Die Mitglieder von Facebook entwickeln sich zunehmend zu Couch-Potatos, was dem sozialen Netzwerk nicht wirklich gefallen dürfte. Im dritten Quartal dieses Jahres hat nur noch ein Drittel der Netzwerknutzer seinen Status aktualisiert. Fotos teilten noch 37 Prozent mit anderen Teilnehmern.

Im Vorjahreszeitraum waren Facebook-Nutzer noch deutlich aktiver: 50 Prozent achteten zu der Zeit auf ihren aktuellen Status, und satte 59 Prozent zeigten anderen ihre Bilder. Im quirligen Social Web sind müde – oder auch datensensible – Nutzer ein großes Problem. Global Web Index, ein weltweit tätiges Marktforschungsinstitut mit Hauptsitzen in London und Singapur, hat die Daten ermittelt. Das Institut liefert vor allem Daten über Verbraucherverhalten an Kunden wie Twitter, Google, Microsoft und Unilever.

Schon seit Längerem mutmaßen manche Experten, Facebook könne durch seine schiere Größe seinen Erfolg gefährden. Zu den Heavy Usern der Anfangszeit sind vermehrt Teilnehmer gekommen, die sich einfach bei Facebook angemeldet haben, weil das alle machen und auch nur, um mal zu sehen, was da so passiert.

Beleidigungen und Hetze ersticken viele Debatten

Zu beobachten ist auch, dass viele Nutzer zunehmend vorsichtiger geworden sind – und zum Beispiel seltener als früher pikante Details aus ihrem Privatleben teilen, sich zu politischen Themen äußern oder über ihren Arbeitgeber lästern. Es sind Fälle bekannt geworden, in denen unbedachte Postings aus dem Affekt heraus zu einer Kündigung geführt haben. Oder zu einem Shitstorm von Teilen der Facebook-Community, dem sich niemand gern aussetzen möchte.

Vielen ist gar nicht bewusst, wer eigentlich genau sehen kann, was sie auf Facebook veröffentlichen. Die Eingrenzung der Empfängergruppe der Postings und geteilten Fotos ist im sozialen Netzwerk für Ungeübte immer noch schwer zu handhaben. Auch fühlen sich einige Nutzer vom zuweilen hetzerischen und beleidigenden Ton einiger Debatten abgeschreckt. In einer Flut aus Hasstiraden auf Flüchtlinge gehen selbst bestens begründete Gegenargumente unter. Das frustriert.

Facebooks Geschäft läuft weiter rund

Dass Facebook-Nutzer an Elan verloren haben, heißt aber nicht, dass sie ihrem sozialen Netzwerk den Rücken kehren. Sie sind stärker denn je daran interessiert, was dort passiert: Fast zwei Drittel der knapp 1,5 Milliarden Nutzer, die Facebook monatlich nutzen, sehen täglich auf ihrem Profil vorbei. Es ist für sie ein Ritual, auf das Icon mit dem „f“ zu klicken – morgens am Frühstückstisch, im Bus auf dem Weg zur Arbeit oder abends als letztes vor dem Einschlafen. Aber sie setzen lieber mal hier und da ein Like, als anderen zu zeigen, wie ihre Kinder im Halloween-Kostüm ausgesehen haben.

Dass weiterhin so viele täglich die Plattform besuchen, ist für Facebook erst einmal das Entscheidende. Was die Nutzer dort dann tatsächlich machen, ist weniger interessant. Wichtig ist, dass sie sich die Werbung auf den Facebook-Seiten ansehen. Je mehr Nutzer und je häufiger sie das tun, desto mehr Geld bekommt Facebook von den werbenden Unternehmen. Und da scheint eine Menge in die Kasse zu kommen. Erst kürzlich hat Facebook angedeutet, dass der Umsatz im dritten Quartal um mehr als ein Drittel ansteigen wird.

Facebook will seine Nutzer aufwecken

Auf kurze Sicht läuft das Geschäft also bestens für Gründer Mark Zuckerberg und seine Kollegen. Doch ein soziales Netzwerk, auf dem nicht mehr viel passiert, wird schnell langweilig. Die Nutzer könnten sich anderen Netzwerken zuwenden.

Untersuchungen haben bereits Hinweise darauf gefunden, dass vor allem junge Leute auch Alternativen wie Instagram, Snapchat oder Whatsapp nutzen – und darüber massenhaft Fotos und Videos teilen. Spätestens, wenn die Großtante oder der eigene Vater ihnen eine Freundschaftsanfrage geschickt hat, weichen Jugendliche gern auf andere Dienste aus. Hier können sie gefahrlos Fotos der krassen Party vom Wochenende teilen, ohne dass die Eltern davon etwas erfahren.

Facebook sieht die Passivität der Nutzerschaft ebenfalls als Problem an und steuert schon seit Längerem dagegen. Das Unternehmen selbst will seine Mitglieder anregen und aus passiven Betrachtern aktive Gestalter machen. Eine Funktion, die ein wenig Hilfestellung bietet, ist das Feature „An diesem Tag“, das allerdings noch nicht für alle Teilnehmer verfügbar ist.

Haben die Appelle von Datenschützern gefruchtet?

Außerdem sorgt Facebook auf unterschiedlichen Wegen für Diskussionsstoff. Da gibt es seit einiger Zeit eine Suchfunktion, die Nutzern in Echtzeit Inhalte aus Diskussionen zu einem gewünschten Thema ausgibt. Und da sind die „Instant Articles“, die den Teilnehmern zahlreiche Presseartikel und Kommentare präsentiert, die wiederum zu Beiträgen anregen können.

Facebook selbst blendet zunehmend auch Hinweise auf anstehenden Ereignisse ein, zum Beispiel eine Mondfinsternis oder ein Spiel der Lieblingsmannschaft. Dazu wird der Nutzer aufgefordert, seine Meinung oder Einschätzung abzugeben. In den USA setzt Facebook dieses Mittel schon intensiv ein, manche Nutzer dort werden mehrmals in der Woche dazu angeregt, doch zu einem Thema etwas von sich zu geben.

Vielleicht aber hilft das alles nichts, weil sich die Nutzungsgewohnheiten der Internetnutzer geändert haben: Sie surfen vermehrt mobil im Web. Trotz größerer Bildschirme ist es noch immer eine arge Fummelei, auf Smartphone-Displays Texte oder Fotos mit Kommentar zu erstellen und auf die Plattform hochzuladen.

Vielleicht aber sind auch die Datenschützer mit ihren Appellen mittlerweile bis zu den Nutzern sozialer Netzwerke durchgedrungen. Sie raten dringend dazu, mit persönlichen Daten im Netz sparsam umzugehen. Dazu passt es sicherlich nicht, der Facebook-Öffentlichkeit kundzutun, dass man gleich auf die Toilette geht.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Die Welt.

Titelbild: Namensnennung Bestimmte Rechte vorbehalten von Abode of Chaos; Infografiken: Die Welt