European Union coins arranged into the shape of Europe

Nach einem schwächeren Jahr 2015 hat der europäische Internet-M&A-Markt im vergangenen Jahr wieder angezogen. Mit 623 Deals lag 2016 zwar immer noch unter dem Rekordjahr 2014 (668 Deals), dafür deutlich über 2015, als nur 575 Deals zusammenkamen. Das geht aus dem jüngsten Report der Hamburger Corporate-Finance-Beratung Catcap hervor, der Gründerszene vorab vorliegt.

Mehr Aktivität gab es vor allem bei Deals von sehr kleinem und sehr großem Umfang. Die Zahl der Transaktionen im Umfang von unter zehn Millionen Euro stieg von 41 auf 75; die Zahl der Mega-Deals mit einem Volumen von mehr als 100 Millionen Euro stieg von 16 auf 21.

Für den Report nutzt Catcap Zahlen der Market-Intelligence-Firmen Mergermarket, S&P Global, Majunke und Go4Venture sowie eigene Berechnungen. Untersucht wird ausschließlich das M&A-Geschehen in der Internetwirtschaft, was auch erklärt, warum die Ergebnisse teilweise von denen anderer Marktanalysen abweichen.

Catcap-Partner Mark Miller interpretiert für Gründerszene die wichtigsten Ergebnisse des Reports im Interview.

Mark, was waren 2016 die wichtigsten Trends für Dich?

Kurz zusammengefasst: Der M&A-Markt läuft, bei Growth Equity gab es mehr Finanzierungen, aber weniger Volumen, da sich die Runden mit mehr als 75 Millionen Euro halbiert haben, IPOs sind mau.

Nach einem Durchatmen im Jahr 2015 hat die M&A-Aktivität im Jahr 2016 mit 623 Transaktionen wieder an Fahrt aufgenommen. Großbritannien hat sich von Deutschland wieder die Pole Position zurückgeholt, auch getrieben von dem stärkeren internationalen Interesse – von Brexit-Angst keine Spur. Es floss mehr Geld nach Süd- und Osteuropa. Wichtigstes Käuferland bleiben die USA, die am liebsten in Großbritannien shoppen gehen. China und Hongkong machen jetzt auch im Internet ernst und haben drei Mal mehr als im Vorjahr in Europa eingekauft.

In vielen Untersegmenten konnten wir eine Konsolidierung betrachten, insbesondere bei Adtech und Food. Die Automobilindustrie kaufte sich in Mobilitätsplattformen ein. Wir sahen weiter großes Interesse an Marktplätzen. Ungebrochen waren die Diversifikationstendenzen von Medienunternehmen mittels M&A, die sich vor allem bei Games, Travel, E-Commerce und Marktplätzen erweiterten.

Woher rührte 2016 der starke Anstieg bei M&A Deals von sehr kleinem und sehr großem Volumen? Warum hat sich in der Mitte nicht so viel bewegt?

Die großen Deals waren getrieben vom Interesse aus China und von Private Equity. Gerade die Chinesen wollen angesichts der Größe des eigenen Markts und der Entfernung nur relevante Transaktionen machen. Dabei half ihnen auch die Multiple-Arbitrage zu ihren eigenen hohen Bewertungsniveaus. Private Equity dient in vielen Fällen mit großen Runden als Brücke zu IPOs.

Die steigende Anzahl der kleinen Transaktionen reflektiert das zunehmende Interesse von Playern aus der zweiten Reihe an M&A, die für mittelgroße Transaktionen nicht den Cash Flow haben und ungern mit externer Finanzierung arbeiten. Es gibt mittlerweile einen europäischen Internet-Mittelstand, der M&A als probates Mittel der strategischen Weiterentwicklung sieht.

Kleine Deals werden auch durch Distressed M&A [also Übernahmen und Fusionen zum Zwecke der Restrukturierung, Anm. d. Red.] getrieben. Auch in der Internetbranche trennt sich selbst bei stark finanzierten Unternehmen die Spreu vom Weizen.

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Ihr sagt für 2017 mehr M&A-Aktivität voraus, weil VCs jetzt Exits brauchen. Werden wir endlich auch mehr IPOs sehen?

2016 war schwach und uns fehlen für 2017 die Argumente, dass sich das ändern wird. Da muss es schon eine Aktienhausse geben, damit sich das IPO-Fenster wieder öffnet, insbesondere für eine Handvoll größerer IPOs. Es wird Zeit brauchen, bis sich das KMU-Segment der Deutschen Börse etablieren wird. Da ist zu viel Vertrauen in der Vergangenheit verloren gegangen. Nicht jedes Unternehmen hat die Größe, um wie Trivago an die Nasdaq zu gehen. Der Alternative Investment Market in London und Nasdaqs First North in Stockholm sind hier aber relevante Alternativen.

Was werden 2017 die spannendsten Branchen sein? Welche neuen Technologien stehen im Fokus?

Da hilft der Blick auf das, was mit Growth Equity nachwächst: Viel Fintech und Marktplätze. Im Rückwärtsgang sind E-Commerce, Food und Adtech. Insgesamt fließt mehr Geld in Deep Tech und seine Anwendungen. Neben Voice Command und -Commerce sowie Big Data können die Technologietrends mit den Abkürzungen IOT, AI, VR und AR zusammengefasst werden. Mit Zeitversatz wirkt sich das auch im M&A-Markt aus. Es wird spannend sein, ob sich die investierten Mittel im Fintech in große Exits und IPOs ummünzen lassen.

Welche Rolle wird die politische Großwetterlage – allen voran Trump und Brexit – spielen?

Bei M&A und Growth Equity liegt Großbritannien weiter klar vor Deutschland – auf diesen Märkten ist der Brexit noch nicht angekommen. Wir sehen da auch 2017 keine Verschiebungen. Und Trump wird am Kapitalmarkt nur eine Auswirkung haben: Twitter wird wieder etwas Aufwind haben.

Bild: Getty Images / Larry Washburn