Die Zahl an Events zu Startup- und Internetthemen scheint dieser Tage zu explodieren. Besonders in Berlin aber auch über ganz Deutschland und Europa hinweg, nehmen die Möglichkeiten zum Netzwerken, Informieren und Präsentieren zu. Welche Events lohnen sich da noch für Startups?

Fünf Elemente entscheiden über Qualität

Nachdem ich im vorletzten Jahr das letzte Mal auf der LeWeb war, habe ich mich dieses Jahr erneut zu einem Besuch entschlossen und wurde durch meine Erfahrungen dort zum Nachdenken angeregt. Um es kurz zu machen: Die LeWeb ist jedes Jahr ein wichtiger Treffpunkt, für Menschen, die man sonst nicht so leicht zu sehen bekommt und liefert technisch eine Meisterleistung ab (auch wenn dieses Jahr der Stream in Deutschland nicht zur Verfügung stand). Ich empfand die diesjährige LeWeb aus verschiedenen Gründen aber dennoch als Enttäuschung. Das Lineup der Speaker überzeugte nicht, die Vorträge waren oft oberflächlich und langweilig und die Rolle der Corporates war mir auf dem Event zu ausgeprägt. Auch feinere Organisationsaspekte überzeugten mich nicht, etwa dass fast nur Süßigkeiten ausgegeben wurden, kaum Taxis parat standen oder Twitterwalls und sonstige Publikumsinteraktionen weitestgehend fehlten.

Gleichzeitig habe ich mich aber gefragt, was eigentlich die Stellschrauben sind, die über Erfolg und Misserfolg eines Events entscheiden. Ich habe fünf wesentliche Elemente ausgemacht und möchte am Ende auch kurz meine derzeitigen Konferenz-Favoriten vorstellen.

1. Themenfokus, Zielgruppe und Formatfragen

Das zentrale Moment eines Events ist der inhaltliche Fokus. Damit verbindet sich die Festlegung auf einen bestimmten Inhalt, aus der sich wiederum eine bestimmte Zielgruppe ableitet. Hierzu gehören aber auch die Veranstaltungsart (zum Beispiel Konferenz vs. Netzwerkevent) und unterschiedliche Formatfragen (etwa Panel vs. Vortrag). Der inhaltliche Fokus macht sich vor allem am Lineup und den Inhalten der Speaker bemerkbar, aber dazu später mehr.

Ein Beispiel: Die LeWeb sieht ihren inhaltlichen Fokus darin, Internet- und Digitalthemen über die beiden Kontinente Nordamerika und Europa hinweg abzubilden. Ich finde, dass die LeWeb damit an vielen Stellen einen sehr allgemeinen, unspezifischen Fokus gewählt hat, der sich auch auf die konzeptionelle Gestaltung die Zielgruppe und das ganze inhaltliche Konstrukt niederschlägt. Das Problem oder vielmehr die Herausforderung dabei ist es dann, ein sauberes Erwartungsmanagement zu liefern. Anders etwa bei der Dmexco, die einen starken Fokus auf Online-Marketing-Themen und damit eine klar umrissen Zielgruppe hat. Ich persönlich finde die Demexco tödlich langweilig, sie hat aber die zwei Stärken einer spitzen inhaltlichen Fokussierung und jeder Internet-Unternehmer, bei dem Marketing eine Rolle spielt, ist vor Ort.

Events mit spitzen Fokus erscheinen mir stets besser, weil sich ein klares Profil ergibt, dass die Erwartungshaltung an das Event leichter macht. Bei der Konzeption der Heureka! haben wir uns ebenfalls auf Digitalthemen konzentriert und dabei Wert auf die Verbindung zwischen Internet-Unternehmern und Investoren gelegt. Aber auch wir haben als Learning mitgenommen, dass es unserem Event mehr Profil verschafft, wenn wir Fokus und Zielgruppe zukünftig noch präziser definieren und so die Erwartungshaltung und den Wert der Veranstaltung durch einen klaren USP erhöhen.

2. Bekannte Speaker und gute Inhalte ziehen

Die Speaker sind ein bisschen das Aushängeschild eines Events, obwohl sie streng genommen für den Besucher gar keine wichtige Rolle spielen. Warum? Die meisten Gäste kommen mit einem Speaker ohnehin nicht in Kontakt und wer sich für die Inhalte des Betroffenen interessiert, hört diese meist auch woanders oder braucht dank eines Livestreams gar nicht vor Ort sein. Dennoch schaut jeder Besucher danach, wer auf einer Veranstaltung spricht und wer dem ganzen als Gast beiwohnt (Stichpunkt Networking).

Meiner Erfahrung nach steigt das Publikumsinteresse an einem Speaker anhand von vier Merkmalen:

  • Status: Den CEO der Firma XYZ zu treffen, zählt für viele Besucher eher zu einer Seltenheit und lässt erwarten, dass der Betreffende durch seinen Status ggf. Erfahrungen macht, die anderen verwehrt bleiben und deshalb interessant zu verfolgen sind. Und mal ehrlich: Man fühlt sich selbst auch etwas wichtiger, wenn man einer wichtigen Person zuhört oder sie trifft.
  • Inhaltliche Qualität: Die Qualität der präsentierten Inhalte ist dennoch der primäre Faktor bei der qualitativen Einordnung eines Speakers. Nachteil dieses Umstands: Meist lässt sich erst hinterher sagen, ob ein Vortrag inhaltlich überzeugte. Doch den Veteranen der Szene läuft ein gewisser Ruf voraus, was Planbarkeit für den Veranstalter und Erwartungssicherheit für den Zuschauer bedeutet. Dies ist übrigens auch nicht unbedingt eine Frage von Status oder Position. Ein guter Titel hilft aber.
  • Präsentationstauglichkeit: Nicht jeder Speaker mit interessanten Inhalten oder aussagekräftigem Titel vermag es auch, seine Inhalte gut rüber zu bringen. Einiges an dieser Fähigkeit ist angeboren, vieles Training. Neben dem verständlichen, unterhaltsamen Aufbereiten zählt insbesondere die Interaktionsfähigkeit mit dem Publikum und die Authentizität des Vortragenden.
  • Das Format: Nicht jeder Speaker ist für jedes Format geeignet. Vorträge, Panels, Interviews, Diskussionen, Pitches oder Fireside-Chats bringen jeweils unterschiedliche Implikationen mit. Mancher Experte ist exzellent, wenn es um ausführliche Vorträge zu seinen Fachthemen geht, passt aber nicht für temporeiche Themen-Diskussionen. Andere Speaker (etwa oft VCs) sind gut für Paneldiskussionen, langweilen in Präsentationen aber zu Tode. Wieder andere sind auf Deutsch ungemein unterhaltsam, wissen aber in englischen Präsentationen nicht zu überzeugen.

Wir hatten auf der Heureka! viele Learnings, was bei der Speakerauswahl zu beachten ist und am Ende des Tages hilft eigentlich nur Ausprobieren und auf anderen Events zu beobachten. Ein paar Big Names dabei zu haben, ist aber eigentlich immer zentral, weil große Namen halt ziehen.

3. Networking – das Zentrum aller Events

Nach meiner Einschätzung ist Networking der Hauptgrund, warum Menschen auf Events gehen. Inhalte, Vorträge und Fingerfood bekommen sie auch woanders, doch an einem Ort viele Menschen treffen und damit effizient sein Geschäft, Netzwerk oder den eigenen Horizont erweitern zu können, ist ein Unikum von Veranstaltungen. Das einzige Problem: Die wenigsten Events befördern die Interaktion ihrer Teilnehmer. Auf der LeWeb oder dem HTGF Family Day habe ich zuletzt erlebt, dass Apps zur Termin-Koordination eingesetzt wurden, was einen hilfreichen Schritt darstellt.

In der Regel ist man auf Events aber auf sich allein gestellt, mit dem Ergebnis, dass sich entweder Grüppchen von Menschen bilden, die sich bereits kennen oder aber viele Besucher alleine stehen. Letztlich ist es oft eine Frage des Formats und der Location, ob das Netzwerken der Gäste befördert oder gebremst wird. Zum Beispiel haben wir auf unserem Netzwerk-Event Spätschicht mit dem Speed-Networking ein sehr gutes Format gefunden, um Menschen zu verbinden.

Ich habe hier viel aus den Fehlern gelernt, die wir auf unseren Events gemacht haben. Auf der Heureka! etwa war die Trennung zwischen Vortragsraum und Networking-Bereich teilweise nicht ausreichend oder auf der Spätschicht erschwerte die Lautstärke von Musik und Menschen teilweise die Aufnahme von Gesprächen. Auf der anderen Seite bringt mancher Nachteil aber Vorteile an der anderen Stelle. Dadurch, dass der Netzwerkbereich auf der Heureka! nicht sauber abgetrennt war, weilten mehr Besucher in den Vorträgen und bereicherten die Diskussion. Die Spätschicht ist zwar oft laut, schafft aber gute Stimmung bei den Gästen. Letztlich ist vieles also eine Frage der Prioritätensetzung, das Befördern des Netzwerkteils löst aber kaum ein Event gut.

4. Die Location bestimmt über vieles

Man merkt es: Vieles bei der Umsetzung von Events interagiert miteinander. So wie sich der eigene Themenschwerpunkt auf die Formatwahl, die Zielgruppe oder die Speaker-Akquise auswirkt, spielt auch die Location eine zentrale Rolle. Allem voran finde ich die Wirkung des Raumes ein wichtiges Element. Fühlt man sich wohl und ist das Verhältnis aus Licht, Akkustik, Weite und Aufteilung gelungen, wirkt ein Event gleich angenehmer. Speziell die Akkustik ist stets ein zentraler Aspekt. Auf der Heureka! haben wir hier zum Beispiel keinen guten Job gemacht. Sind die Vorträge nicht richtig zu verstehen, wird es anstrengend, dem Geschehen zu folgen. Dass die Location insbesondere auch über die Qualität des Netzwerkens entscheiden kann, haben wir ja bereits thematisiert.

Etwas anderes ist die Erreichbarkeit. Wer einmal zu den Messehallen der LeWeb gefahren ist, hat dafür wohl rund 40 Euro an Taxikosten vom Flughafen auf sich genommen und wird es hinterher schwer haben, am Rande von Paris ein Taxi zu finden, wenn ein paar Tausend Besucher in die Innenstadt wollen. Und im Winter zwischen mehreren Hallen zu wechseln und an jedem Eingang sein Ticket vorzeigen zu müssen, gehört auch nicht zu den spaßigsten Inhalten einer Konferenz. Es gibt sicher noch eine ganze Menge weiterer Dinge, die bei der Location eine wichtige Rolle spielen und um mal ein positives Beispiel einer gelungenen Location zu geben: Ich finde, dass die Next mit der Station Berlin eine sehr gute Mischung aus Erreichbarkeit, Raumaufteilung, guter Akkustik und Weite gefunden hat.

5. Gute Organisation ist viel wert

Das Thema Organisation ist wohl gleichermaßen weit wie abstrakt, steht und fällt neben der Kompetenz des Veranstalters vor allem aber mit der Formatwahl und der Location. Typische Klippen, die es zu umschiffen gilt sind etwa Themen wie

  • Ein gelungenes Einladungsmanagement im Vorfeld (Mails, selbsterklärende Webseite mit Programm, Anreisedaten usw.)
  • Ein schneller Einlass, der Höflichkeit mit Effektivität und Convenience verbindet
  • Qualitativ hochwertiges Catering, das stets zur richtigen Zeit verfügbar ist
  • Ein W-Lan-Netz, das sich leicht anwählen lässt und zuverlässig funktioniert
  • Ausreichend Infrastrukturzugänge, etwa Stromkabel wenn es auch Messeaufbauten gibt
  • Eine gelungene Orientierung auf dem Event und die Verfügbarkeit von Ansprechpartnern, wenn Fragen aufkommen
  • Goodies, die das Event auch im Nachgang zu einer besonderen Erinnerung machen
  • usw.

Auf organisatorischer Ebene gibt es ingesamt also sehr viele Aspekte, die letztlich von Event zu Event variieren. Grundsätzlich gilt hier ebenfalls, dass manches eine Frage der Prioritätensetzung ist. Auf der Heureka! hatten wir aufgrund infrastruktureller Gründe kein W-Lan und entschlossen uns, aus der Not eine Tugend zu machen. Wir gaben nur den Journalisten einen Zugang mit dem Ergebnis, dass alle Besucher aufmerksam den Vorträgen lauschten und ihre Tweets per W-Lan absetzten.

Welche Events ich wofür empfehle

Soviel also zu den Stellschrauben guter Events. Um dem Titel dieses Artikels gerecht zu werden, möchte ich an dieser Stelle noch kurz einen Blick auf jene Events werfen, die ich aus Startup-Sicht für spannend halte. Dabei gilt meiner Meinung nach, dass Events nicht per se gut oder schlecht sind, sondern gut oder schlecht je nach Blickpunkt und wofür man sie besucht.

  • DLD: Die DLD überzeugt vor allem durch ihren Grad an Professionalisierung, ihre gute Themensetzung und das stets gute Lineup der Speaker.
  • Dmexco: Ich finde die Dmexco wie gesagt eigentlich saulangweilig, dennoch ist das Event in Köln eine feste Instanz im Kalender vieler Internet-Unternehmer und lohnt sich für Vermarktungs- und Marketing-Themen.
  • EBSpreneurship: Ähnlich wie das IdeaLab! ist die EBSpreneurship ein universitätgebundenes Event, dass langsam zum Platzhirschen aus Vallendar aufzuschließen scheint.
  • Heureka!: Es würde mich natürlich sehr freuen, wenn wir euch auch in diesem Jahr auf der Heureka-Konferenz wiedersehen. Unser Anspruch ist es dort, Internet-Unternehmen mit Medien und Investoren zusammenzubringen und die relevanten Trends und Entwicklungen der Szene zu diskutieren. Nächstes Mal gibt es vielleicht auch W-Lan :-).
  • IdeaLab!: Jedes Jahr bekomme ich das Feedback, dass die Organisation des IdeaLabs! exzellent ist und viele Akteure der deutschen Internetszene vor Ort sind, um sich auszutauschen und Nachwuchskräfte zu scouten.
  • LeWeb: Die LeWeb besticht durch ihre Größe sowie technische Professionalität und ist durch die Person Loic Lemeur mit vielen internationalen Größen gesegnet. Auch wenn ich finde, dass die Tickets überteuert sind und das Event insgesamt nachgelassen hat, lohnt sich ein Blick, wenn internationale Kontakte von Relevanz sind.
  • Next: Ich bin noch etwas unsicher, ob ich die Next empfehlen soll, weil mir der Corporate-Anteil dort zu groß ist und mir insgesamt etwas Profil und Vision bei der Themenwahl fehlt. Der Grad an Professionalität und die Bedeutung des Events insgesamt, macht die Next aber dennoch zu einem relevanten Termin im Kalender.
  • Noah-Konferenz: Die Noah-Konferenz scheint mir gerade eine der besten Konferenzen. Das Networking-Level ist sehr gut, die Organisation stimmt und das Gesamt-Setup weiß einfach zu überzeugen.
  • Pioneers Festival: Ich selbst habe die Premiere des Pioneers Festival verpasst, aber viel gutes über die professionelle Organisation und das gute Ambiente gehört. Die Inhalte sollen teilweise etwas schwach gewesen sein, dennoch ein Event mit Potenzial für Fans professioneller Events mit internationalem Flair.
  • Pirate Summit: Auch auf den Pirate Summit habe ich es noch nicht geschafft, aber was ich so mitbekommen habe, wusste die Aufbereitung der Inhalte bisher sehr zu überzeugen. Zur Qualität der Inhalte kann ich bisher noch keine Aussagen machen.
  • Republica: Die Republica ist ein zentrales Organ, wenn es um Internetthemen aus gesellschaftlicher Sicht geht. Mir gefallen Ambiente und Organisation stets sehr gut und auch die Speaker vor Ort sind sehr solide.
  • Sime: In diesem Jahr habe ich ehrlich gesagt überhaupt nichts von der Sime gehört, bisher war das Event in Schweden aber ein internationaler Standardtermin.
  • Web Summit: Beim Web Summit wurde mir bisher mehrfach berichtet, dass Paddy Cosgrave es verstehen soll, gute Leute mit seinem Event anzuziehen. Auch die Organisation wurde mir als sehr professionell kommuniziert, darüber hinaus kann ich aber noch nicht mehr sagen.