Parodont-Gründer Ismail und Hüsnü Özkanli

Es sei ein „altägyptisches Heilmittel“, das bei Parodontose Zahnfleischtaschen schließe und das Zahnfleisch wieder anhefte. Das einzige seiner Art. Weltweit. So pitchten Mitte September die Gründer Ismail und Hüsnü Özkanli in der Vox-Show „Die Höhle der Löwen“ ihr Zahnfleischgel – und hatten prompt Erfolg: Die Investoren Ralf Dümmel und Carsten Maschmeyer investierten freudig 100.000 Euro in das Startup und brachten das Produkt zum Beispiel bei dm und Rossmann groß raus. Zwei Tage nach Ausstrahlung war das Gel ausverkauft. Nach Angaben von DS Produkte gingen mehr als 570.000 Stück im Wert von vier Millionen Euro in diesem Zeitraum über die Ladentheke.

Doch mit den vollmundigen Werbeversprechen der Wunder-Tube ist nun erst einmal Schluss. Per einstweiliger Verfügung untersagte das Hamburger Landgericht am vergangenen Mittwoch der Firma DS Produkte, die das Gel für Investor Dümmel vertreibt, die wichtigsten Werbeaussagen, mit denen die Vorzüge von Parodont in der Sendung angepriesen wurden. 

„Viele kamen und wollten die Wundercrème haben“

Nach Informationen von Gründerszene ist der Apotheker Christian Kraus aus Pforzheim gegen Dümmels Unternehmen vorgegangen. Das erste Mal habe er von Parodont in der Vox-Show gehört, erzählt Kraus. „Als Apotheker wird man da natürlich hellhörig, wenn es um Medikamente, Nahrungsergänzungsmittel oder Kosmetika geht.“ Was er im TV gesehen habe, habe ihn aufhorchen lassen: „Es sind in der Sendung so einige Aussagen gefallen, bei denen ich mir gesagt habe: Moment mal, das kann so nicht sein.“ Auch bei ihm hätten nach der Show viele Kunden in der Apotheke gestanden: „Viele kamen an und wollten diese Wundercrème haben.“

Tatsächlich preisen die Parodont-Gründer in der Show die heilende Wirkung des auf Schwarzkümmelöl basierenden Gels euphorisch als weltweit einzigartigen „Kleber für Parodontose“ an. „Als Apotheker habe ich mich damals schon darüber geärgert“, sagt Kraus heute.

Heilt das Mittel? Oder pflegt es nur?

Das Problem: Wenn ein Mittel tatsächlich eine solche heilende Wirkung hat, braucht es in Deutschland eine Medikamentenzulassung. Die hat Parodont nicht. DS Produkte vertreibt Parodont deswegen als sogenanntes Kosmetikum. Doch die Werbeversprechen gehen nach Meinung von Apotheker Christian Kraus deutlich über das Erlaubte hinaus. „Sie dürfen bei Kosmetika keine pharmakologische Wirkung bewerben. Sie dürfen nicht sagen, es helfe gegen Krankheiten“, kritisiert Kraus‘ Anwalt gegenüber Gründerszene. Kosmetika dienen – anders als Medikamente – lediglich dazu, den Körper zu reinigen, zu parfümieren, sein Aussehen zu verändern, ihn zu schützen oder den Körpergeruch zu beeinflussen. Eine heilende Wirkung darf bei ihnen nicht beworben werden.

Hinter den Kulissen: FitTaste bei Die Höhle der Löwen

Bei der Dümmel-Firma DS Produkte sieht man das anders: „Es gibt weder gegen das Produkt, noch gegen Gebrauchsanleitung oder Verpackungen, oder werbliche Aussagen, gerichtliche Beanstandungen“, sagte Sprecherin Sanja Stankovic gegenüber Gründerszene. „Deshalb distanziert sich DS Produkte weder vom Produkt Parodont-Gel noch von Dr. Özkanli.“ Parodont sei ein kosmetisches Mittel, das vom TÜV Rheinland geprüft und ordnungsgemäß angemeldet worden sei. DS Produkte verweist zudem auf zwei noch unveröffentlichte Studien „mit sehr positivem Ergebnis“. Darin werde Parodont eine „antibakterielle Wirkung“ nachgewiesen, ausgewachsene Bakterienfilme würden jedoch nicht beeinträchtigt. Eine andere Studie bescheinige einen signifikanten Rückgang von Zahnfleischblutungen.

Bild: Vox / MG RTL D / Frank Hempel

Ralf Dümmel als Investor in der Vox-Show „Die Höhle der Löwen“

Trotzdem bleibt der Einwand von Apotheker Kraus bestehen: Handelt es sich bei Parodont um ein heilendes Medikament, das die Dümmel-Firma ohne Zulassung verkauft? Oder ist Parodont – wie der Hersteller DS Produkte argumentiert – nur ein Kosmetikum mit pflegender Wirkung, das Parodontose nicht heilt?

Das Hamburger Landgericht wollte sich zu diesen zentralen Fragen nicht äußern, erließ aber eine einstweilige Verfügung gegen das Marketing: „Da kein hinreichender Nachweis existiert, handelt es sich um eine irreführende Werbeaussage“, heißt es in der Verfügung. Auch der Shoppingsender QVC, in dem das Produkt kurz nach Ausstrahlung der Vox-Show beworben wurde, darf diese nicht mehr wiederholen. Sowohl DS Produkte als auch QVC haben die Möglichkeit, gegen die einstweilige Verfügung Beschwerde einzulegen.

Nun denken beide Seiten über weitere juristische Maßnahmen nach: DS Produkte prüfte derzeit, gegen die einstweilige Verfügung vorzugehen. Und auch Apotheker Christian Kraus überlegt, das Parodont-Produkt per Gericht komplett verbieten zu lassen oder der zuständigen Behörde den Fall vorzutragen. Denn durch die große Reichweite der Vox-Show würden nun Millionen von Konsumenten denken, Parodont heile Parodontose, so Kraus‘ Anwalt. Durch den falschen Eindruck sei das Produkt – selbst als einfache Kosmetik – nicht mehr verkehrsfähig und sollte folglich nicht mehr verkauft werden, argumentiert er.

„Man darf den Verbraucher nicht verarschen“

„Das ist einfach nicht witzig, was da bei der Höhle der Löwen gemacht wurde“, verteidigt Kraus‘ Anwalt das harte Vorgehen seines Mandanten gegen Parodont. „Man darf den Verbraucher nicht verarschen.“ DS-Produkte-Sprecherin Stankovic will diesen Vorwurf auf Anfrage von Gründerszene so nicht gelten lassen: „DS Produkte hat in keinster Weise Kunden getäuscht. Studien belegen die Wirkleistung des Parodont-Zahnfleischpflege-Gels und die vielen zufriedenen Kunden beweisen dieses.“ Ein Verbot des Mittels befürchte man nicht.

Neben einem Verbot stehen auch mögliche Schadensersatzforderungen wegen Einnahmeausfällen im Raum. Diese dürften aber selbst nach Ansicht von Kraus‘ Anwalt schwer zu beweisen sein. „Ich erhoffe mir aber, dass man bei Vox und bei der Höhle der Löwen die Sachen mehr hinterfragt“, sagt Apotheker Kraus.

Die von Kraus erreichte einstweilige Verfügung ist nicht die erste dieser DHDL-Staffel. Bereits beim Handyschutz ProtectPax verbot ein Gericht Ralf Dümmel und DS Produkte vollmundige Werbeversprechen per einstweiliger Verfügung. Am 26. Oktober bestätigte das Landgericht Hagen die Entscheidung und zwang das Unternehmen zu einer Umetikettierung.

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Foto: Bernd-Michael Maurer / VOX