Die Like-Maschine ist tief in unser Leben eingebunden und mehr als nur ein Tool des sozialen Netzwerks

Es ist Frühling, ein guter Zeitpunkt, um Facebook zu löschen. Mein digitaler Frühjahrsputz hat wenig mit dem Trend zu tun, der Datenkrake den Stinkefinger zu zeigen. Ich spiele schon seit Monaten mit dem Gedanken. Aber manchmal braucht es eben einen Anlass, einen Arschtritt ins Glück.

Ob Facebook meine Daten sammelt, da bin ich ganz ehrlich, ist mir schnurzegal. Nicht weil mir meine Privatsphäre nicht heilig wäre. Sondern weil ich durch mein Smartphone, durch Google, Amazon, die NSA oder Whatsapp online längst abgebildet worden bin. Ob nun zusätzlich Facebook meine Daten auswertet, fällt da kaum ins Gewicht. Und vielleicht zahle ich für kostenlose Dienste insgeheim doch lieber mit meinen Daten als mit echtem Geld.

Dass ich Facebook jetzt den Rücken kehren will, liegt daran, dass mich das Netzwerk inzwischen langweilt. Hier und da mal eine Nachricht oder Einladung zu einem Event, der letzte Chronik-Post ist gefühlt von 1990. Und so geht es ja vielen, daher muss sich das soziale Netzwerk ständig neu erfinden und die Algorithmen anpassen. Der ursprüngliche Gedanke einer Plattform für Freunde ist irgendwo auf dem Weg abhanden gekommen. Die Konkurrenz um Snap und Co. ist einfach zeitgemäßer.

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Doch das Social-Monster macht es Nutzern wie mir nicht leicht, zu gehen. Das liegt nicht an dem versteckten Löschen-Button, sondern an der tiefen Verquickung von Facebook mit meinem restlichen digitalen Leben.

Da wäre zum Beispiel der „Login über Facebook“, der es mit einem Klick erlaubt, fremde Onlinedienste ohne weitere Registrierung zu nutzen. Das spart Zeit, bindet mich aber stärker an Facebook. So ist etwa mein Spotify-Account direkt an das soziale Netzwerk gebunden. Was passiert mit dem Zugang zu meiner Musiksammlung, falls ich die Facebook-Anbindung kappe? Auf der Spotify-Webseite heißt es dazu: „Hast du dein Konto über Facebook erstellt, dann kannst du die Verbindung im Nachhinein nicht mehr trennen. In diesem Fall musst du ein neues Konto erstellen.“ Aus Angst vor dem Totalverlust lasse ich diese Einstellung also lieber unberührt.

Ein ähnliches Problem habe ich mit der Messenger-App von Facebook. Die würde ich trotz Facebook-Abwendung gerne weiterhin nutzen. Sie funktioniert zwar inzwischen ohne Facebook-Account. Doch werde ich die App bei einem künftigen Update vielleicht doch wieder nur mit Facebook-Zwang verwenden können – der Internetriese aus Menlo Park ist da sehr sprunghaft. Gerade jetzt, wo das Netzwerk in Gefahr ist. Das gleiche gilt natürlich auch für Whatsapp, Facebooks zweiten Messenger. Und Hunderte Bekannte und Freunde davon zu überzeugen, auf Chat-Alternativen wie Telegram oder Threema umzusteigen, ist ein hoffnungsloses Unterfangen. (Ich habe es versucht!)

Schauen wir in die nahe Zukunft, dann erscheint Facebooks neue VR-Plattform „Spaces“, die sich derzeit in der Beta-Phase befindet und tief in das Netzwerk eingebunden werden soll. Sie könnte das neue Internet für die virtuelle Realität werden, das hoffen zumindest die Macher. Klar ist, dass mir ohne Facebook-Account ein Teil Tech-Zukunft entgeht.

Auch blöd: Ohne den Account kann ich einem Teil meiner Arbeit nicht nachgehen, konkret: keine Artikel wie diesen hier auf der Facebookseite von Gründerszene posten. Und auch die interne Diskussions- und Verlautbarungs-Gruppe unseres Verlags fußt auf Facebook. Arbeit verpflichtet.

Es gibt noch mehr Beispiele, aber diese kleine Auswahl reicht, um mir einzugestehen, dass ich derzeit nicht ohne das soziale Netzwerk kann. Ich bleibe dann mal bei Facebook, leider.

Bild: Getty Images / The Washington Post