Traumauto
Traumauto Okay, hier muss man noch selber fahren. Und regnen darf es auch nicht.

Ein Jahr ist es her, als Daimler-Boss Dieter Zetsche verkündete, den Konzern zu einem modernen Mobilitätsdienstleister umbauen zu wollen. Vergangenen Monat setzte er noch einen drauf und verkündete, dass bei Daimler bald wie in einem Startup gearbeitet werde. Der Verkauf von Fahrzeugen bleibt weiter das Kerngeschäft. Doch gleichzeitig baut sich der Autohersteller ein neues Standbein rund ums Thema individuelle Mobilität auf. Dafür hat sich Daimler mit Car2Go, MyTaxi, Blacklane, Ridescout und anderen Startups zusammengetan. In Europa mag das Unternehmen damit zwar recht gut aufgestellt sein. Aber US-Firmen sind schon deutlich weiter.

Deutschland hinter den USA

Diesen Vorsprung der Anbieter jenseits des Atlantiks belegt nun eine Untersuchung des Magazins Car-IT, die verschiedene Indikatoren wie Innovationsstärke, Markgröße der Unternehmen und die Fokussierung auf die Digitalisierung bemisst. Dabei kommen die Studienbetreiber zum Schluss, dass Deutschland trotz seiner starken Position bei den Herstellern lediglich auf Platz zwei landet. An der Spitze stehen die USA. Was auf den ersten Blick überraschend scheint, denn die US-Autoindustrie steht nicht gerade für Innovationen im digitalen Bereich.

Tatsächlich wirken Ford und vor allem Fiat-Chrysler in diese Richtung eher schwach aufgestellt. Besonders der italienisch-amerikanische Mischkonzern unter der Führung von Sergio Marchionne ist in Sachen Digitalisierung weit abgeschlagen: Keines der Modelle bietet teilautonomes Fahren. Auch hinsichtlich der Konnektivität hat man dort wenig zu bieten. Immerhin arbeitet Fiat, wie auch Ford, mittlerweile mit Google zusammen.

Silicon Valley treibt die Transformation

Die traditionelle Autoindustrie ist nur eine Seite der Medaille. Die digitale Transformation hat nicht in Detroit begonnen, sondern im Silicon Valley. Noch bevor die Hersteller überhaupt über selbstfahrende Autos nachgedacht hatten, war Google mit seinen umgebauten Fahrzeugen schon unterwegs. Dass dafür zunächst auf Autos von Toyota gesetzt wurde, ist nur eine kleine Randnotiz. Doch jetzt sind neben Google, Apple, Microsoft und Tesla vor allem Startups die Antreiber der digitalen Revolution.

Das hat General Motors erkannt und viel Geld in Startups investiert. 500 Millionen Dollar flossen in den Uber-Konkurrenten Lyft. Gleich eine ganze Milliarde Dollar steckte man in das völlig unbekannte Startup Cruise Automation, das eine Software für autonome Fahrzeuge entwickelt. Hier geht es um Summen, die europäischen Startups Tränen in die Augen treiben. Solche schlagzeilenträchtigen Übernahmen sucht man in Deutschland vergeblich.

Einkauf von Technologie funktioniert nicht mehr

Das liegt einerseits daran, dass Kapitalgeber hohe Investitionssummen in risikoreichen Zukunftstechnologien scheuen, andererseits daran, dass bei den Herstellern immer noch das Prinzip vorherrscht: „Machen wir entweder selber oder kaufen wir ein.“ Doch der klassische Einkauf von neuen Technologien funktioniert in Zeiten der der digitalen Revolution nicht mehr.

Bisher hat man von Zulieferern wie Bosch oder Continental fertige Komponenten eingekauft, um sie dann zusammen an die eigene Modellpalette anzupassen. Doch mit digitalen Plattformen, die Dienstleistungen erbringen und verkaufen sollen, funktioniert das nicht. Zwar haben alle deutschen Hersteller mittlerweile Acceleratoren, doch allzu viel wird nicht in die Entwicklung investiert. Und mancher DAX-Konzern, wie zum Beispiel die Lufthansa, geht lieber direkt ins Silicon Valley – denn da ist mehr Geld.

Wo bleibt die Politik?

Die genaue Summe, die US-Investoren in die Zukunft der Mobilität stecken, dürfte im mittleren zweistelligen Milliardenbereich liegen. Die Big Player der Technologiebranche haben schnell erkannt, wie viel Geld sich in den nächsten 15 bis 20 Jahren in diesem Bereich weltweit verdienen lassen könnte. Und dementsprechend haben sie reagiert.

Doch es sind nicht nur die finanziellen Investitionen, für die die Unternehmen gesorgt haben. Gleichzeitig hat man schon früh Lobbyarbeit in der Politik betrieben. Während in Deutschland erst seit Anfang dieses Jahres ein paar Kilometer der A9 für Testfahrten für autonome Fahrzeuge freigegeben wurden, fahren in Kalifornien und Nevada schon seit Jahren derartige Testfahrzeuge herum. Darunter auch Autos von Mercedes und Audi, denn nur hier darf man offiziell in Städten, auf Landstraßen und in der Stadt die Zukunftstechnologien testen.

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Wie wichtig der Politik die Entwicklung der neuen Technologien ist, zeigt sich allein daran, dass Präsident Obama zum Start der autonomen Uber-Fahrzeuge in Pittsburgh einen 15-Punkte-Plan für zukünftige, gesetzliche Regularien vorlegte. Derweil streiten in Deutschland noch die Ministerien über Zuständigkeiten und Haftungsregeln.

All diese Dinge sorgen dafür, dass deutsche Gründer, die die Zukunft der Mobilität gestalten wollen, wenig rosige Aussichten haben. Wenn Industrie und Staat nicht helfen, wird auch nichts passieren. Und so läuft man Gefahr, in einem weiteren Digital-Bereich das Feld den Amerikanern zu überlassen. Wer das „deutsche Google“ in der Mobilität fordert, muss gewillt sein, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen.

Gut investiertes Geld in Mobilitäts-Startups

Ein Anfang wäre gewesen, wenn man den Subventionstopf für den Kauf eines E-Autos in gleicher Höhe für die Förderung von Mobilitäts-Startups vergrößert hätte. Der Staat, der über Jahrzehnte die Autoindustrie mit Subventionen versorgt hat, könnte genauso gut in Zukunftstechnologien junger Unternehmen investieren. Das würde nicht nur den Technologiestandort Deutschland aufwerten, es gäbe dem Staat auch die Möglichkeit, mit den Investitionen zu einem späteren Zeitpunkt Geld zu verdienen. Geld, das man in ein paar Jahren dann wieder in neue Technologien und Startups stecken könnte.

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