Entrepreneur-als-Coach

Söldner oder Mitstreiter?

Jupp Heynckes hat es in der letzten Saison vorgemacht, wie ein Coach aus einer Auswahl fähiger Individualisten ein Team formt, das gemeinsam mehr erreicht, als es die Summe des Könnens der einzelnen Spieler erwarten lässt. Coaching ist aber längst nicht mehr auf die Domäne des Sports beschränkt und auch Unternehmer können etwas von Coaching-Ansätzen lernen.

Sobald in einem Startup die ersten Mitarbeiter zu den Gründern dazustoßen, scheint sich oft eine Diskrepanz zwischen den Zielen und Motivationen des Unternehmers und der Mitarbeiter zu ergeben. Während der Entrepreneur seine eigenen Ziele setzt und diese eigenständig verfolgt, im Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten arbeitet und sein ganzes Leben eng mit der Unternehmung verbunden ist, so stehen für Mitarbeiter andere Faktoren wie die Sicherheit des Jobs, eine erfüllende Aufgabe und das Eingebettetsein in ein Team im Vordergrund.

Diese Unterschiedlichkeit der primären Ziele führt, wenn sie unerkannt und unadressiert bleibt, zum Problem einer Söldnermentalität, die oft mit hoher Mitarbeiterfluktuation und niedriger Arbeitseffizienz und -produktivität einhergeht.

Um diesen Diskrepanz zu überwinden ist ein gemeinsames Ziel wichtig, ein geteiltes Wissen um die Bedeutsamkeit der Unternehmung – ‘Meaning’. An den Titeln populärer Wirtschaftsbücher, die den Sinn und die Suche danach in den letzten Jahren immer häufiger im Titel tragen, ist ein erhöhtes Bewusstsein für diesen Umstand abzulesen. Aufgrund der auf den ersten Blick oft wenig bedeutsamen Zielsetzungen von Unternehmungen (wie viele Schuh-Verkäufer sind auch leidenschaftliche Schuh-Liebhaber?) ist dies aber nicht immer einfach.

Von einem anderen Blickwinkel aus ist allerdings ein noch tiefer verankertes verbindendes Element erkennbar: Entwicklung. Gemeint ist hier nicht nur der wirtschaftliche Aspekt dieses Prozesses, also Profit und Wachstum, sondern noch grundlegender: menschliche Entwicklung im Allgemeinen. Piaget, Steiner, Aurobindo, Wilber – Begründer und Akteure einer integralen Entwicklungspsychologie – und viele andere beschreiben diesen grundlegenden Entwicklungsprozess, diese dynamische und zyklische Bewegung hin zur Entfaltung und Verwirklichung latenter Potentiale, in der die ganzheitliche Entwicklung des Menschen an oberster Stelle steht.

Welche Relevanz hat dies nun aber für den Entrepreneur? Es stellt sich die Frage wie der Wunsch von Menschen sich zu entwickeln förderlich und effizient mit der Entwicklung des Unternehmens in Einklang gebracht werden kann. Der Coaching-Ansatz zeigt, wie.

Ist alles Coaching gleich?

Coaching ist ein pragmatisches Entwicklungs-Paradigma, das alle Dimensionen des individuellen Wachstums – also Praxis, Kompetenz und Haltung – berücksichtigt und nachhaltige Antworten auf die Frage der praktischen Umsetzung dieser Entwicklung findet. Ausgangsbases der Arbeit im Coaching ist die Annahme, dass die notwendigen Potentiale einer ganzheitlichen Entwicklung bereits in jedem Individuum des Teams vorhanden sind und durch eine gezielte Begleitung gefördert werden können.

Ein populärer Ansatz im Coaching ist die Skill-basierte Entwicklung. Hier lernen die Mitarbeiter durch Erwerb neuer Fähigkeiten und neuen Wissens, Aufgaben effizienter zu erledigen. Somit können sie für eine größere Anzahl unterschiedlicher Aufgaben eingesetzt werden, was dem Unternehmer direkt zugute kommt. In der perspektivischen Entwicklung werden die Mitarbeiter dabei begleitet, neue und erweiterte Perspektiven einzunehmen und somit limitierende Vorannahmen und Haltungen aufzudecken.

Durch das dadurch entstehende Selbstbewusstsein ergibt sich die Möglichkeit, aktiv produktive Einstellungen und eigenständiges, kreatives und unternehmerisches Handeln zu kultivieren. Eine erweiterte Sichtweise auf den Job (“wie tragen meine Aufgaben zu meiner persönlichen Entwicklung bei?”) hilft dabei nicht nur der Unternehmung, sondern kann auch sinnstiftend, motivierend und sogar befreiend für den Mitarbeiter wirken. Im besten Fall werden diese und andere Entwicklungsansätze in einem Coaching-Programm sinnvoll verbunden und harmonisch integriert.

Ein Entrepreneur als Coach begleitet und befähigt das Team also, Potenziale in sich selbst zu entdecken und zu fördern; er gibt Impulse, bietet eine Außenperspektive, hilft dem Mitarbeiter Praktiken zu entwickeln, die dem Aufbau von Kompetenzen und dem Einüben einer erweiterten Perspektive dienlich sind. Desweiteren reflektiert er den Prozess regelmäßig mit jedem Einzelnen. Im Zentrum der Aktivität steht hierbei jedoch immer der Mitarbeiter, der Unternehmer begleitet „nur“.

Coaching passt sich daher immer dem Individuum an, indem die bereits vorhandenen Kompetenzen genutzt werden, um limitierenden Annahmen, Praktiken, Gewohnheiten und Haltungen positiv und produktiv zu transformieren. Zuletzt fordert der Coaching-Ansatz das Team auf, eigene Indikatoren zu entwickeln, die den Fortschritt in Richtung der eigenen und unternehmerischen Ziele messen und vorantreiben.

Wo geht’s zum Training?

Dabei sei zu beachten: der Coaching-Ansatz wird umso effektiver, je mehr der Entrepreneur auf seine eigene Entwicklung achtet. Je vielfältiger die vom Unternehmer wahrgenommenen Möglichkeiten zur Selbstentwicklung, desto kreativer kann er seinen Ansatz zur Befähigung der Mitarbeiter gestalten. Die so geförderten Mitarbeiter werden dem Unternehmer nicht nur durch ein treues und effektiveres Verhältnis danken, sondern sich gleichzeitig auch vollständiger in die Entwicklung des Unternehmens einbringen. Der Entrepreneur als Coach führt damit seine Unternehmung und das Team zu positivem, nachhaltigem und erfüllendem Erfolg.

Bild: Heimspiel by marfis75