Entwicklung Outsourcing Tipps

Ein Beitrag von Sven Krahn, Gründer und CEO der Berliner Software-Agentur Singlepoint GmbH.

Outsourcing sollte zum Geschäftsmodell passen

Jedes Jahr im Herbst veröffentlicht der Hightech-Branchenverband Bitkom neue Zahlen zum Arbeitsmarkt für IT-Fachkräfte. Dieses Jahr fiel die Studie besonders alarmierend aus. 41.000 IT-Spezialisten fehlen aktuell in Deutschland – das entspricht einem satten Plus von 5,1 Prozent gegenüber 2013.

Angesichts des Fachkräftemangels stoßen immer mehr Unternehmen an ihre Wachstumsgrenzen. Branchenübergreifend setzen deshalb schon heute 34 Prozent der Firmen auf externe Dienstleister. Weitere 33 Prozent der befragten Unternehmen gaben bei einer Techconsult-Studie im August an, ihre Entwicklung outsourcen zu wollen. Doch damit sich Outsourcing auch für Startups lohnt, gilt es einige Faktoren zu beachten.

Die Frage, für welche Startups sich Outsourcing eignet, lässt sich nicht pauschal beantworten. Die Anwendungsszenarien sind zu vielfältig und die Geschäftsmodelle zu divers, um eine allgemeingültige Antwort zu formulieren. Vielmehr kommt es immer auf den Einzelfall und auch auf die konkrete Situation an, in der sich ein Startup befindet.

Als Faustformel gilt, dass Startups ihre Kernkompetenz nicht außer Haus geben sollten. Tech-Unternehmen sind gut beraten, intern Teams aufzubauen, deren Mitglieder über die nötige Kompetenz für die Entwicklung und Optimierung ihres Produkts verfügen. Für E-Commerce-Startups kann es nicht zuletzt aus Kostengründen hingegen durchaus Sinn machen, ihre technologische Infrastruktur extern (weiter-)entwickeln zu lassen. Der Shop dient hier als Mittel zum Zweck: Über ihn wird das eigentliche Geschäftsmodell realisiert – der Verkauf von Produkten über das Internet.

Unabhängig vom Geschäftsmodell eignet sich Outsourcing immer dann, wenn einzelne Komponenten oder Module entwickelt werden sollen. Nicht selten kommt es vor, dass Teams ausgelastet sind oder ihre Mitglieder nicht über die temporär benötigten Kompetenzen verfügen. Der externe Dienstleister fungiert in solchen Fällen als verlängerte Werkbank. Er ersetzt die internen Entwickler nicht, sondern ergänzt sie.

Outsourcing ermöglicht schnelles Wachstum, aber gefährdet es den Unternehmenswert?

„Make or buy“, eine der ältesten Fragen der Betriebswirtschaft, gewinnt immer dann an Relevanz, wenn Unternehmen vor der Entscheidung stehen, einzelne Abteilungen oder Arbeitsschritte auszugliedern. Im Startup-Kontext lässt sich diese Frage angesichts des Fachkräftemangels übersetzen in: Langsam oder schnell wachsen? Beide Strategien haben ihre Vorteile, erfordern allerdings unterschiedlich wettbewerbsintensive Märkte. Für Startups in wettbewerbsintensiven Märkten ist es erforderlich, First und Fast Mover zu sein – also notfalls personelle Ressourcen und Expertise einzukaufen.

Die Frage, inwieweit Outsourcing den Unternehmenswert beeinflusst, steht auf einem anderen Blatt. Aufsehenerregende Exits der letzten Jahre wie der von Bigpoint, Teamviewer und Sociomantic haben gezeigt, wie sehr Technologien zum Corporate Value beitragen. Das bedeutet aber nicht, dass extern programmierte Anwendungen oder Funktionen sich im Rahmen der Due Dilligence negativ beziehungsweise nicht wertsteigernd auf die Bewertung auswirken.

Entscheidender als die Frage, wer den Code geschrieben hat, ist die Frage, wer über welche Rechte am fertigen Produkt verfügt. Bei der Gestaltung des Vertrags mit externen Dienstleistern sollten Gründer deshalb sehr akribisch darauf achten, dass sämtliche Rechte an der von ihnen genutzten Software auch wirklich an ihr Unternehmen übergehen. Dass ein Deal – wie zuletzt beim „Die Höhle der Löwen“-Startup Locca – platzt, weil nicht alle Rechte vorliegen, ist wohl eher die Ausnahme. Software kann aber nur dann als Teil der Intellectual Property wertsteigernd wirken, wenn ein Startup sie auch besitzt.

Die Wahl des Dienstleisters stellt verschiedene Anforderungen an den Datenschutz

Wenigstens genauso entscheidend wie die Frage nach den erworbenen Rechten sind datenschutzrechtliche Details bei der Beauftragung von externen Dienstleistern. Grundsätzlich nimmt das Bundesdatenschutzgesetz das outsourcende Unternehmen in die Pflicht, beim Dienstleister selbst dann ein „angemessenes Datenschutzniveau“ sicherzustellen, wenn dieser nur Zugriff auf personenbezogene Daten des Unternehmens erhält, die eigentlichen Daten aber im Unternehmen verbleiben. Verstöße werden von den Aufsichtsbehörden mit Sanktionen bis hin zu teils empfindlichen Bußgeldern geahndet.

Entscheidend für die Beurteilung, wann ein „angemessenes Datenschutzniveau“ gewährleistet ist, ist der Standort des beauftragten IT-Dienstleisters. Unterscheiden lässt sich zwischen Dienstleistern, die im Europäischen Wirtschaftsraum sitzen, und Unternehmen, deren Sitz in Nearshore-Staaten wie Armenien, der Ukraine oder Rumänien oder in Offshore-Staaten wie Indien oder Vietnam ist:

  1. Bei europäischen Staaten gehen die Behörden aufgrund der einheitlichen Gesetzgebung grundsätzlich von einem „angemessenen Datenschutzniveau“ aus.
  2. Fällt die Wahl – meist aus Kostengründen – auf einen nicht-europäischen Dienstleister, müssen die von der EU-Komission verfassten, so genannten „Standardklauseln für Auftragsdatenverarbeitung“ in den Vertrag aufgenommen werden.

In beiden Fällen empfiehlt es sich, nicht nur theoretisch auf der sicheren Seite zu sein, sondern auch sicherzustellen, dass die Anforderungen an Datenschutz und Datensicherheit tatsächlich auch praktisch umgesetzt werden.

Das richtige Projektmanagement ist beim Outsourcing erfolgsentscheidend

Wer denkt, Outsourcing sei eine Möglichkeit, ohne größeren internen Aufwand Projekte realisieren zu lassen, täuscht sich. Vielmehr hat es sich in der Praxis als nötig erwiesen, als Auftraggeber einen festen Mitarbeiter wenigstens für einige Stunden pro Woche für das Projektmanagement abzustellen. Der direkte Kontakt zum Dienstleister ist unverzichtbar, denn viele Fragen entstehen meist erst während der eigentlichen Arbeit am Projekt und sollten zeitnah beantwortet werden können, um dessen Fortlauf nicht zu verlangsamen.

Wenigstens genauso entscheidend wie die direkte Kommunikation ist der persönliche Kontakt. Insbesondere bei der Offshore- und Nearshore-Softwareentwicklung empfiehlt sich wenigstens ein Besuch des Dienstleisters. Erwartungshaltungen können im direkten Dialog besser kommuniziert werden. Zudem steigern gemeinsame Erlebnisse die Motivation der eingesetzten Entwickler, sich für den gemeinsamen Erfolg einzusetzen.

Nicht zuletzt sollten sich auftragende Startups vertraglich das Recht vorbehalten, Zwischenstände einzusehen und – wenn nötig – Änderungen am laufenden Projekt vornehmen zu lassen. Gestaltet sich die Kommunikation mit dem Dienstleister aufgrund der persönlichen Nähe problemlos, ist diese Vertragsklausel eher obsolet. Im Zweifelsfall ist es aber auch beim Outsourcing immer besser, Rechte schriftlich zu fixieren.

Bild: © panthermedia.net / Rancz Andrei