DLD Women aus der Sicht eines Mannes

Man(n) stelle sich ein Event rund um das Thema Digitalwirtschaft und Unternehmertum vor, mit einer Frauenquote von vielleicht 85 Prozent. Wo es nicht nach Energy Drinks und Elektrosmog riecht, sondern nach ein wenig Bodylotion und ganz viel Unternehmergeist. IWo optisch nicht der grau-blau-schwarze Einheitsbrei männlicher Anzüge dominiert, sondern sommerliche Kleider und interessierte Aufgeschlossenheit gastieren. Klingt angesichts der doch recht niedrigen Frauenquote im Gründerbereich wie eine Utopie? Ist es aber nicht.

Ich habe mich in den letzten drei Tagen als einer von wenigen Männern über den Frauenableger der DLD bewegt und dabei nicht nur bestes Münchner Wetter genossen, sondern ebenso ein Gefühl dafür bekommen, wie es sich sonst für Frauen auf einer rein männerbevölkerten Techologie-Konferenz anfühlen muss.

Weiblichkeit und die Unsicherheit des Mannes

Eine Digital-Konferenz mit hoher Frauenquote darf wahrlich als Seltenheit gelten, daher an dieser Stelle auch mal Hand auf’s Herz: Als Mann fühlt es sich schon ein wenig komisch an, einer Frauenveranstaltung beizuwohnen, bei der es darum geht, dass mehr Frauen (und damit weniger Männer?) Führungspositionen bekleiden sollten. Dass der Einklang von Familienplanung und Unternehmertum kein Widerspruch in sich ist. Dass Frauen sich mehr trauen sollten, in der Weiblichkeit ein Wert für die Berufswelt liegt und die bisherigen gesellschaftlichen Konstrukte hinterfragt gehören. Begriffe wie Feminismus, Frauenquote oder Gleichberechtigung setzen gewisse Reizpunkte im Ohr eines Mannes. Ähnlich wie akustische Baken, die einen aufhorchen lassen und eine unterschwellige Nervosität befördern.

Für einen Mann weckt der Themenkomplex Frau aufgrund unterschiedlicher Vorurteile und patriarchalischer Urängste schlichtweg ein gewisses Maß an Unsicherheit. Neben dem latenten Gefühl eines Bedrohtseins ist der Grat zu unbewusst chauvinistischen Verhaltensweisen deshalb manchmal schmal. Ich nehme mich davon an mancher Stelle nicht aus und doch denke ich, dass diese Unsicherheit unbegründet ist.

Thematisiert gehört sie dennoch, denn es geht ja nicht darum, dass irgendjemandem etwas weggenommen wird oder der berufstätige Mann auf die Liste der bedrohten Arten gesetzt werden soll. Es geht darum, das große Ganze ein Stück besser zu machen und dazu die Stärken beider Geschlechter zu vereinen, anstatt sie zu separieren.

Interessante Redner für ein komplexes Thema

Umgekehrt finde ich es auch nicht leicht, dieses Thema inhaltlich zu adressieren. Eine Frau zu sein, ist ja kein Manko an sich. Einen Missstand zu thematisieren sollte deshalb nicht als Hilferuf, Entmündigung oder Anklage verstanden werden, sondern vielmehr als Anstoß einer Diskussion. Womit wir bei der DLD Women wären. Bei sommerlichem Wetter lud das durch den Medienkonzern Burda veranstaltete Event nach München ein und wählte für die Einrahmung vorwiegend Outdoor-Locations, die das sonst manchmal verbissen anmutende Thema nahezu luftig-leicht erschienen ließen. Gastgeberin Steffi Czerny und Chairwoman Maria Furtwängler-Burda empfingen ihr Publikum gut gelaunt nahe der Nymphenburg und gaben der DLD Women insgesamt einen herzlichen Münchener Anstrich.

Wer schon einmal auf der regulären DLD war, findet auf der DLD Women ebenfalls den hohen Professionalitätsgrad vor, der das Urformat in Kombination mit seinen namhaften Gästen zu einer echten Institution in Deutschland gemacht hat. Auch auf der DLD Women fanden sich so potent besetzte Gesprächsrunden, wenn etwa Bundesministerin Ursula von der Leyen mit der ehemaligen norwegischen Staatssekretärin für Arbeit Gina Lund und Antonella Mei-Pochtler von BCG über die Frauenquote diskutierte oder G+J-Chefin Julia Jäckel unter anderem mit Watchever-CEO Sabine Anger und der Psychoanalytikerin Susie Orbach über den Einfluss der Medien auf das Selbstverständnis sinnierte.

In Kombinationen wie diesen zeigte sich eine gewisse Intelligenz der Rednerwahl, während mit Rednern wie Ellora Israni und Ayna Agarwal, die mit der Gründung der She++-Bewegung Programmieren für Frauen attraktiver machen wollen, auch für abwechslungsreiche Newcomer gesorgt war. Wer nun aber glaubt, dass lediglich weibliche Redner auf der DLD Women anzutreffen sind, wurde mit männlichen Vertretern wie dem israelischen Seriengründer Yossi Vardi oder dem hochdekorierten Chemie-Wissenschaftler Carl Djerassi eines besseren belehrt. Wenn es inhaltlich etwas anzumerken gibt, dann wohl nur, dass die Vorträge der DLD Women zu großen Teilen an Interaktivität vermissen ließen und mitunter zu einem gewissen Frontalunterricht gerieten. Aber immerhin ein Frontalunterricht, dem es Spaß machte beizuwohnen und der Themen von gesamtgesellschaftlicher Relevanz mit sehenswerten Gästen anschnitt.

Events leben von den Menschen

Am Ende des Tages bleibt neben der inhaltlichen Betrachtung aber festzuhalten, dass Events von den Menschen leben. Einerseits von den Menschen hinter dem Event, wo wohl vor allem Organisatorin Steffi Czerny zu nennen ist, die mit ihrer herzlichen Art echte Mutterqualitäten beweist, wenn sie einander fremde Gäste unkompliziert zum Netzwerken zusammenführt (hier im Interview mit Gründerszene) und gleichzeitig dem Publikum wichtige Denkanstöße mit auf den Weg gibt, wie etwa, dass Programmieren bereits als Lehrfach in die Schule gehört. Wer ein Event mit so viel Herz organisiert wie sie und dabei noch die umfangreiche Rückendeckung bis hin zu Hubert Burda persönlich genießt, legt das Fundament für Erfolg. Und im Falle der DLD hat dieser sich ja schon auf weitere Formate ausgeweitet.

Zum anderen sind auch die Menschen auf einem Event ein wichtiger Gradmesser für dessen Qualität. Und bei allen Klischées und Vorurteilen kann ich dennoch bestätigen, dass die Gesprächsthemen auf einer frauendominierten Veranstaltung merklich anders ausfallen. Ich wohnte Unterhaltungen bei, in denen Frauen sich austauschten, wie sie ihre Kinder- und Hochzeitsplanung vornehmen wollten und dass ihr Partner es doch für selbstverständlich nähme, dass sie und nicht er ihren Beruf pausierten. Es wurde gefragt, woher das Gegenüber das Kleid habe oder wie der eigene Mann denn mit der Berufstätigkeit seiner Frau umgehe. Eine Gründerin erzählte, dass sie beim Investoren-Pitch vor einem namhaften britischen Geldgeber gefragt wurde, ob sie und ihre Mitgründerin denn lesbisch seien. Selbst bei einer Beschwerde hätte es geheißen, dass sie die Frage doch nicht beantworten müssten.

Mehr als Schnitzel

Eine unternehmerische Frau beschäftigen mitunter also durchaus andere Dinge als die männliche Zunft und im Gegensatz zu männlich dominierten Veranstaltungen, wo es gerne mal darum geht, wer den höchsten Umsatz aufweist oder mit dem Porsche angereist kam, gab es auf der DLD Women praktisch kein solches Pimmelfechten. Vielleicht weil es einfach weniger Pimmel gab. Ich für meinen Teil habe den Eindruck bestätigt bekommen, dass die Unternehmenswelt wohl ein ganzes Stück angenehmer (und womöglich auch effektiver) wäre, wenn es mehr Frauen in Führungspositionen gäbe. Selten habe ich so viele Kontakte auf einem Event gemacht und dabei so angenehme, statusfreie Gespräche geführt. Der einzige Nachteil war aus männlicher Sicht am Ende vielleicht der Umstand, dass auf der DLD Women die Frage nach einem Schnitzel oder Steak zum salatdominierten Mittagstisch als Scherz abgetan wird – aber auch das wird mein Körper mir letztlich wohl eher danken.

Titelbild:Copyright Alle Rechte vorbehalten von DLD Conference
Weiteres Bild: Miriam Neubauer