Erdbär, Freche Freunde
Erdbär, Freche Freunde Mögen Obst und Gemüse: die Erdbär-Gründer Natacha und Alexander Neumann

Wenn Kinder Hunger haben, haben sie Hunger. Dann muss Essen her und zwar sofort – auch wenn man gerade unterwegs ist, kein Bäcker in Sicht ist und der nächste Supermarkt viele Gehminuten entfernt ist. Für solche Fälle bietet das Ehepaar Alexander und Natacha Neumann mit ihrem Unternehmen Erdbär Snacks aus Obst und Gemüse an, die den Kleinen nicht nur schmecken, sondern auch gesund sein sollen.

Bis zum Jahr 2010 arbeiteten die beiden in Marketing-Abteilungen von Großkonzernen in der Schweiz, Alexander bei Nestlé, Natacha bei dem Pharmariesen GlaxoSmithKline. Doch als sie Verwandte in den USA besuchten, fiel ihnen auf, dass man dort eine Vielzahl an Produkten kaufen konnte, die gesund und spaßig für Kinder sein sollten. „Bei uns gab es zu der Zeit vor allem klassische Babykost und Süßigkeiten – und kaum etwas dazwischen“, sagt Alexander und seine Frau ergänzt: „Wie konnten nicht glauben, dass die Nische so wenig besetzt war.“

Werbung mit Wackelaugen

Deshalb kündigten die beiden ihre bisherigen Jobs und gründeten im November 2010 in Berlin ihre Firma für gesunde Snacks. Die Zielgruppe: Kinder von eins bis sechs Jahren. „Freche Freunde“ heißt ihre Marke, auf der Verpackung sieht man Fotos von Obst und Gemüse – und jedes trägt zwei aufklebbare Wackelaugen. Das soll Kinder ansprechen: „Die Kinder sollen sich mit gesunden Lebensmitteln anfreunden“, sagt Alexander. An die Eltern richtet sich dagegen der Hinweis, dass die Ware bio ist. Auf Zusatzstoffe wie Zucker oder Geschmacksverstärker werde verzichtet, alles sei so pur wie möglich, so der Gründer.

Eines ihrer Hauptprodukte ist ein sogenannter Quetschie, also Obst- und Gemüse-Brei in der Tüte, den die Kinder durch eine Öffnung heraussaugen. Damit gingen die Neumanns im Einzelhandel hausieren und hatten es erstmal schwer. Viele Einkäufer wussten nicht, was sie mit den neuen Lebensmitteln machen sollten. Aus den Quetschies hätte so mancher Supermarktbesitzer beispielsweise versucht zu trinken, in dem er sich den Brei in den Mund schütten wollte, erzählt der Gründer.

Auch bei der Platzierung waren sich manche Händler unsicher. Sollten die Snacks zu den Süßigkeiten? Oder ins Babyregal? „Wir wollten, dass sie den Babybereich um das Kleinkindersegment erweiterten“, sagt Natacha.

Um die Lebensmittel herzustellen, nutzen die beiden ihre Ersparnisse, unter anderem lösten sie einen Rentenfonds auf, um Verpackungen zu kaufen, sagt Alexander. Außerdem fragten sie im Freundeskreis nach Startkapital. 2013 sammelten sie bei einer Seedmatch-Kamapgne 250.000 Euro von der Crowd ein. Das Kampagnenziel erreichten sie schon nach acht Stunden. Damit hätten sie nicht gerechnet, erzählt Natacha – nicht nach den ersten zähen Monaten im Einzelhandel.

Neue Märkte in Fernost

Mittlerweile hat Erdbär 40 Produkte für Kinder im Angebot, wie Nudeln, Riegel, Müsli und Knabbersachen. Die Produkte kann man in den großen Supermarktketten kaufen, in Drogerien, in Bioläden, in Zügen der Deutschen Bahn und etlichen Online-Shops. Und es gibt sie mittlerweile in fünf Ländern, beispielsweise in Polen, China und Südkorea.

Während das Gründerpaar in den ersten 1,5 Jahren ihr Startup zu zweit managte, sind sie heute 45 Mitarbeiter. Fünfmal mussten sie sich deshalb ein neues, größeres Büro suchen. „Wir sind organisch, aber stetig gewachsen“, sagt Alexander. Im vergangenen Jahr machten sie 12,5 Millionen Euro Umsatz, in diesem sollen es 20 Millionen werden. Und eine weitere Marke bauen sie gerade auf: Helden Snacks heißt sie, das Prinzip ist ähnlich wie bei Freche Freunde, nur die Zielgruppe ist älter. Es handelt sich um Knabbersachen für Schulkinder.

Die Konkurrenz hat riesige Werbeetats

Wenn man heute in eine Drogerie geht, findet man dort neben Frechen Freunde viele weitere Snack-Marken für Kinder. Sie heißen zum Beispiel Fruchtbar, Mogli und Cool Fruits und stammen von Startups oder traditionellen Herstellern wie Hipp, Alete oder Babylove. „Der Markt wächst schnell“, erzählt Alexander.

Die zwei Gründer sehen die größten Konkurrenten allerdings nicht in den neuen Startups, sondern in den Anbietern von Milchschnitte und Co, also in Großkonzernen. „Sie verkaufen Süßigkeiten und tun dann auch noch so, als ob die gesund seien“, so der Gründer. Die Firmen trügen mit riesigen Werbeetats dazu bei, dass viele Kunden gar nicht wüssten, wie viel Zucker und Fett sich in den Lebensmitteln befänden: „Sprüche wie Vitamine, Naschen und das Gute aus zwei Glas Milch sind einfach irreführend.“

Obst oder Süßigkeit? 

Kritik gibt es trotzdem: Verbraucherschützer testeten verschiedene Quetschie-Sorten und befanden, dass zu wenig gekennzeichnet werde, dass die Obstbreie süß seien. Fruchtsüße sei für den Körper im Grunde nichts anderes als Kristallzucker, heißt es in der Studie. Der Rat der Verbraucherschützer: Konsumenten sollten die Quetschies eher als Süßigkeit ansehen, also damit lieber Schokolade als Obst ersetzen. Außerdem erzeugten die Verpackungen eine Menge Müll.

Die Argumente weist Natacha zurück. „Unsere Snacks sollen in keiner Weise frisches Obst und Gemüse ersetzen, sondern eine Alternative bieten, wenn mal kein frischer Apfel zur Hand ist“, sagt sie und fragt, durchaus empört: „Warum fragt eigentlich keiner bei Schokoriegeln nach der Verpackung?“ Und dennoch: Um den Kritikern zu begegnen, lassen die Gründer ihre Brei-Beutel mittlerweile von einer Firma sammeln  und recyclen.

Bild: Erdbär