Die jüngsten Zahlen der Bundesagentur für Arbeit sind ernüchternd: Immer weniger Arbeitslose bekommen einen staatlichen Zuschuss, um sich selbständig zu machen oder ein eigenes Unternehmen zu starten. 2015 haben nur 30.323 Leistungsempfänger einen Gründungszuschuss erhalten, rund zwei Prozent weniger als 2014. Der Zuschuss ist in der ersten Phase 300 Euro
 höher als der Anspruch auf Arbeitslosengeld I, nach sechs Monaten kann eine zweite Phase beginnen, in der die Gründer bei Erfolg weitere neun Monate lang 300 Euro erhalten.

Ernüchternd stimmt noch ein weiterer Fakt: Etwa jede zweite Existenzgründung kommt mangels Erfolg über die erste Förderphase nicht hinaus. Bei 30.615 Arbeitslosen, die sich mithilfe eines Gründungszuschusses selbstständig gemacht haben, lief die Förderung zwischen Juli 2014 und Juni 2015 aus. Doch bei beinahe der Hälfte – 14.785 Personen – beschränkte sich diese auf die erste von zwei möglichen Förderphasen. Das geht aus einer Übersicht der Bundesagentur für Arbeit hervor, die 
Gründerszene vorliegt. Sie zeigt auch: 730 Personen waren nur einen Monat nach Ende der ersten Förderphase schon wieder arbeitslos.

Wimmeln die Arbeitsagenturen Gründungswillige ab?

Ob ein Gründer den Zuschuss überhaupt erhält, entscheidet jedoch die
 Arbeitsagentur. Einen Rechtsanspruch gibt es seit einer Reform im Jahr 
2011 nicht mehr. Um das Geld zu erhalten, müssen die Gründer Anspruch
 auf Arbeitslosengeld haben – also als Arbeitnehmer in die 
Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben.

Seit die Gründer auf das Wohlwollen der Arbeitsagentur hoffen müssten, sei das Instrument „faktisch gestorben“, kritisiert die Grünen-Wirtschaftspolitikerin Kerstin Andreae. Das zeigten auch die neuen Förderfälle. „Die Bundesagentur für Arbeit hatte mit ihrem Gründungszuschuss eines der wirksamsten Förderinstrumente, um kreative und risikobereite Menschen in die Selbständigkeit zu bekommen“, so Andreae gegenüber Gründerszene. „Ein Förderinstrument, das hauptsächlich Bürokratie produziert und Gründer abschreckt anstatt sie zu motivieren, verliert seine Wirkung und taugt nicht.“ Der Rechtsanspruch auf den Gründungszuschuss müsse daher wieder eingeführt werden.

Seit dessen Abschaffung hat die Anzahl der Empfänger drastisch abgenommen: So hatten im Jahr 2010 noch 146.512 Arbeitslose den Zuschuss genutzt, um sich selbständig zu machen.

 Deshalb fordert zum Beispiel auch der Verband der Gründer und Selbstständigen, den Rechtsanspruch wieder einzuführen.
 Laut Verbandssprecher Andreas Lutz hätten die 
Arbeitsagenturen über Jahre versucht, Gründungswillige abzuwimmeln. Auch heute 
werde über die Möglichkeiten der Förderung nicht ausreichend informiert. „Nur noch 
die Findigen bekommen den Zuschuss“, sagte Lutz. Dabei sei dieser 
immer noch eine attraktive Förderung, um sich selbständig zu machen.



Bewilligung von Einstiegsgeld sinkt auf Tiefststand

Auch die Zahl der Menschen, die erstmals das sogenannte Einstiegsgeld 
bei selbständiger Erwerbstätigkeit erhalten haben, ist gesunken. Mit nur 3.360 neuen
 Empfängern erreichte die Zahl den niedrigsten Wert seit dem Jahr 2006. 
Damals bekamen noch 33.632 Existenzgründer das Einstiegsgeld. Im Jahr 2014
 lag die Zahl der neuen Empfänger bei 4.717.

 Das Einstiegsgeld richtet sich an Hartz-IV-Empfänger, die damit bei 
einer Existenzgründung unterstützt werden. Auch hier müssen die
 Gründer auf das Wohlwollen der Arbeitsagentur hoffen, ein
 Rechtsanspruch besteht nicht.

Der Rückgang der geförderten Firmengründungen lässt sich mit den
 arbeitsmarktpolitischen Weichenstellungen der vergangenen Jahre 
erklärten – er hat aber auch mit den zurzeit historisch niedrigen 
Arbeitslosenzahlen zu tun. Ein Sprecher der Arbeitsagentur sagte zu
 Gründerszene: „Als Bundesagentur für Arbeit gehört es zu unseren
 Kernaufgaben, Menschen in erster Linie in
 sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu bringen.“ Eine hohe 
Nachfrage an Arbeits- und Fachkräften habe zu einem Rekordstand an 
sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung geführt.

Bei Exist gab es mehr Stipendien

Wer aus der Arbeitslosigkeit heraus ein Unternehmen gründet, gilt als
 sogenannter Notgründer. Davon unterschieden werden die sogenannten Chancengründern,
 die sich trotz vorhandenen Jobs für eine aussichtsreiche Geschäftsidee 
selbstständig machen. Sie sind im Schnitt erfolgreicher 
und schaffen mehr Arbeitsplätze.

 Und: Ihre Zahl wächst seit einigen Jahren.

Neben dem darbenden Gründungszuschuss gibt es auch 
Förderprogramme, die boomen. Zum Beispiel das Förderprogramm Exist des 
Bundeswirtschaftsministeriums: 2015 stieg die Zahl der vergebenen 
Gründerstipendien auf 199. Dies ist ein Anstieg um 40 Prozent 
gegenüber dem Vorjahr. Studenten, Absolventen und Wissenschaftler
 können durch Exist bis zu ein Jahr lang mehrere tausend Euro erhalten.
 

Ein Erfolgsbeispiel des Exist-Programms ist etwa der 
Prozessmanagement-Anbieter Signavio, der erst kürzlich von
 Gründerszene zu einem der wachstumsstärksten Digitalunternehmen des
 Landes gekürt wurde.

Allerdings: Auch wenn die Zahl der Exist-Stipendien steigt — den Rückgang beim 
deutlich wichtigeren Gründungszuschuss kann sie nicht ansatzweise 
ausgleichen.

Bild: Bundesagentur für Arbeit