Altersvorsorge ist kein sexy Thema. Nachhaltigkeit schon eher. Beides zusammen soll aber unsere Gesellschaft zukunftsfähig machen, will Ben Urbanke beweisen. Deswegen hat er 2010 Fibur gegründet. Es sollte die erste grüne Altersvorsorge in Deutschland sein. Die Frage, die er sich stellte: Was passiert mit dem Geld, das man 30 bis 40 Jahre lang regelmäßig einzahlt, um es vielleicht mit 65 in Raten wieder ausgezahlt zu bekommen? Die Versicherung verwaltet das Geld so lange. Und der Versicherte hat in der Regel keinen Einfluss darauf, was die Versicherung in der Zwischenzeit mit seinem Geld anstellt.

Urbankes Startup ist ein junges Versicherungsunternehmen, das sich auf die staatlich geförderte, private Altersvorsorge spezialisiert hat. Abschluss und Beratung laufen fast ausschließlich digital. Während bekannte Versicherungen Großteils noch immer auf Versicherungsvertreter vor Ort und klassische Antragsverfahren auf Papier setzen, besteht Fibur aus nur vier Mitarbeitern. Und die sitzen in Münster und Berlin, ein richtiges Büro gibt es nicht. Die Arbeit wird von einem Coworking-Space aus erledigt. Urbanke ist der Meinung, dass sich das Modell eines Versicherungsberaters vor Ort überholt hat. „Wir wollen Kunden in ganz Deutschland denselben Service bieten. Das geht nur, wenn wir unsere Beratung online anbieten.“

Ben Urbanke ist studierter Wirtschaftswissenschaftler und stammt nach eigenen Aussagen aus einem „Öko-Haushalt“. Während des Studiums arbeitete er bei der GLS Bank. So fing er an, sich damit auseinanderzusetzen, welche gesellschaftlichen Auswirkungen Geldanlagen haben. „Banken investieren das Geld, das sie von den Anlegern bekommen in die Rüstungsindustrie, in Atomkraft oder spekulieren auf Nahrungsmittelpreise. Das Geld jedes Einzelnen kann so gesehen viel Unheil anrichten“, sagt der Gründer.

Ungefähr 180 Lebensversicherer gibt es in Deutschland. „Große Versicherungsgesellschaften bieten auch grüne Produkte an“, erklärt Urbanke. „Doch das Kerngeschäft wird dort woanders gemacht.“ Laut Welt steckte zum Beispiel die Allianz 2012 ungefähr 400 Millionen Euro in die Rüstungsindustrie. Der Vorwurf aus Sicht Urbankes und anderer: Alle Kunden solcher Versicherungsunternehmen unterstützen diese Anlagen indirekt; auch, wenn sie eigentlich ein „grünes“ Produkt gewählt haben. Denn die Anbieter von staatlich geförderten Renten sind per Gesetz zum Kapitalerhalt verpflichtet: So fließt laut Stiftung Warentest der überwiegende Teil der Einzahlungen in den Deckungsstock des Versicherers beziehungsweise in konventionell verwaltete Garantiefonds; lediglich 30 bis 50 Prozent des eingezahlten Geldes würden nach ökologischen und ethischen Kriterien investiert.

„Das ist so ähnlich, wie einen Ökostromtarif beim Atomstromriesen E.ON abzuschließen“, beklagt Urbanke. Und bemängelt: „Das Geschäft mit den grünen Produkten ist für diese Anbieter so marginal, dass sie gar nicht die Kapazitäten hätten, komplett umzusatteln.“

Der Blick auf die Angebote der Versicherer zeigt: Mittlerweile gibt es zwar eine größere Angebots-Vielfalt für grüne Produkte. Werden die Kriterien für Nachhaltigkeit jedoch zu eng abgesteckt, kommen nur wenige Anlageziele in Betracht und die Geldanlage wird dementsprechend gering gestreut. Im Ergebnis steigt das Ausfallrisiko, was grüne Anlagen für Versicherer mitunter unattraktiv macht.

Auch Fibur hat dieses Problem: Es gibt zu wenig Firmen, die sich für eine nachhaltige Entwicklung einsetzen und in die die Versicherung investieren kann, erklärt Urbanke. Denn das Geld darf nicht direkt im Ausland angelegt werden, zum Beispiel nicht in einen Solarpark in den USA oder in eine Biogasanlage in Afrika. Solche Direktinvestitionen verbietet der Staat, da sie als zu risikoreich eingestuft werden. Deshalb investiert Fibur nicht nur in Geschäfte, die Urbanke als vorbildhaft einstuft. „Auch in neutrale Unternehmen wird investiert“, erklärt er. Was der Gründer darunter versteht: „Diese stehen zwar nicht in erster Linie dafür, sich aktiv für Nachhaltigkeit einzusetzen; aber sie erfüllen keines der Ausschlusskriterien, wie Investition in Kinderarbeit, Rüstung oder Atomenergie.“ Ungefähr die Hälfte der Anlagen seien „neutral“.

„Alle Investitionen werden regelmäßig überprüft“, versichert Urbanke. Gegebenenfalls könnten die Geldanlagen auch herausgenommen und in andere Projekte investiert werden. Das sei zum Beispiel geschehen als vor zwei Jahren bekannt wurde, dass Siemens mit dem Tochterunternehmen Financial Services zur Produktion von Streubomben beisteuerte.

Ben Urbanke, Gründer von Fibur

Zusätzlich will Fibur nur maximal zehn Prozent in Fonds investieren. „Die blähen die Finanzmärkte auf und führen zu unkontrollierbaren Mechanismen, wie man sie während der Bankenkrise beobachten konnte“, ist der Gründer überzeugt. Der Versicherte trage hier das Risiko mit. Bei Fibur seien 1,25 Prozent Zinsen für den Anleger garantiert. Das ist genau der Betrag, der für alle klassischen Versicherungsmodelle gesetzlich vorgeschrieben ist.

Fibur ist mit seiner alternativen, staatlich geförderten Altersvorsorge seit 2013 auf dem Markt und zählt inzwischen rund 2.000 Versicherte. 20 bis 30 Prozent kommen nach eigenen Angaben im Schnitt jährlich dazu.

„Wir machen keine Werbung, sondern wachsen ausschließlich organisch“, erzählt Urbanke. Durch Ereignisse wie Fukushima und die Bankenkrise wachse die Nachfrage nach ethisch-sozialen Finanzprodukten ganz natürlich. Das sieht man auch an den Suchanfragen auf Google. Bei der betrieblichen Altersvorsorge ist der Finanzdienstleister in der Regel von Arbeitgeberseite festgelegt. Deshalb berät Urbanke auch Betriebe, die ihre Mitarbeiter über Fibur versichern lassen. Auch mit der Verbraucherzentrale arbeitet er zusammen.

Während das Fibur-Modell für Versicherungen noch relativ neu ist, versuchen so genannte grüne Banken schon länger, sich nachhaltig zu engagieren. Die Triodos Bank zum Beispiel investiert die Einlagen ihrer Kunden ausschließlich in die Realwirtschaft und finanziert damit Unternehmen, Organisationen und Projekte, die ihrer Ansicht nach zu einem ökologischen, sozialen oder kulturellen Wandel beitragen.

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