dritte grundergeneration

Deutsche Internetgründer: Erst seit zwei Generationen

„In der letzten Zeit gab es viele Diskussionen über das Startup-Ökosystem in Deutschland, und besonders die Rolle Berlins darin. Allerdings wurde viel weniger über die Rolle der deutschen Gründer und ihren Einfluss auf dieses Ökosystem gesprochen. Das gesamte Jahr über habe ich die Entwicklung vieler Gründer mitverfolgt und mir ist dabei einiges in den Sinn gekommen – mehr dazu gleich. Wenn Fremde, und besonders ausländische Investoren, auf Deutschlands Gründer blicken, fehlt mir immer ein bißchen die Anerkennung fürs deutsche Startup-Ökosystem“, schreibt T-Venture-VC Thomas Grota in seinem neuesten Blog.

„Während das VC-Geschäft noch relativ jung ist und seit weniger als 30 Jahren existiert, ist die Tradition der deutschen Internet-Gründer sogar noch jünger. Im Prinzip gibt es nur zwei Generationen von Internet-Gründern: Diejenigen, die ihr erstes Unternehmen Mitte der 1990er Jahren aufgebaut haben und diejenigen, die damit in der Mitte der 2000er Jahre begonnen haben. Sehr wenige Gründer waren damals erfolgreich und noch weniger wurden „serial entrepreneurs“ wie etwa Marco Boerries, Klaas Kersting und andere.

In dieser Zeit war auch Stefan Schambach einer der ganz wenigen, die ihren Erfolg wiederholen konnten. Genauso wie Intershop ging Schambachs zweite Firma, Demandware, an die Börse. Das war im März 2012. (T-Venture, hatte übrigens in beide seiner Firmen investiert).

Während im Silicon Valley jede Menge junger Gründer bereits Erfahrungen im Aufbau mehrerer Internet-Unternehmen und im Einsammeln von Venture-Capital haben, sind die Kenntnisse über Abläufe und Regeln des Startup-Geschäfts in Deutschland größtenteils immer noch eher unterentwickelt. Auch wenn einige Universitäten inzwischen angefangen haben, verschiedenste Vorlesungen und Kurse, ja manchmal ganze Studiengänge dazu anzubieten.

Es ist einfach noch nicht selbstverständlich, dass deutsche Gründer Ahnung von der Gesamtheit aller betriebswirtschaftlichen Prozesse und Metriken von VC-Investmentrunden haben. Deutsche Gründer wissen oftmals nicht, was sie sich für die Zukunft verbauen, wenn sie zu früh zu viele Anteile abgeben und/oder lieber weniger Geld in frühen Runden nehmen. Vieles hat sich da schon in den letzten Jahren getan, aber es gibt noch eine Menge mehr zu tun, um eine solide Basis für die Gründungskultur in Deutschland zu entwickeln.

Einer 3. Gründergeneration den Weg bereiten!

Während einige VCs zurecht bereits öfters darauf hingewiesen haben, das Unerfahrenheit oft ein Problem während des Fundraisings ist, glaube ich, dass es die Pflicht von Mentoren, VCs und Business Angels im deutschen Startup-Ökosystem ist, den Gründern das Wissen über das „company building“ zu vermitteln. Es muss eine nächste Generation geben, quasi eine 3. Gründergeneration in Deutschland. Basierend auf den Zahlen erfolgreicher Startups und Exits werden wir eine ausreichende Anzahl fähiger deutscher Gründer nicht durch organisches Wachstum erreichen.

Wir müssen entweder Gründer aus anderen Ökosystemen, wie den USA, Großbritannien oder Skandinavien „importieren“ (Soundcloud ist dafür ein gutes Beispiel) oder unser Mentoring-System noch stärker ausbauen, um gute Gründer in ausgezeichnete Gründer zu verwandeln. Dies muss innerhalb der nächsten fünf Jahre passieren!

Externe, aber auch lokale Investoren, stehen vor der Herausforderung, die Qualität unseres Ökosystems zu verbessern. Dies kann aber nicht allein durch Investments erfolgen. Es braucht viel Zeit und Aufwand, um das Fundament erfolgreicher Startups aufzubauen. Während in London und den USA Finanzierungen und Zugang zu großen Netzwerken an Mentoren die effizienteste Unterstützung für Gründer darstellen, sind es in Deutschland eher Erfahrungswerte und das Begleiten durch die verschiedenen Phasen des Lebenszyklus eines Unternehmens.

Ich freue mich auf diese neue Investoren, die nach Deutschland kommen werden, um dabei zu helfen, das Fundament für die nächste Gründergeneration zu legen. Aber, liebe Investorenkollegen, seid darauf vorbereitet, dass dies keine leichte Aufgabe sein wird! Und es wird ein langsamer Prozess sein, um die oben genannten Ökosysteme einzuholen.

Wenn viel Kapital auf einen Gründer-Mangel trifft…

Ich sitze hin und wieder in der Jury bei verschiedenen Pitching-Events. Und da gibt es eine Tendenz, die uns allen immer wieder auffällt: Deutsche Gründer können nicht pitchen! Und wirklich, wir sehen nur selten wirklich gute, überzeugende Pitches. Es hat sich in dieser Hinsicht zwar schon etwas getan, es ist aber immer noch sehr stark abhängig von der Unterstützung der Mentoren, wie gut Gründer ihre Geschichten vorstellen können.

Außerdem stehen wir in Deutschland vor einem weiteren fundamentalem Problem: Es gibt (so gut wie) keine Aqui-Hires („Talentzukäufe“) und frühe Exits. Das ist in Großbritannien und den USA viel gängiger. Das hat auch negative Auswirkungen auf Erfahrungswerte, Anzahl von Exits, Performance von Inkubatoren und die Möglichkeit von Serien-Gründern junge Unternehmen in der frühen Phase mit ihrem eigenen Geld zu finanzieren.

Es gibt einen Mangel an ausgezeichneten Gründern. Und diese Lücke wird es in Deutschland noch einige Zeit geben. Es wird also auch interessant sein, was passiert, wenn viel VC-Kapital auf einen lokalen Markt mit diesem Mangel an hervorragenden Gründern trifft, die mit diesem vielen Geld, das aktuell zur Verfügung steht, eine Firma richtig groß aufziehen können.

Einige wenige nehmen das Geld bereits, um einen globalen Roll-Out ihrer Produkte zu finanzieren. Aber viele andere scheitern schon daran, ihr Konzept potenziellen Investoren verständlich zu erklären und ihre Ideen auch umzusetzen. So werden diese es auch schwer haben, das große Investment zu sein, nach dem alle VCs suchen. Wir werden auch hier noch mehr Zeit brauchen, um das Fundament für noch größere Finanzierungssummen, die Gründer auch effizient anlegen können, zu legen.

The next BIG Thing…

Wir Investoren werden immer wieder auf Panels und Events gefragt, was denn nun das „nächste große Ding“ sein wird, in das es sich zu investieren lohnt? (Als Randnotiz sei gesagt, dass Investoren in einer immer größer werdenden Equity-Blase agieren und somit ein systemimmanentes Risiko haben.) Ich glaube deshalb, dass die nächsten wichtigen Startups aus zwei Bereichen kommen werden:

a) die Sicherheit von Daten und digitalen Gütern: Die Skandale um die NSA und dem britischen Geheimdienst GCHQ – zumindest aus deutscher Sicht sind es Skandale – haben ein großes Thema in die kollektive Wahrnehmung katapultiert: Wie sicher sind eigenlich meine Daten und digitalen Güter, wie Videos, Grafiken, Musikdateien und Texte? Kann Benutzerfreundlichkeit alle Bedenken hinsichtlich meiner Privatsphäre wegwischen? Kann „for free“ ein angemessener Preis für jedwede Technologie sein, die ich nutze, um meine Videos, Fotos etc. zu speichern? Ich glaube nicht daran; und die meisten Internet-Nutzer stimmen mir da anscheinend zu.

Diesem Thema wird in Zukunft mehr Aufmerksamkeit geschenkt, und es wird mehr Unternehmen geben, die an Lösungen arbeiten, die einen hohen Grad an Benutzerfreundlichkeit und Zuverlässigkeit mit einem erschwinglichen Preis verbinden. Es wird Zeit und Geld brauchen, um diese Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln. Aber es werden erfolgreiche Geschäftsfelder werden!

b) an Hardware gebundene Services: Während clevere Leute wie Marc Andreessen sagen, dass Software zukünftig „die Welt regieren“ werde, möchte ich dem doch ein wenig widersprechen. Wie iPhone, iPad, Samsung Gear und das in der Entwicklung befindliche Lima zeigen, finden Services immer mehr Fans und Kunden, wenn sie mit bestimmter Hardware gekoppelt sind. Es geht um die Integration dieser Dienste in das tägliche Leben.

Wir wollen uns nicht der Software unterwerfen und mit jedem Update wieder von vorne anfangen. Hinsichtlich der Diskussion um die Datensicherheit ist es auch verständlich, dass es eine enge Verknüpfung zwischen der Software und der Hardware, mit der sie verwendet wird, braucht. Ist diese zu durchlässig, gibt es einen viel zu großen Spielraum für jedwede Art von Eindringlingen – sei es in Form von schädlichem Code oder um Daten abzufangen.

Ich glaube, es werden interessante letzte Wochen im Jahre 2013. Und wir werden noch einige Neuigkeiten für deutsche Gründer hören und lesen. Auch hoffe ich, dass wir Teil der zukünftigen Erfolgsgeschichten sein werden.“

Übersetzung aus dem Englischen: Patrick Steller

Foto: Bart Simpson Chalkboard Generator