Das Problem ist allein die Höhe der Vergütung

Anfang der Woche ging ein Raunen durch das Netz. Am Montag zog die amerikanische Sängerin Taylor Swift ihre Musik aus dem Streamingdienst Spotify zurück. Bereits ihre letzten beiden Platten waren erst nach ein paar Wochen per Stream zu hören gewesen. Jetzt setzt Swift ganz auf CD- und Mp3-Verkäufe. Sie kann es sich allerdings auch leisten. Ihre neue Platte „1989“ verkaufte sich ohne Spotify in sieben Tagen 1,287 Millionen Mal. Auch die Swift-Alben davor überschritten die Millionengrenze. Das ist heutzutage die absolute Ausnahme. Der letzte Künstler, dem das innerhalb einer Woche gelang, war Eminem im Jahre 2002 mit „The Eminem Show“. Spotify schrieb im firmeneigenen Blog: „Taylor, wir waren beide jung, als wir dich zum ersten Mal sahen. Aber jetzt wollen mehr als 40 Millionen von uns, dass du bleibst, bleibst, bleibst. Das ist eine Liebesgeschichte, Baby. Sag einfach Ja.“

Nein zu Spotify sagt jetzt auch die Band Erdmöbel aus Köln. Mit den eigenwilligen Texten ihres Sängers Markus Berges, klassischem Songwriting und der ausgefeilten Produktion ihres Bassisten Ekki Maas gehören sie zu den wichtigsten Bands in Deutschland. Im Interview spricht Maas über das schwierige Leben von Bands im Zeitalter des Streamings.

Erdmöbel haben sich entschieden, ihre Musik nicht mehr auf Spotify zur Verfügung zu stellen. Warum?

Die Einnahmen gehen zurück. Bei gleichbleibender Aufmerksamkeit durch das Publikum. Außerdem tauchen plötzlich Gratis-Streams auf, die als Bonus zu einem Handyvertrag verschenkt werden. Da kann man dann, ohne dass wir gefragt oder informiert werden, Erdmöbel gratis hören. Die Firmen, auch große Konzerne im Internet, nehmen sich Daten, deren Urheber wir Musiker sind und machen damit Geld. Vergütet wird minimal. Das passiert auch woanders im Netz, aber so direkt und ohne Skrupel ist das neu.



Gestern Morgen waren die Ermöbel-Alben noch verfügbar…

Das stimmt nicht. Die Alben, die uns gehören, sind dort schon seit Wochen verschwunden: „Das Ende der Diät“, „Erste Worte nach Bad mit Delfinen“, „Versus Ekimas“,“ Kung fu fighting“ und das neue Weihnachtsalbum „Geschenk“ werden bis auf weiteres nicht mehr auf Streamingportalen erhältlich sein.

Wie lange dauert es, sich aus Spotify zurückzuziehen? Ist das kompliziert?

Wir haben unserem Vertrieb Bescheid gesagt. Geht schnell.

Macht Streaming Musiker und Bands kaputt?

Streaming ist nicht sehr romantisch, hat aber andere Vorteile. Wir sind nicht gegen Streaming generell, solange nicht Werbeinhalte damit verknüpft werden. Das Problem ist allein die Höhe der Bezahlung. Wenn die auch nur annähernd vergleichbar mit Radio, Tonträgern oder Downloads wäre, wäre alles gut. Es handelt sich um ein moralisches Problem, vergleichbar mit fairem und unfairem Kaffee. Soll streng kapitalistisch ohne Rücksicht auf Arbeitsbedingungen möglichst wenig bezahlt werden oder angemessen? Da Musiker fast keine Lobby haben, ist das ein echtes Problem.

Was denkst du aus der Sicht des Musikhörers über Musikstreaming? Ist das nicht wunderbar praktisch?

Überall reinhören zu können ist – wie wir nach 15 Jahren Internet wissen – eine echte Bereicherung und hat eine kurze Zeit lang für mehr Angebot gesorgt. Der Backlash hat hier in Deutschland aber längst eingesetzt. Ich persönlich finde es weiterhin für eine intime Beziehung zur Musik wichtig, diese auch offline zu besitzen. Es ist übrigens sowieso wichtig, Kultur auch offline zu genießen. Ich glaube darüber hinaus auch: Musik, die fast nix kostet, verliert auf Dauer für viele „User“ psychisch ihren künstlerischen Wert.

Wie hört ihr Musik? Vinyl? CDs? Mp3s?

Ich hatte berufsbedingt als Musikproduzent zu CD-Zeiten fast ganz aufgehört, privat Musik zu hören. Gottseidank kamen Mp3-Player, das Internet und alles, was damit zusammenhängt. Musikhören wurde für mich wieder abenteuerlich und praktikabel. Dennoch, CDs sind ok, denn sie sind real vorhanden und klingen tatsächlich so, wie der Produzent sie gemacht hat. Keine Verluste auf der Tonträgerebene. Ich würde aber auch eine Lanze für Vinyl brechen. Das ist nicht nur Nostalgie, sondern es ist ernsthaft eine kuschelige und gewinnbringende Sache, sich zu Hause vor den sich sichtbar drehenden Plattenspieler zu setzen und gemütlich und konzentriert eine Seite eines geliebten Albums anzuhören.

Du betreibst ein Studio, eine Plattenfirma, du hast eine Familie – wie halten sich Erdmöbel finanziell über Wasser?

Ein Tabuthema. Wir sprechen nicht gern drüber, denn niemand will gerne wissen, dass ein geliebter Künstler mit deutlicher Außenwirkung einen weiteren Beruf ausüben muss. Für uns ist das 20 Jahre lange Realität und keiner von uns ärgert sich noch nennenswert darüber. Immerhin trägt sich der durchaus aufwendige reine Bandbetrieb von allein. Das ist nicht selbstverständlich. So erklärt es sich, dass es uns seit 20 Jahren gibt und bisher kein Ende abzusehen ist. Allerdings ist es ein Balanceakt und Dinge wie der Streaming-Trend jagen uns durchaus etwas Angst ein. Mich ernährt meine Tätigkeit als Musikproduzent.

Ist es heute einfacher oder schwieriger für junge Bands ein Publikum zu finden?

Gleich schwierig. Es gibt zwar keine Plattenfirmen mehr, die den Aufstieg einer künstlerisch motivierten Band nennenswert finanzieren würden. Aber seien wir ehrlich: Besonders gut hat genau das für die Mehrheit der Musiker in Deutschland noch nie funktioniert. Wir haben uns, obwohl wir dort eine Menge netter Menschen getroffen hatten, inzwischen von der großen Plattenindustrie verabschiedet und ein eigenes Label gegründet.

Früher haben sich Plattenfirmen Bands ausgesucht und dadurch bestimmt, was wir hören – heute sucht sich das Publikum im Internet selbst die Musik aus. Das ist eigentlich demokratischer, oder?

Sollte man meinen, aber es ist ja in der Praxis nicht so anders als beispielsweise in den 70er- und 80er-Jahren, oder? Wenn das Publikum nicht will, will es nicht. Die Leute hören Helene Fischer nicht, weil sie manipuliert wurden, sondern weil es ihnen gefällt. Und darüber hinaus gefällt ihnen auch noch, dass Helene auch fast allen anderen gefällt. Sogar Carolin Kebekus. Pop kommt von populär. Das ist was auch Popmusiker etwas abseitiger Sparten, wie zum Beispiel Erdmöbel, durchaus verinnerlicht haben, gutheißen oder sich dran reiben. Einige unserer größten Vorbilder waren kommerziell sehr erfolgreich. Die Beatles oder Bob Dylan.

Was würdest du jungen Bands raten? Wie kann man heute langfristig erfolgreich sein?

Follow your dream! Schöne Musik wird nicht von fähigen Geschäftsleuten gemacht.



Wie sehen die nächsten Projekte von Erdmöbel aus?

Das Weihnachtsalbum „Geschenk“ ist gestern aus dem Presswerk gekommen, vier Weihnachtsvideos sind fast fertig. Unsere Mission: Weihnachten soll auch für eher pessimistische Menschen ein lustiges und schönes Fest werden. Veröffentlichung ist am 21. November. Ab dem 19. November sind wir mit einer Weihnachtsshow auf Tour in Deutschland

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Wann kommt erste das Weihnachtsvideo?

Wahrscheinlich am 1. Advent.

Foto: Matthias Sandmann