Finn Age Hänsel
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Finn Hänsel: TV als Kickstarter für E-Commerce-Startups

Finn Age Hänsel ist einer der Gründer von The Iconic. Im September 2011 startete die australische Zalando-Variante, inzwischen erreicht der Onlineshop rund vier Millionen Besucher pro Monat und hat rund 350 Angestellte. Im Juli erst hatte The Iconic eine neue Finanzierung in Höhe von 28 Millionen Australischen Dollar bekommen.

Nun hat es Hänsel allerdings zurück in seine deutsche Heimat verschlagen. Der 31-Jährige heuerte kürzlich als Chief Marketing Officer bei Epic Companies an, dem Berliner Company Builder von ProSiebenSat.1 und Mato Peric. Er soll dort auch alle Portfolio-Unternehmen mit seinem Marketing- und Business-Intelligence-Knowhow unterstützen. Was ihn in Australien geprägt hat und welche Herausforderungen er hierzulande erwartet, verrät er im Interview.

Finn, Du hast The Iconic in Australien für Rocket Internet ausgebaut und bis nun Marketing-Chef bei Epic Companies. Aber wie fing das mit Dir und den Samwer-Brüdern eigentlich an?

So richtig ging es damit los, als eines Nachts das Telefon klingelte. Am anderen Ende war Oliver Samwer – knapp mit Worten, wie er nun mal ist. „Es ist nicht Zalando“, sagte er, „aber wir machen etwas Ähnliches in Australien“. Ich war zwar bereits für die Boston Consulting Group „down under“. Weil ich eigentlich zurück nach Europa wollte, sagte ich mehrfach nein. Am Ende kamen wir dann überein, dass ich The Iconic etwa ein Jahr lang aufbaue und dann einen Nachfolger finde. Im September 2011 starteten wir mit der Vorbereitung.

Und dann?

So richtig fing es eigentlich erst mit TV an, wie bei vielen E-Commerce-Unternehmen. Ich glaube stark an TV und wenn man es richtig macht, kann es ein echter Kickstarter für junge Startups sein – was wohl auch erklärt, warum ich nun bei Epic Companies (www.epic-companies.com) gelandet bin. Bei Epic möchte ich diese Erfahrung nutzen und TV noch stärker ins E-Commerce-Konzept einbauen und ähnlich wie Online Marketing kontinuierlich optimieren und an OM Standards messen.

Was waren die größten Herausforderungen im australischen Markt?

Es gab schon einige internationale Online Retailer, die Produkte nach Australien schicken. Allerdings schienen die Australier einen Sweet-Spot für ein kleines, lokales Unternehmen zu haben. The Iconic unterscheidet sich wesentlich von den meisten anderen Rocket Fashion-Varianten wie etwa Zalora oder Lazada in Asien. Sowohl vom Marktumfeld als auch von unserem Ansatz – wir haben wirklich versucht, es so gut wie möglich auf den australischen Markt anzupassen, der übrigens sehr viel dichter an Zalandos europäischer Marktumgebung ist, als es zum Beispiel in asiatischen Ländern der Fall ist.

Das heißt?

In Australien gibt es zwar hohe verfügbare Einkommen und die Leute geben es gerne für Mode aus. Allerdings ist der Anteil derer, die online Mode kaufen in Australien sehr gering, weil es erstens noch keinen starken lokalen Spieler gab und zweitens Australien kein klassisches Versandhandels-Land wie Deutschland (Stichwort: Quelle, Otto) ist. In Australien haben gerade ältere Bevölkerungsgruppen noch im Kopf, dass man Kleidung nun mal offline kauft. Also mussten wir die potenziellen Kunden erst über Werbung aufklären. Bezogen auf die 25 Millionen Einwohner im gesamten Markt brauchten wir auch eine relativ hohe Anfangsfinanzierung, auch aufgrund der höheren Fixkosten im Markt.

Wofür genau?

Insbesondere für Personalkosten, da Australien (noch stärker als Deutschland) ein Hochlohn-Land ist, und für Transportkosten, da Australien dazu auch ein Flächenland mit geringerer Einwohnerdichte ist. Während hierzulande ein Großteil der Logistik auf der Straße stattfindet, muss das in Australien aufgrund der Weitläufigkeit fast immer per Flugzeug abgewickelt werden, was natürlich deutlich teurer ist. Das ist auch der Grund dafür, dass die Eintrittsbarrieren im E-Commerce in Australien so hoch sind, insbesondere wenn man die Existenz von großen internationalen Mitbewerbern berücksichtigt: Man muss schnell eine kritische Masse aufbauen, sonst ist der Kostenanteil zu hoch. Das Gute an Rocket ist, dass, wenn sie an einen Markt glauben, auch so viel investiert wird, wie für das Modell nötig ist. Natürlich ohne dabei Geld zu verschwenden.

Aber ihr seid lange Zeit nicht als Rocket-Tochter aufgetreten, sondern als lokales Unternehmen, richtig?

The Iconic galt lange als kleines, aufstrebendes australisches Unternehmen, das von vier ambitionierten Australiern geführt wurde. Das stimmt zwar nicht 100%, aber es ist auch nicht komplett falsch. Nach der zweiten Finanzierungsrunde haben wir dann einen kleinen Fehler gemacht und es uns mit einer der großen Zeitungen verdorben. Die Quittung kam prompt in Form eines Berichts, dass The Iconic einige Mitarbeiter im Kundenservice entlassen habe – es wurde dann etwas intensiver, als plötzlich ein Redakteur dazu noch Olis Blitzkrieg-Mail ausgegraben hat.

Und wie wirkte sich das auf Deine Entscheidung aus, nach Deutschland zurück zu kehren?

Schon relativ früh habe ich mit Oli gesprochen. Immerhin hatte ich nur ein Jahr versprochen und war schon zwei Jahre bei The Iconic. Wir verblieben so, dass ich zügig eine Nachfolger aufbaue und dann noch recht früh im Jahr nach Deutschland zurück kehre. Als dann die Presseberichte aufkamen, wurde die Stimmung natürlich etwas schwieriger. Wenn einer der Gründer in diesem Umfeld das Unternehmen verlassen hätte, hätte das dem Ganzen einen merkwürdigen Beigeschmack gegeben. Ich habe dann mit Rocket vereinbart, so lange zu bleiben wie es notwendig ist.

Ist es schwierig, für die Samwer-Brüder zu arbeiten?

Die Brüder wissen, was sie wollen und manchmal haben sie dabei einen interessanten Ton drauf. Ob man mit ihnen zusammenarbeiten kann, hängt stark davon ab, ob man damit umgehen kann. Aber ich hatte niemals das Gefühl, unfair behandelt zu werden. Die Jungs sind sehr intelligent und ich will auch gar nicht ausschließen, in der Zukunft wieder mit ihnen zusammen zu arbeiten – in welcher Form auch immer.

Bei Epic Companies finden sich ja auch einige Ex-Rocket-Leute. Mato zum Beispiel…

Das stimmt. Und doch fühlt es sich hier ganz anders an, weil die Grundstimmung eine andere ist. Während Rocket sich auf das Ausrollen bestimmter, meist schon vorhandener Geschäftsmodelle fokussiert, ist bei Epic erstens noch der Reiz des ‚Neuen‘ da und zweitens macht es Spaß, selbst am Ideenfindungsprozess für neue Themen beteiligt zu sein.

Und was ist Dein persönlicher Fokus beim ProSiebenSat.1-Inkubator?

Meine Hauptaufgabe hier ist, ein zentrales Marketing-Team aufzubauen um Wissen besser mit den Ventures zu teilen, zu dokumentieren und Best Practices zu implementieren. Im Moment machen alle Ventures das noch alleine, aber in Zukunft wollen wir gemeinsame Prinzipien und Guidelines etablieren, damit nicht jedes Venture immer bei Null anfangen muss. Für jeden Channel (TV, SEMSEO, Display RTB, Social Media, Affiliate, etc.) wird dann ein leanes Team an Fachleuten beim Inkubator angesiedelt sein. Diese werden dann helfen, das Marketing und die richtige Struktur in den Portfoliounternehmen aufzubauen, entsprechend zu coachen und nachhaltig zu unterstützen.

Das Hauptaugenmerk beim Marketing wird aber doch sicherlich auf der TV-Werbung liegen…

Das liegt in der Natur unseres Inkubators und unserer Investoren. Die Crux wird sein, einen guten Mix zu finden und die Online-Komponente nicht zu vernachlässigen, und dann beides gut miteinander zu kombinieren, und dabei auch zu verstehen wie beides miteinander zusammenspielt und sich gegenseitig unterstützt. Das Online-Geschäft ist ja die Komponente mit der ich mich sehr gut auskenne, und TV mit der Effizienz von OM zu verbinden, wird eine interessante Aufgabe werden. Das Ziel ist es auch, Ventures aufzubauen, die theoretisch ohne TV-Werbung auskommen könnten. Das Fernsehen ist dann für uns der Kickstart, der Extra-PS auf die Straße bringt.

Und entsprechend konzentriert sich Epic also auf „Mainstream“-E-Commerce-Konzepte?

Zumindest Mainstream-nahe. Das sieht man ja auch schon an den vier Startups, die Epic derzeit im Portfolio führt: Online Fitness, Konzerttickets, Hundefutter, Uhren & Schmuck. Das zielt natürlich jeweils auf eine breite, TV-affine Kundschaft ab. Eine extrem kleine Nischen-Zielgruppe mit Fernsehspots anzusprechen, wäre Quatsch.

Was glaubst Du sind die größten Herausforderungen, die Dich hier bei Epic Companies erwarten?

Erst einmal, Online Business-Modelle zu finden, die es im Markt noch nicht gibt. Und dann zweitens die Verknüpfung von TV- und Online-Werbung und das Kombinieren des Besten der beiden Welten – dazu gehört auch das richtige Tracking um die darunterliegende Mechanik und Effizienz zu verstehen. Manchmal muss man ja die Kunden auch erst zu Online Shoppern für gewisse Kategorien erziehen. Ohne Zalando’s TV-Werbung wären wahrscheinlich die wenigsten auf die Idee gekommen, Schuhe online zu kaufen.

Bei den Samwers hattest Du Geld im Überfluss, bei Epic Companies nun TV-Zeit. Was sind die Gemeinsamkeiten dabei, was die Unterschiede?

Gleich ist, dass man Gefahr läuft, sich tatsächlich unendliche Ressourcen vorzustellen. Tatsächlich hat man die aber nie. Wenn man Geld oder eben auch Werbezeit ohne den dazugehörigen ROI verschleudert, ist man ein schlechter Geschäftsmann. Da muss man sehr vorsichtig sein, weil ja auch gleichzeitig der Druck groß ist, schnell Ergebnisse zu liefern. Viele kennen das ja von Rocket. Man darf sich auf den Luxus den man (nur augenscheinlich) hat nicht verlassen. Der größte Unterschied ist natürlich, dass man Geld für alles ausgeben kann, Senderzeit allerdings nur für Werbung.

Bild: Alex Hofmann