Eine ungeschriebene Regel des Internets seit seinen Anfängen ist, das jede neue technologische Entwicklung unweigerlich zuerst für die sexuelle Stimulation der Nutzer eingesetzt wird. Der erste kommerzielle Nutzer von Live-Videostreaming im Netz war eine holländische Porno-Firma namens Red Light District, die mehr als zehn Jahre vor Youtube Videostreaming anbot.

Die ersten kommerziellen Webcam-Nutzer waren Live-Porno-Stars, und vor gut zwei Jahren mischten sich Sex-Firmen unauffällig unter die ersten Anbieter von kommerziellen Virtual-Reality-Inhalten für Mobilgeräte.

Es ist also nur konsequent, dass die Branche nun auch die neueste Technologie aus dem Bereich Wearables und künstliche Intelligenz nutzt, um Erotik-Spielzeuge zu bauen. Laut der Analyse der Design-Expertin Rita Orell entwickelt sich der Erotikspielzeug-Markt aktuell technisch schnell zum Lifestyle-Thema und bietet jungen Designern eine Chance, neue Produkte abseits von der Schmuddel-Atmospäre der klassischen Sex-Shops zu etablieren. Im Netz und mit Hilfe von Crowdfunding macht sich eine neue Generation Tech-Startups daran, die Toys der Zukunft zu entwerfen.

Kommunikationsmittel einer neuen weiblichen Sexualität

Unter dem Namen Wisp hat beispielsweise die taiwanesische Industriedesignerin Wan Tseng mehrere Erotik-Spielzeuge entworfen, die nicht allein auf die direkte Stimulation der Nutzer setzen, sondern eher die sanfte Berührung eines Liebhabers am ganzen Körper simulieren sollen. Ein Arm- und ein Halsband erinnern mehr an moderne Sport-Wearables denn an klassisches Sex-Spielzeug, sie sollen mit Miniatur-Vibratoren, Gebläsen oder Lautsprechern Atem oder Berührung wiedergeben.

Per Bluetooth sollen sich die Wearables mit dem Smartphone verbinden und per App gesteuert werden. Nutzer können ihren eigenen Puls mit dem Armband messen, um ihre eigene Erregung via Smartphone-App an den Partner zu übermitteln.

Designerin Wan Tseng kommentiert, die Wisp-Wearables seien keine klassischen Spielzeuge zur Stimulation, sondern vielmehr Kommunikationsmittel einer neuen weiblichen Sexualität. Noch ist Wisp jedoch nur ein Konzept – ob die Wearables auch tatsächlich produziert werden, ist noch nicht entschieden.

Vibrator reagiert auf Druck und Bewegung

Ganz anders ist das bei einem der aktuell erfolgreichsten Sex-Projekte auf der Crowdfunding-Plattform Indiegogo, dem Vibrator Hum. Hum wurde von den zwei Physikern Jonathan Driscoll und Aaron Hammack in Kalifornien entworfen, die Vermarktung auf der Crowdfunding-Plattform übernahm die Marketing-Spezialistin Sunny Allen.

Die Idee hinter dem Gerät: Das Einschalten und das Einstellen fällt weg. Der Vibrator reagiert auf Druck und Bewegung. Die eingesetzte Hardware-Kombination aus Sensoren und dem Miniatur-Computer Arduino soll per Software-Algorithmus selbst entscheiden, wie sehr der Vibrator die Nutzerin wann stimuliert.

Mehr noch: Die Entwickler haben ihre Hardware auf der Basis der Open-Source-Umgebung des Arduino-Projekts gebaut, so dass andere Entwickler eigene Algorithmen und Apps zur Steuerung des Geräts entwerfen können – denkbar wäre etwa eine Kombination mit einer Virtual-Reality-Umgebung, in der Hum passend zum VR-Inhalt vibriert.

Gemeinsam erleben, obwohl man getrennt ist

Dank 3D-Druck können die Designer inzwischen zudem einfacher denn je personalisierte Sex-Toys anbieten. Vorreiter ist das deutsche Software-Projekt Dildo Generator, dass den Nutzern die Gestaltung eigener Sex-Spielzeuge überlässt. Die Nutzer können Designs austauschen und den Druck von Guss-Formen oder Spielzeugen entweder selbst übernehmen oder lokalen 3D-Druck-Firmen überlassen.

Virtual Reality ist einer der stärksten Treiber der erotischen Technologie-Entwicklung. Aktuell arbeiten diverse Firmen daran, wie VR-Brillen für die Darstellung von 360-Grad-Pornos genutzt werden können. Pionier der Branche ist das spanische Startup Virtual Real Porn, das seit zwei Jahren die nötige Kamera-Technologie sowie eigene Abspiel-Software für VR-Brillen entwickelt. Das ist nötig, weil die offiziellen Hersteller-App-Stores von VR-Pionieren wie der Facebook-Tochter Oculus Pornographie als VR-Inhalt meist verbieten.

Die spanische VR-Software für Smartphones unterstützt bereits die interaktiven Vibrator-Sextoys des Startups Lovense. Auch hier ist die Idee, dass die Geräte per App ferngesteuert werden können. Mit Hilfe der App können zwei Lovense-Nutzer zudem die Bewegungen ihrer Spielzeuge über die Internetverbindung des Smartphones synchronisieren – und so gemeinsamen Sex erleben, obwohl sie räumlich getrennt sind.

Dieser Artikel erschien zuerst auf Welt Online.

Bild: Inti St Clair