Digitales Europa

Eine umfassende Startup-Agenda

Seit Jahren hört man das Mantra, dass Deutschland eine Gründungskultur braucht. Auch der Koalitionsvertrag legt den Schwerpunkt auf das Fördern von Existenzgründungen. So wird der High-Tech Gründerfonds als ein taugliches Instrument zur Frühphasenfinanzierung von Technologie-Startups hervorgehoben und angekündigt, die steuerlichen Bedingungen für Wagniskapital international wettbewerbsfähig zu gestalten.

Dies sind wichtige Ansätze. Eine umfassende Startup-Agenda muss allerdings breiter aufgestellt sein. Deutschland braucht mehr Unternehmungsgründungen. Keine Frage. Aber ohne einen umfassenderen Ansatz, der auch auf Wachstum und Internationalisierung setzt, wird man wenig erreichen. Denn was nutzen tausende Unternehmungsgründungen, wenn die jeweiligen Geschäftsideen sich nicht am Markt etablieren können?

Wir müssen endlich konkrete, politische Handlungsstrategien entwickeln, die über rhetorische Unterstützung hinausgehen. Der politische Ansatz beschränkt sich zu oft darauf, darüber nachzudenken, was die Politik tun kann anstatt zu diskutieren, was junge Unternehmen brauchen. Es geht dabei nicht darum, der Politik neue Aufgabenfelder zu erschließen, sondern darum, die Wachstumshindernisse für Startups zu identifizieren. Aus dieser Analyse lassen sich entweder spezifische, politische Handlungsoptionen ableiten oder es wird ein besseres Verständnis der Marktkräfte entwickelt, die man besser sich selbst überlässt.

Startup-Ökosystem als Ganzes betrachten

Die richtige Entscheidung zu treffen, wo staatliche Interventionen oder das freie Spiel der Märkte der beste Ansatz ist, ist eine große Herausforderung. Diese meistert man nur, wenn man nicht nur Unternehmensgründer befragt, sondern sich mit dem Startup-Ökosystem insgesamt beschäftigt und Investoren, Sozialunternehmer, Rechtsexperten und bereits etablierte Unternehmen mit einbezieht. Genau dieses Konzept haben wir verfolgt, als wir unterschiedliche Stakeholder im Forum Digitale Agenda zusammengebracht haben.

Wir haben gemeinsam diskutiert, wie man die Rahmenbedingungen für Startups insgesamt verbessern könnte. Herausgekommen ist eine Startup-Agenda, die der Politik konkrete Empfehlungen zur Förderung des Startup-Sektors an die Hand gibt. Dabei stehen Wachstum und Internationalisierung als wichtigste Zielvorgaben im Mittelpunkt.

Regulatorische Rahmen für Investitionen

Ausgangspunkt ist der regulatorische Rahmen für Investitionen, ohne die weder Gründungen noch Wachstum möglich wären. Wenn es um Wachstum geht, werden viele Startups von Regeln gebremst, die für große Unternehmen Sinn ergeben aber Startups stark benachteiligen. So können Startups oftmals nicht Verlustvorträge geltend machen, weil in der Aufbauphase in der Regel gesetzliche Grenzen überschritten werden und mehr als 50 Prozent der Geschäftsanteile beim Einstieg von Investoren den Besitzer wechseln.

Ein weiteres Beispiel. Startups sind oftmals nicht nur durch Eigenkapital sondern auch durch Darlehen finanziert. Verzichtet der Darlehensgeber zu einem späteren Zeitpunkt zu Gunsten von Unternehmensanteilen auf seine Forderung, unterliegt der Darlehensbetrag als außerordentlicher Ertrag für das Startup-Unternehmen der Besteuerung. Das heißt ein Startup muss gerade zu dem Zeitpunkt Steuern aufwenden, wenn es zum Beispiel aufgrund mangelnder Liquidität versucht Darlehen mit Unternehmensanteilen auszulösen. Hätte der Investor den Betrag unmittelbar als Eigenkapital zur Verfügung gestellt, wäre kein Steuerfall eingetreten.

Eine eigene rechtliche Form für Startups

Für große Unternehmen ergeben diese Regelungen durchaus Sinn. Daher plädieren wir auch nicht für ihre Abschaffung. Stattdessen schlagen wir vor, eine eigene rechtliche Form für Startups zu schaffen. Solange junge Unternehmen die Kriterien eines Startups erfüllen, sollten sie von diesen diskriminierenden Regelungen ausgenommen werden. Sobald ein Unternehmen die für Startups typischen Merkmale von geringer Größe bei hohem Wachstum nicht mehr erreicht, gelten die mit der Startup-Phase verknüpften Regelungen nicht mehr.

Mit der Einführung einer Startup-Phase signalisiert die Politik, dass sie die besonderen Herausforderungen und Anforderungen, die Unternehmensgründer im Gegensatz zu etablierten Unternehmen bewältigen müssen, versteht. Mit unserem Vorschlag sind nicht unbedingt weniger Steuereinnahmen verbunden. Statt wegen oben aufgeführter Regelungen in Existenznot gebracht zu werden und womöglich zahlungsunfähig zu werden, würden durch unsere Vorschläge die Erfolgschancen von Startups und somit auch langfristig die Möglichkeiten für Steuereinnahmen verbessert.

Internationalisierung erleichtern

Nachhaltiges Wachstum ist ohne Internationalisierung nicht zu erreichen. Wir brauchen daher eine Startup-Politik, die internationale Wachstumspotenziale für Unternehmensgründer in Deutschland erschließt. Das Werben für den Technologiestandort Deutschland ist ein wichtiger Ansatz – reicht aber nicht aus. Zusätzlich können englischsprachige Dienstleistungen der Ämter und Behörden ausländischen Investoren und Fachkräften den Zugang zum deutschen Markt erleichtern.

Nicht nur Sprachgrenzen sondern auch unterschiedliche Regulierungsstandards erschweren deutschen Startups schnelle Expansion in die Märkte anderer EU-Staaten. Hier wäre zum Beispiel ein europaweit gültiger Rechtsrahmen für Unternehmensgründungen ein großer Fortschritt. Die EU bietet deutschen Startups einen großen Binnenmarkt. Das Potenzial des Binnenmarktes wird aber nicht voll genutzt. Einheitliche Datenschutzregeln innerhalb der EU, die Rechtsunsicherheiten und Kosten für Sonderlösungen minimieren, würden die Internationalisierung für Startups deutlich vereinfachen.

Die Möglichkeit, schnell innerhalb der EU zu expandieren, würde zudem außereuropäische Investitionen in deutsche und europäische Startups attraktiver machen. Bessere Wachstumsmöglichkeiten in Europa würden deutsche Startups auch besser für den Eintritt in den amerikanischen Markt vorbereiten. Schließlich ist globale Wettbewerbsfähigkeit nach wie vor nur über den amerikanischen Markt und den damit verbundenen Wettbewerb um amerikanische Kunden, Kapital und technologisches Know-How zu erreichen. Unter diesen Aspekten ist auch ein transatlantisches Freihandelsabkommen, wenn es sowohl amerikanische Investitionen als auch den Eintritt in den amerikanischen Markt vereinfacht, für die Internationalisierungschancen deutscher Startups wichtig.

Konkrete politische Maßnahmen einleiten

Startups sind in aller Munde. Das Potenzial von Startups als Motoren für Innovation und Wachstum ist unbestritten. Jetzt ist es an der Zeit, konkrete politische Maßnahmen einzuleiten, damit dieses Potenzial auch freigesetzt werden kann. Dafür muss sich die Politik ernsthaft mit dem Startup-Ökosystem auseinandersetzen. Basierend auf einer umfassenden Analyse der Probleme und des Handlungsbedarfs können dann auch die richtigen politischen Lösungsansätze entwickelt und umgesetzt werden. Davon würden nicht nur Jungunternehmer profitieren sondern auch die Innovationsfähigkeit der deutschen Wirtschaft insgesamt.

Der vollständige Report lässt sich auf der Webseite der Stiftung neue Verantwortung herunterladen.

Bild: © panthermedia.net Robert Biedermann