Andreas Kupke und Moritz Thiele (rechts) leiten Finanzcheck.
Andreas Kupke und Moritz Thiele (rechts) leiten Finanzcheck.

Auch im digitalen Zeitalter liegen die besten Geschichte manchmal auf der Straße. Oder genauer: in einer Straße, und zwar in einer der teuersten Straßen der Hamburger Innenstadt, nämlich der Bleichenbrücke. Dort hat kürzlich eine neue Bankfiliale eröffnet, was in diesen Zeiten schon für sich genommen eine News wäre.

Die eigentlich News allerdings lautet: Keine Bank hat die Filiale eröffnet, sondern ein Fintech, namentlich Finanzcheck.de, eines der größten deutschen Kreditvergleichsportale. Warum in aller Welt eröffnet ein Fintech eine Filiale? Und was bedeutet das für das Banking der Zukunft? Genau darüber haben der Branchen-Newsletter Finanz-Szene.de mit Finanzcheck.de-Gründer Moritz Thiele gesprochen. 

Herr Thiele, in der Hamburger Innenstadt gibt es ein Ladenlokal, das aussieht wie eine Bankfiliale und auf dem unverkennbar „Finanzcheck.de“ steht …

Das ist richtig. Und das sieht nicht nur aus wie eine Filiale – das ist eine.

Sie wollen uns aber jetzt nicht erzählen, dass Sie eine Filiale eröffnet haben? Finanzcheck.de ist schließlich ein Vergleichsportal für Ratenkredite, also ein Online-Anbieter reinster Prägung.

Das heißt ja aber nicht, dass wir keine Filiale eröffnen dürfen. Den Standort in der Hamburger City gibt es schon seit ein paar Monaten. Wir haben das aber bislang nicht an die große Glocke gehängt, weil wir erst einmal sehen wollten, wie sich die Filiale entwickelt.

Und?

Das Konzept wird so gut angenommen, dass wir die konkrete Idee verfolgen, weitere Filialen in anderen Städten zu eröffnen, auch wenn in dieser Hinsicht noch nichts spruchreif ist.

Sie sind seit 2012 am Markt und damit ein Kind der Fintech-Ära. Nach allem, was man hört, scheint Ihr Konzept zu funktionieren. Sie sollen hinter Check24, aber vor Smava der zweitgrößte Anbieter am deutschen Markt sein, haben vor zwei Jahren bei Investoren 33 Millionen Euro eingesammelt – eine der höchsten Finanzierungen, die ein deutsches Finanz-Startup je erhalten hat. Warum machen Sie jetzt einen Schritt zurück in die analoge Welt?

Aus meiner Sicht ist das kein Schritt zurück, sondern eine sinnvolle Ergänzung unseres Angebots. Wir haben festgestellt, dass es viele Kunden gibt, die zwar zufrieden mit unserer telefonischen Beratung sind, aber darüber hinaus ein persönliches Gespräch wünschen. Wir haben dann angefangen, Kunden hier in unseren Hamburger Büros zu empfangen – was aber irgendwann einfach zu viel geworden ist. Immer öfter waren Konferenzräume besetzt, weil darin Beratungsgespräche stattgefunden haben. So kam die Idee, eine Filiale zu eröffnen.

Soweit wir das sehen, ist Finanzcheck.de das erste deutsche Fintech jüngerer Prägung, das eine eigene Filiale unterhält …

Ich glaube, das ist wirklich so. Allerdings gibt es unter den älteren Anbietern durchaus ein, zwei Vorbilder.

Damit spielen Sie vermutlich auch auf den Online-Baugeldvermittler Interhyp an. Dem gelang – so jedenfalls erzählen es die Gründer – der endgültige Durchbruch erst, als er begann, in immer mehr Städten eigene Beratungsbüros zu eröffnen. Das allerdings ist fast 20 Jahre her, damals waren weder die Technologie noch die Menschen so digital wie heute. Zudem sind Hypothekendarlehen deutlich größer, komplexer und damit beratungsintensiver als ein Konsumentenkredit. Lässt sich das wirklich vergleichen?

Das Beispiel Interhyp haben wir uns sehr genau angeschaut. Klar ist: Eine Baufinanzierung abzuschließen, das hat eine andere Tragweite als einen Ratenkredit aufzunehmen, das macht man nur einmal im Leben, und dann gleich mit einer Bindung von 10, 20 oder noch mehr Jahren. Da will natürlich jeder ganz genau verstehen, was er da abschließt, und nimmt sich auch die entsprechende Zeit. Trotz dieser Unterschiede zu unserem Produkt gibt es allerdings auch Parallelen. Vielen Kunden beschert es ein gutes Gefühl, wenn sie wissen: Da ist jemand, den ich persönlich aufsuchen kann – und sei es nur für den Fall, dass während der Laufzeit mal irgendein Problem auftaucht.

Wird dieses Gefühl wieder stärker – oder ist das ein Überbleibsel aus der analogen Welt?

Ich glaube, das Gefühl war immer da. Obwohl viele Kunden digitale Angebote sehr schätzen und nicht mehr missen möchten, fragt sich manch einer, warum sich nicht auch ein Stück alte Welt bewahren lässt, und zieht den persönlichen Kontakt vor. Wir bieten das Beste aus beiden Welten – den unabhängigen Kredit­vergleich, kombiniert mit der persönlichen Beratung vor Ort.

Ihr Schritt läutet also nicht die große Renaissance der Filiale ein?

Die klassische Bankfiliale mit ihren Standarddienstleistungen hat keine Existenzgrundlage mehr. Trotzdem glaube ich, dass Filialkonzepte, wenn man sie radikal neu denkt, sehr wohl aufgehen können. Was will der Kunde? Er will sichergehen, dass er das für ihn richtige Produkt bekommt. Für viele Kunden gehört es immer noch dazu, auf dem Weg zu diesem Ziel auch ein persönliches Beratungsgespräch zu führen. Die Filiale wird also überleben, allerdings in geringerer Zahl und mit einer anderen Dienstleistung als heute. Das ist unsere Prämisse.

Tatsächlich ist es ja so, dass Ratenkredite noch immer in erster Linie über die Filialen vertrieben werden – auch wenn der Online-Anteil sukzessive steigt. Die typische Targobank-Filiale findet man allerdings eher in den B-Lagen. Warum haben Sie sich entschieden, mit Ihrer Filiale mitten in die teuere Hamburger City zu gehen. Vermuten Sie dort Ihre Klientel?

Es ging uns darum, einen Standort zu finden, der für möglichst viele Menschen möglichst einfach zu erreichen ist – dafür waren wir bereit, einen höheren Mietpreis in Kauf zu nehmen. Sollten wir in weiteren Städten ebenfalls Filialen eröffnen, was ich momentan für wahrscheinlich halte, dann werden wir auch dort voraussichtlich in die Innenstädte gehen. 

Und das rechnet sich? Sie sind ja reiner Vermittler, verdienen also nicht an den Zinsen, sondern lediglich an den Provisionen, die Sie von den Banken erhalten.

Im Moment betreuen wir in unserer Filiale im Schnitt gut eine Handvoll Kunden täglich, je nach Aufkommen ist die Filiale mit zwei bis drei Beratern besetzt …

 … was jetzt noch nicht so klingt, als würde es sich rechnen …

 … wobei die Berater natürlich, wenn gerade kein Kunde im Büro ist, normale telefonische Beratung machen. Aber das ist alles gar nicht der Punkt. Wir machen da keine rein wirtschaftliche Rechnung auf, sondern unser Ziel lautet, dass wir alles tun müssen, damit der Kunde zufrieden ist. Und wenn der Kunde den persönlichen Kontakt mit dem Berater präferiert, dann wollen wir ihm diese Möglichkeit geben.

Der Text erschien zunächst bei Finanz-Szene.de, dem täglichen Newsletter für die deutsche Banken- und Fintech-Branche.

Bild: Finanzcheck.de