung des Segments gen Online, von dem sich Dreamworks wohl verspricht, zu den großen Drei – Disney, Nickelodeon und Cartoon Network – aufzuschließen.

Und die Vorstöße in Richtung MCN werden zahlreicher: Mit 18 Millionen Dollar hatte sich Hollywood-Riese Warner Bros. erst im letzten Monat am auf Computerspiele spezialisierten Machinima beteiligt, das nach seiner einstigen Vormachtsstellung zuletzt eher mit Entlassungen Schlagzeilen machte. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch in Deutschland, wo Bertelsmann 2013 die Fokussierung auf Präsenz bei YouTube zu einem besonderen Schwerpunkt der Digitalstrategie seiner RTL-Group machte. Mit Investitionen in gleich drei Multichannel-Metzwerke – die amerikanischen BroadbandTV und StyleHaul sowie Divimove aus Deutschland – sowie der Gründung einer eigenen Comedy- Plattform in Frankreich setzte das Unternehmen aus Gütersloh ein klares Zeichen, wo der Trend hingehen könnte. ProSiebenSat.1 zog dieses Jahr nach und erwarb im März eine Beteiligung von 20 Prozent an den Collective Digital Studios, einem Multichannel-Netzwerk in den Vereinigten Staaten.

Dass an diesem Trend durchaus etwas dran zu sein scheint, ließ auch das in Denver ansässige Sympoz erahnen, das bereits 2012 mit 15 Millionen US-Dollar vom angesehenen Venture Capitalist Tiger Global finanziert wurde. Der Anbieter für Fortbildungsvideos macht zunächst aussichtsreiche Fachthemen aus und rekrutiert anschließend talentierte Instrukteure mit Bekanntheit in Nischen-Communities. Nach dem Fokus auf den Hauptkanal Craftsy, der sich rund um Handarbeiten wie Quilten oder Stricken dreht, folgen dabei nun auch weitere Verticals zu Themen wie Kochen oder Gartenarbeit.

Lakestar casht mit sehr gutem Return aus

Inwieweit sich das Wirtschaften mit günstig erzeugtem digitalen Content für die großen Medienkonzerne auszahlt, wird sich zeigen. Vor allem wird es spannend sein zu beobachten, in welche Richtung sich das Geschäft mit dem YouTube-Content nun entwickelt und was unter Mitwirkung der großen Unterhaltungskonzerne als Multi-Channel Network 2.0 hervorgehen wird. Für den Moment sind die Wetten aber an vielen Stellen bereits platziert worden, sodass sich auch für Lakestar die Transaktion auf jeden Fall gelohnt haben dürfte: Glaubt man dem Branchenfunk, haben die Züricher auf Vorschlag eines ehemaligen CEO von AOL Time Warner den Einstieg bei Maker Studios angeboten bekommen und machten davon noch vor der letzten Finanzierung des MCN im September 2013 Gebrauch. Damals waren es unter anderem Canal+ und Singtel, die Maker zu einer Bewertung von 300 Millionen US-Dollar mit 25 Millionen Dollar Kapital ausgestattet hatten. Sollte sich dieses Gerücht bewahrheiten, hätte Lakestar also wohl einen Multiple zwischen drei und fünf eingefahren und damit angesichts einer Haltedauer von etwas mehr als sechs Monaten einen sehr guten Return realisiert. Darüber hinaus verdeutlicht die Transaktion nicht nur, dass Lakestar anscheinend einen Trend erkannt und den Gewinner in diesem Segment identifiziert hat, sondern dass es auch sehr wohl möglich ist, als deutscher VC an internationalen Exits zu partizipieren.

Denn obwohl öffentlich über den kolportiert rund 150 Millionen Euro großen Fonds von Spotify-Investor Klaus Hommels kaum etwas bekannt ist, wird diesem nachgesagt, einen guten Draht in die USA zu haben, was vergangene Investments in Gründungen wie Airbnb, Facebook oder AngelList belegen. Auch beim US-amerikanischen Online-Versand für Rasierbedarf Harry’s soll Lakestar beteiligt sein und dessen 100-Millionen-Investment in die Ritzma-Werke in Südthüringen begleitet haben. In Europa präsentiert sich das Portfolio mit Klarna oder eben Spotify gleichermaßen potent bestückt – und selbst dessen Beteiligung am Spielehersteller King.com, die das Forbes-Magazin gerade zu unrecht reißerisch als verpasstes Milliardengeschäft bezeichnete, darf als Erfolg gelten, erzählt man sich doch in der Branche, dass Hommels beim damals strauchelnden Unternehmen einen Multiple zwischen 25 und 30 erzielt haben soll. Dass sich der zu dieser Zeit völlig anders aufgestellte Anbieter im fragilen Games-Geschäft anschließend zu einem erfolgreichen Anbieter von Mobile-Games wandelte, dessen Zukunft nach wie vor vage bleiben dürfte, war damals wohl eine Lotto-ähnliche Wette.

Ein bisschen Glück ist also immer im Spiel. Dass hinter Hommels‘ Erfolgen aber überwiegend strategische Planung steht, belegt auch die Nominierung für Forbes‘ Midas-Liste der besten Tech-Investoren – als einer von nur zwei Deutschen in den Top 100. Im Gegensatz zu vielen anderen Investoren hängt der Wahl-Schweizer seine Erfolge allerdings nicht an die große Glocke, sodass viele lukrative Exits von Hommels oft nur den direkt Beteiligten bekannt sind, nicht selten aber internationale Millionendeals bedeuten.

Bild: PantherMedia/kawing921