Die eigene Geschäftsidee vor potenziellen Geldgebern und anderen Interessierten zu pitchen, ist eine der Fertigkeiten, die jeder Gründer beherrschen sollte. Und da ein Fahrstuhl ein reichlich ungeeigneter Ort dafür ist, haben junge Startups im Format „Frischlingsfragen“ die Möglichkeit, sich und ihr Geschäftsmodell kurz und präzise vorzustellen: Gründerszene stellt zehn Fragen, und dieses Mal antworten die Gründer von Emphas.is (www.emphas.is).

Emphas.is

Wer seid Ihr und was macht Ihr?

Wir sind Emphas.is und wir produzieren Qualitätsjournalismus durch Crowdfunding. Seit dem Rückgang der Werbung in den Printmedien haben diese kaum mehr Geld für Fotoproduktionen. Innovationen im Medienbereich drehen sich hauptsächlich um Kuration, Aggregation und Reformatierung, nur noch wenige originelle Geschichten werden erzählt. Wir füllen diese Lücke.

Wir ermöglichen Fotojournalisten, ihre Geschichten direkt einem interessierten Publikum vorzuschlagen, das sich dann durch Mikrofinanzierung an dem Projekt beteiligt. Gibt es genügend Interessierte, wird eine Geschichte produziert. Im Gegenzug erhalten die Unterstützer Zugang zum Making-of der Geschichte und einen direkten Draht zum Korrespondenten.

Wir haben bisher über unsere Seite eine halbe Million Dollar für Fotojournalismus einnehmen können und den Fotografen ermöglicht, den illegalen Tierhandel in Asien aufzudecken, sich mit den Männlichkeitsvorstellungen arabischer Männer in der arabischen Welt und im Westen auseinanderzusetzen oder auch die Hinterlassenschaften der Militärdiktaturen in Lateinamerika zu untersuchen.

Hinter jedem Erfolg steckt eine Vision. Wie seid Ihr auf Eure Idee gestoßen?

Die Idee ist an einem Küchentisch geboren. Sie ist aus einer Notlage in den Medien entstanden. Uns war klar, dass der Fotojournalismus dringend neuen Wind und neue Geschäftsideen braucht. Von der Idee bis zum Launch der Webseite hat es ein Jahr gedauert.

Noch wichtiger als die Idee ist häufig das Team. Wer sind die Gründer, was habt Ihr vorher gemacht und wie habt Ihr zueinander gefunden?

Der belgisch-tunesische Fotojournalist und Kriegskorrespondent Karim Ben Khelifa hatte die Idee zu Emphas.is und ist Gründer und CEO der Plattform. Er ist ein Kenner der Medienwelt und hat die Veränderungen in der Fotobranche hautnah miterlebt.

Die Fotoredakteurin Tina Ahrens hat fast zehn Jahre für das Magazin Geo als Fotoredakteurin in Hamburg und im Korrespondentenbüro in New York gearbeitet, bevor sie Emphas.is mitgründete und die Kommunikation und inhaltliche Direktion des Unternehmens übernahm. Sie verfügt über ein internationales Netzwerk an Fotografen und Medienschaffenden.

Der belgische IT-Spezialist Fanuel Dewever ist Mitgründer und CIO von Emphas.is. Seit mehr als zwölf Jahren ist er als Unternehmensberater für Technologiefragen in Belgien tätig.

Design-Direktorin Ine Dehandschutter ist eine mit vielen Preisen ausgezeichnete Webseitendesignerin und führt Matuvu.nu, ein Kommunikationsunternehmen im visuellen Bereich.

Gunter Boutsen ist Emphas.is Corporate Development Manager. Er hatte einen professionellen Werdegang in der Finanz-, Telekommunikations- und Medienbranche. Er weiß Inhalte, Technologien und Geschäftsstrukturen sinnvoll zu vereinigen und kennt die Zahlen.

Viele Gründungsideen sind nicht gänzlich neu. Was ist Euer USP und was macht Ihr anders als alle anderen?

Wir arbeiten an einem Nischenprodukt. Emphas.is ist die Crowdfunding-Plattform der Wahl für Fotojournalismus und visuelle Kommunikation. Die Fotografen, die wir auf Emphas.is gezeigt haben, sind mehrfache World-Press-Photo-Gewinner, Pulitzer-Preisträger, Mitglieder der Agenturen wie Magnum, VII, Panos; sie arbeiten für die New York Times, sind Knight Fellows und TED-Redner. Aber wir stellen auch weniger bekannte Fotografen vor, die noch am Anfang ihrer Karriere stehen. Unser „Review Board“, das die Machbarkeit jedes Projekts beurteilt, besteht aus führenden Mitgliedern in den Bereichen Fotografie und Journalismus.

Das Emphas.is-Konzept gewährt denen, die das Projekt unterstützen, Zugang zum Making-of einer Geschichte, sodass diese die Geschichte von Anfang an begleiten und Zugang zu ungefilterten Informationen direkt von der Quelle bekommen können. Dies wird als Bonus empfunden, für den es sich lohnt, zu zahlen. Der direkte Zugriff auf den Entstehungsprozess reizt viele, gerade auch die, die von den Medien enttäuscht sind. Zunehmend kommen auch Gruppen, mit pädagogischer und wissenschaftlicher Ausrichtung, auf uns zu.

Magazine wie Wired UK, Egoista in Portugal, DU in der Schweiz, Burn Magazine in den USA, Polka in Frankreich und The Guardian in England haben angefangen, Projekte mit der Öffentlichkeit auf Emphas.is zu co-finanzieren. Hilfsorganisationen wie Reporter ohne Grenzen, Amnesty International und das International Rescue Committee sehen die Möglichkeit, Interessengruppen über unsere Plattform zu erreichen. Und Unternehmen wie Canon, Fuji Film und Hasselblad haben begonnen, die Produktion von Geschichten auf Emphas.is mit ihren CSR-Budgets zu unterstützen.

Zu Beginn des Jahres haben wir das Emphas.is-Konzept weiterentwickelt, indem wir die unsere eigene Bücherkollektion gestartet haben. In nur einem Monat haben wir unsere ersten drei Bildbände finanziert bekommen, und haben mehr als 53.000 US-Dollar eingenommen, um die Herstellungskosten der ersten Ausgaben zu decken. Inzwischen verkaufen wir Bücher und Fotografien in unserem E-Store. Bald kommen Workshops dazu.

Zum Business: Wie funktioniert Euer Geschäftsmodell? Und wie groß ist das Marktpotenzial?

Jeder „Unique Visitor“ bringt uns 1,69 US-Dollar. Seit unserem Launch im März letzten Jahres gelingt es, dass 70 Prozent der Projekte auf Emphas.is voll finanziert werden, ohne dass wir einen Dollar in Werbung, PR oder Marketing investiert haben. Damit liegen wir weit über dem Durchschnitt. In diesem Jahr haben wir Crowdfunding für Fotobücher gestartet. Diese Bücher sind inzwischen in unserem E-Store erhältlich.

Der Unternehmenswert unserer Internetplattform wird durch drei Elemente bestimmt:

  • ein transaktionales Geschäftsmodell – Crowdfunding und Verkauf – keine werbungsorientiertes Modell
  • eine starke Marke, die die richtigen Fotografen, „Reviewer“, Geldgeber und Medien-Organisationen anzieht
  • ein starker Netzwerk-Effekt: 42 Prozent der Menschen, die ein Projekt unterstützt haben, empfehlen es weiter.

Die Kombination aus ernsthaften Anliegen, Kommerz und starken Inhalten haben zum erfolgreichen Durchbruch geführt. Das, zusammen mit der umfangreichen Verwendung von sozialen Medien, funktioniert auch als Marketing-Strategie. Da jeder Bilder verstehen kann, ist unsere Reichweite global. 40 Prozent unserer Besucher kommen von außerhalb der USA und Europa. Das öffentliche Interesse am Fotojournalismus ist enorm gestiegen. Um nur eine Zahl zu nennen: 2,5 Millionen Menschen haben die World Press Photo Ausstellung im letzten Jahr in 46 Ländern besucht.

Ideen umzusetzen kostet Geld. Wie finanziert Ihr Euch?

Freunde, Familie und „Angel Investoren“ haben uns den Start ermöglicht. Wir sind gerade mitten in der zweiten Finanzierungsrunde, um das Wachstum und die Diversifizierung unserer Plattform voranzutreiben.

Gibt es etwas, das Euch noch fehlt? Ein Mitarbeiter, ein Investor oder ein Büro?

Es fehlen uns noch genügend Investoren in unserer zweiten Finanzierungsrunde, die nötig ist, um unsere führende Position zu stärken und auszubauen.

Gibt es ein großes Vorbild für Euch?

„The Economist“, die es als Print-Marke geschafft haben, durch Qualität Wachstum zu erzeugen. Um Andrew Rashbass, ihren CEO, zu zitieren: „Mehr und mehr Menschen rund um den Globus wollen von dem, was sie lesen, herausgefordert werden. Es ist eine große Chance für uns und andere Medienunternehmen „Smarting Up“ anstatt Verdummung zu unterstützen. Tablets und Smartphones bieten eine großartige Plattform dafür. Wir sehen, dass Menschen wirklich auf diesen Geräten lesen, und nicht wie im Web nur anlesen, suchen und teilen. Wir sehen es als ein neues Zeitalter des Sofa-Lesens. Wir nennen es Zurücklehnen 2,0.

Stellt Euch vor, Ihr könntet ein Lunch gewinnen. Wen würdet ihr aus der deutschen Startup-Branche gerne mit an den Tisch holen?

Das Team von Betterplace (de.betterplace.org).

Wo steht Ihr heute in einem Jahr?

Noch immer am Küchentisch mit unseren Laptops und Mobiltelefonen, die uns jedes Mal alarmieren, wenn ein Projekt einen neuen Unterstützer hat oder jemand ein Buch bestellt, das keinen Verleger finden aber dank Crowdfunding veröffentlicht werden konnte. Die Beeps sind dann nur häufiger zu hören.