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Facebook, Google, Siemens, Daimler, Nasdaq, Börsengang, Zuckerberg, soziales Netzwerk, Netzwerk, Social, Network, Social Games, Old Economy In wenigen Tagen ist es soweit: Das soziale Netzwerk Facebook geht an die Börse. Bereits im Vorfeld hatten sich die Nachrichtenmeldungen überschlagen. Von regem Investoreninteresse bis zu Warnungen professioneller Anleger reichte die Bandbreite. Das kalifornische Unternehmen selbst scherte sich nicht um die Nachrichtenlage und erhöhte den Erstausgabepreis der Aktie auf 34 bis 38 Euro. Gründerszene hat sich die wirtschaftliche Seite von Facebook einmal genauer angesehen – und viel Gegensätzliches gefunden.

Facebook: Arbeit an der Monetarisierung

Wenn in den kommenden Tagen Facebook (www.facebook.com) ganz offiziell das erste Mal an der Börse gelistet wird, steht für viele Anleger und Investoren erst einmal die Frage im Mittelpunkt, ob das soziale Netzwerk sein beachtliches Wachstum weiter fortsetzen kann. Noch wichtiger allerdings wird sein, ob es dem kalifornischen Unternehmen gelingt, seine laut Ergänzung zum Börsenprospekt mittlerweile 900 Millionen Nutzer Häppchen für Häppchen in steigende Gewinne umzuwandeln. Denn allein daran werden die Investoren Facebook zukünftig messen. Und die Erwartungen sind hoch, zumindest zeichnet sich dies am erwarteten Marktwert ab: Bis zu 100 Milliarden US-Dollar soll Facebook nach der erstmaligen Notierung wert sein. Demgegenüber wirken Unternehmen aus der Old-Economy – etwa Siemens, Daimler & Co. – trotz all ihrer Gebäude, Maschinen, Tochterunternehmen, Warenlager und Angestellten fast wie Zwerge.

Gerade bei den Gewinnen hapert es allerdings noch. Rund eine Milliarde US-Dollar bei 3,7 Milliarden US-Dollar Umsatz mögen zwar erst einmal nach viel Geld klingen. Siemens aber verbuchte im letzten Jahr Umsatzerlöse von umgerechnet rund 95 Milliarden US-Dollar, bei Daimler waren es sogar rund 140 Milliarden. Entsprechend ist das Internet-Unternehmen derzeit emsig dabei, neue Möglichkeiten auszuloten. Etwa wurde in Neuseeland gerade etwas gestestet, was bislang als absolutes Tabu galt: Geld für Nachrichten zu verlangen. Die Idee ist absolut simpel. Wer will, dass seine Mitteilung oder geteilter Link über den üblichen Katzenbildern und Diablo-Neuigkeiten erscheinen, investiert einen oder zwei Dollar, um die Botschaft mit einem virtuellen Textmarker hervorzuheben. Auch in andere Richtungen werde experimentiert, heißt es von dem Unternehmen – mit Open Graph etwa wurde bereits ein sehr umstrittenes „reibungsloses Teilen“ angedacht, das jede Interaktion der Nutzer automatisiert weiterreichen soll. Genauere Pläne wurden aber noch nicht genannt.

Brach liegendes Potenzial im Mobile-Geschäft

Erst vor wenigen Tagen hatte Facebook mit dem App Center seinen ersten Schritt in Richtung Mobile-Strategie vorgestellt. Auch wenn es Facebook bislang sicherlich verstanden hat, zum Zentrum der Kommunikation vieler Internet-affiner Menschen zu werden, hat das soziale Netzwerk in diesem Bereich noch erheblichen Nachholbedarf. Der soll nun zumindest verringert werden. Zum einen sollen sehr detaillierte Informationen etwa hinsichtlich des Nutzeralters an die Entwickler weitergegeben werden. Letztere könnten von einer engeren Verknüpfung mit Facebook profitieren, weil sie auf diesem Weg gezielt Zugang zu einem großen Kundenstamm bekommen.

Zum anderen könnten bald verschiedene Monetarisierungsmodelle folgen. Kostenpflichtige Facebook-Apps wären ein solcher Weg, bei der Bezahlung etwa über die eigenen Credits dürfte sich Facebook über eine nette Marge freuen – Apple nimmt von den Entwicklern bekanntlich 30 Prozent für die Bereitstellung der Vertriebsinfrastruktur und den Zugang zu den Nutzern. Ein Konzept für Werbung im Mobilbereich blieb das Netzwerk bislang aber schuldig – und das, wo das Anzeigengeschäft die mit Abstand wichtigste Einnahmequelle ist: Nach Angaben des Marktforschungsunternehmens Comscore steigerte das Netzwerk seinen Anteil an Werbeanzeigen im US-Markt von jüngst 21 auf 28 Prozent. Dabei muss es Facebook ordentlich schmerzen, dass mit General Motors gerade einer der besten Anzeigenkunden gleich ganz abgesprungen ist.

Langsameres Wachstum vor dem Börsengang

Betrachtet man die Facebook-Geschäftszahlen der ersten Monate des laufenden Jahres, zeichnet sich bereits vor dem IPO ein leichter Rückgang des Wachstums ab. Insgesamt stand von Januar bis März laut Geschäftsbericht ein Umsatz von 1,06 Milliarden US-Dollar zu Buche. Das entspricht zwar immerhin einem Plus von 45 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum, in dem 731 Millionen US-Dollar erwirtschaftet wurden. Allerdings liegt der Wert gleichzeitig leicht unter dem zuvor für das Schlussquartal vermeldeten Umsatz von 1,11 Milliarden US-Dollar – worin allerdings auch das typischerweise stärkere (Vor-)Weihnachtsgeschäft enthalten ist.

Als Nettogewinn realisieren konnte das Netzwerk davon 205 Millionen US-Dollar, was im Vergleich zu den vorhergegangenen 233 Millionen US-Dollar einem Rückgang um zwölf Prozent entspricht. Als Ursachen für diese Entwicklung lassen sich gerade der weitere Ausbau der eigenen Nutzerbasis und die Suche nach neuen Produkt- und Monetarisierungsoptionen ausmachen: So haben sich die Gesamtaufwendungen bei Mehrkosten für Marketing (159 gegenüber 68 Millionen US-Dollar) aber auch Forschung und Entwicklung (153 nach 57 Millionen US-Dollar) im Vergleich zum ersten Quartal 2011 von 343 Millionen auf insgesamt 677 Millionen US-Dollar nahezu verdoppelt. Obendrein wächst das soziale Netzwerk derzeit hauptsächlich in Regionen, die weniger Umsatz bringen – was Facebook auch bereits mehrfach bestätigt hat.

Gelten herkömmliche Bewertungsmaßstäbe?

Es dürfte wenig Zweifel daran geben, dass der Börsengang von Facebook am Freitag der größte IPO eines Internet-Unternehmens überhaupt sein wird. Aber ist das Netzwerk wirklich so viel wert? Oder ist das von Mark Zuckerberg gegründete Unternehmen gnadenlos überbewertet? Zumindest wenn man die herkömmlichen Maßstäbe ansetzt, müsste man zu letzterem Ergebnis kommen. Betrachtet man etwa das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV), das überlichweise zur Vorab-Bewertung von Börsengängen herangezogen wird, errechnet sich bei einem zu erwartenden Marktwert zwischen 93 und 104 Milliarden US-Dollar sowie einem zuletzt gemeldeten Gewinn von einer Milliarde US-Dollar ein KGV-Wert von 93 bis 104. Dabei gilt: Je höher die Bewertung, desto höher die Erwartungen.

Allerdings muss hinterfragt werden, ob herkömmliche Beurteilungsmethoden für die Internet-Giganten überhaupt aussagekräftige Ergebnisse liefern. Schon bei Google wurden die bekannten Kennziffern an ihre Grenzen gebracht. Der Suchmaschinenbetreiber kommt heute bei Umsatzerlösen von zuletzt 37,9 Milliarden Euro gerade einmal auf ein KGV von gut 21, für das laufende Jahr wird ein Wert deutlich darunter erwartet. Kurz nach dem Börsengang im Jahr 2005 hatte das noch anders ausgesehen, seinerzeit lag das KGV bei 78. Trotzdem konnte der Suchmaschinenbetreiber seinen Marktwert halten und das Ergebnis wie auch den Umsatz pro Aktie seit 2005 nahezu versechsfachen. Gleiches gilt in etwa für den Börsenwert. Von der seinerzeit befürchteten Überbewertung also keine Spur.

Was zählt, ist der generierte Traffic

Facebook und Google unterscheiden sich von vielen „Offline“-Firmen vor allem darin, dass sie ein weltweites Ökosystem für viele andere Unternehmen bieten. Das ist zwar insbesondere bei den Autoherstellern und ihren Zulieferern ähnlich, allerdings ist die Reichweite der Online-Giganten um ein Vielfaches größer. Das vielleicht bekannteste Beispiel Zynga (www.zynga.com): Der Social-Games-Anbieter verweist mittlerweile auf 240 Millionen monatlich aktive Nutzer – ohne Facebook hätte das Spielekonzept längst nicht so schnell eine solche Tragweite bekommen. Rund drei Millionen Nutzer hat der Design-Versand Fab (www.fab.com) über Facebook generieren können. Damit wird das soziale Netzwerk zur Existenzgrundlage für das Startup.

Vielen anderen Internet-Unternehmen geht es ähnlich, benötigen sie die Plattform doch, um Traffic und damit Kunden auf ihre Webseite zu lotsen. Freilich gibt es mit Twitter, Google+ und Co. auch andere, ähnliche Plattformen. Keine allerdings versteht es in einem Maße wie das Unternehmen von Mark Zuckerberg, die Kunden an sich zu binden und mehr als nur Links weiterzugeben. Diesen Mehrwert wiederum in Geld zu messen, dürfte für die Investoren und Analysten in den kommenden Monaten zur Hauptherausforderung werden.

Weitreichende wirtschaftliche Bedeutung

Auch die Beratungsgesellschaft Deloitte hat den wirschaftlichen Einfluss des Netzwerks untersucht. Die Studie aus dem Januar kommt zu einem erstaunlichen Ergebnis: Die Umsätze, die direkt auf die Aktivitäten des sozialen Netzes zurückzuführen sind, werden darin auf 32 Milliarden Euro geschätzt – allerdings wurde die Studie auch im Auftrag von Facebook durchgeführt.

Diese Summe setze sich in einen wirtschaftlichen Effekt von 15,3 Milliarden Euro und 232.000 Jobs um. Darin enthalten sind direkte Effekte wie etwa die Gehälter der Facebook-Angestellten, indirekte Effekte wie die Wertschöpfung bei verbundenen “Supply Chain Industries” sowie induzierte Effekte aus den ersten beiden Kategorien – was alle Ausgaben in der realen Welt zusammenfasst, die über Facebook als Absatzkanal generiert werden. Unter dem Strich reicht das Netzwerk damit zwar lange nicht an vergleichbare Kennzahlen der Old-Economy-Riesen heran. Die Bedeutung für die Internet-Branche aber dürfte kaum zu leugnen sein.

Börsentechnisches Neuland

Auch wenn sich in der Internet-Wirtschaft, oder noch genauer der Startup-Szene, durchaus eine ganze Reihe von Geschäftsmodellen finden, die stark auf die Infrastruktur, Kundenbasis und die Informationsdichte von Facebook ausgerichtet sind – eine echte (volks-)wirtschaftliche Abhängigkeit besteht nicht. Und das ist, wie es die Finanzindustrie in den vergangenen Jahren eindrucksvoll bewiesen hat, auch gut so. Im Hinblick auf die ohnehin meist engen Margen der vielen Jungunternehmen stellt das soziale Netzwerk nichtsdestotrotz einen wesentlichen Absatzkanal dar. Demnach wäre das Unternehmen also nicht unbedingt überbewertet.

Letztendlich wird Facebook nur selbst zeigen können, ob es (betriebs-)wirtschaftlich liefern kann, was Investoren derzeit erwarten. Wo Erfahrungswerte fehlen und Kennzahlen schwer zu interpretieren sind, ist das Bauchgefühl der Anleger gefragt. In den Wochen und Tagen vor der Erstnotierung sind die Handelsprofis sich alles andere als einig: Auf der einen Seite sei der Preis deutlich zu hoch, auf der anderen Seite besteht dem Vernehmen nach reges Interesse, was Facebook sogar zur Ausgabe weiterer Aktien (der sogenannte Greenshoe) bewegt hat. Eines ist derweil klar: Der Facebook-Börsengang wird in die Geschichte eingehen – egal ob er langfristig als Top oder als Flop zu bewerten sein wird. Zumindest die bisherigen Gesellschafter freuen sich aber so oder so über volle Taschen.

Bildmaterial: penywise / morgueFile.com