Fintechs greifen das Geschäft der Deutschen Bank und der deutschen Banken an. Wer gewinnt am Ende?

Das Jahr 2015 war ereignisreich für die Fintech-Szene. Während Startups wie Number26 mit großen Investmentrunden glänzen konnten, mussten andere Fintechs wie Yapital ihren Dienst einstellen. Wir haben die fünf Fintech-Experten vom Blog Rat Pack gefragt, welche Entwicklungen in dem Jahr bemerkenswert waren – und was 2016 kommt.

André M. Bajorat

Im Rückblick wird man das Jahr 2015 als den Weckruf für die klassische Finanzwirtschaft bezeichnen. Der Begriff Fintech ist durch starke mediale Präsenz einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht worden – und die Noch-Großen der Finanzbranche sind aufgewacht. Bisher hat aber keiner die Blaupause für die anhaltende Digitalisierung in der Finanzbranche gefunden. Den meisten ist aber klar, dass sich die Branche radikal verändert und wir uns in einer Übergangsphase befinden.

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Spannend war für mich, dass Geld, Größe und vermeidliche Marktmacht allein heute nicht mehr ausreicht, ein erfolgreiches neues Business aufzubauen – Yapital und auch Click&Buy (als Telekom-Tochter) sollten für alle großen Player ein mahnendes Beispiel sein. Ein „too big to fail“ gibt es nicht mehr. Die Frage für die folgenden Jahre wird sein: Gibt es vielleicht sogar ein „too big to change“ für die Etablierten?

Ansonsten war das Jahr stark geprägt von der Professionalisierung und noch besseren Vernetzung der Fintech-Szene. Dabei entstanden erstaunliche neue Konstellationen wie zum Beispiel die Öffnung des Bundesverbandes der deutschen Banken für Fintechs, oder die Aufnahme von Banken in den Tech-Verband Bitkom. Vermehrt treffen sich etablierte und neue Marktteilnehmer nun auf gemeinsamen Events wie dem Bankathon. Diese Öffnung zeugt von einem veränderten Mindset und ist das Zeichen für eine Diskussion auf Augenhöhe.

Was ich für 2016 erwarte:

Ich hoffe, es gibt künftig weniger ausgerufene Revolutionen, dafür mehr echte Verbesserungen für uns Nutzer im Alltag. 2016 wird es voraussichtlich erste echte Use-Cases auf Basis der sogenannten Blockchain geben. Diese Technik ist ein digitaler Beleg für Transaktionen zwischen Computern, der jede Veränderung genau erfasst und sie dezentral und transparent auf vielen Rechnern verteilt speichert.

Außerdem hoffe ich auf eine positive Offensive der deutschen Aufsichtsbehörden. Eine erste Übernahme eines Fintechs durch eine Bank würde mich nicht wundern. Und Versicherungs-Startups spielen im kommenden Jahr eine wichtige Rolle.

André M. Bajorat ist ein Branchenkenner und CEO des Fintech-Startups Figo.

Maik Klotz

Die Fintech-Szene wird langsam erwachsen und mit ihr die angebotenen Produkte. Es ist nicht mehr der „heiße Scheiß“, sondern eine etablierte Branche, die durch Unternehmen außerhalb der Bankenwelt gestaltet wird. Mit dabei sind große Unternehmen wie Google und Apple, aber auch kleinere Startups. An Entwicklungen wie Apple Pay haben wir gesehen, wie schnell Banken zum Zahlungsabwickler degradiert werden können, während das Frontend von anderen Unternehmen wie Apple oder Google gestellt wird.

Das lässt sich auch am bemerkenswerten Start von Number26 beobachten, die zeigen, wie man den Zugang zum Kunden gestalten sollte – auch wenn sie keine echte Bank sind. Aus diesem Grund war für mich 2015 das Jahr der Frontends. Gut für den Kunden, schlecht für Unternehmen, die dieses Thema unterschätzt haben.

2015 war auch ein Jahr der Konsolidierung: Kleine wie große Startups wurden zu Grabe getragen. Den mobilen Bezahlmarkt konnte 2015 wieder kein Player revolutionieren, zumindest keiner der lokalen Anbieter. Die meisten sind von der Bildfläche verschwunden und die Verbleibenden werden es schwer haben.

Denn: Unternehmen wie Apple und Google haben dieses Thema für sich entdeckt und stehen auch in Deutschland vor der Tür. Das ist schade, weil es wieder die Unternehmen aus den USA sind, die es schaffen, ihre Produkte auf die Bedürfnisse der Nutzer zuzuschneiden. Yapital oder Click&Buy haben das hierzulande nicht verstanden, weshalb beide nun ihren Dienst einstellen mussten. Am Ende kommt es auf eine gute Lösung an – und nicht auf Worthülsen.

Was ich für 2016 erwarte:

Ich wünsche mir weniger Buzzwords, stattdessen mehr echte Problemlöser. Apple Pay und Android Pay werden endlich nach Deutschland kommen. Als logischer Schritt könnte der iPhone-Hersteller dann das Peer-2-Peer-Payment ermöglichen. Die Telekom und Vodafone stellen dagegen ihre Mobile-Payment-Angebote ein.

Es wird außerdem ein schwieriges Jahr für Paydirekt. Der Paypal-Konkurrent der deutschen Banken hat zwar viele potenzielle Kunden, aber den Weg zum Händler wird der Online-Bezahldienst nicht hinbekommen. Nutzergerecht ist das Angebot ebenfalls nicht.

Maik Klotz beschäftigt sich seit Jahren als Berater und Autor mit dem Thema Mobile Payment und Banking.

Rafael Otero

Die etablierten Player fingen in diesem Jahr an zu verstehen, dass die jungen Wilden nicht verschwinden. Und die jungen Wilden begannen zu realisieren, dass es mehr braucht als eine gute User Experience, um Kunden zu gewinnen. Die Etablierteren unter den Fintechs – etwa Adyen, Intercard oder PayOn – haben das verstanden und waren plötzlich sexy. Sie konnte durch große Finanzierungsrunden oder signifikante Exits Profit aus der Fintech-Welle schlagen.

Was ich für 2016 erwarte:

Wir werden erste „echte“ Angebote von etablierten Playern wie Apple sehen. Die Konsolidierung von Technologien und Anbietern wird sich fortsetzen, beispielsweise bei Peer-2-Peer-Services.

Es wird eine zweite Welle an Fintech-Startups geben – mit B2B-Lösungen, die komplexe Probleme lösen statt nur „hübsch“ auszusehen. Die großen US-Retailer werden allesamt scheitern, ihr eigenes Payment-System zu etablieren. Während Starbucks den nächsten Schritt aufzeigt, wie man das weltweit erfolgreichste „Closed loop“-System noch besser machen kann.

Rafael Otero schaut zurück auf mehr als zehn Jahre Erfahrung im Payment-Bereich. Aktuell ist er Co-Founder bei payleven.

Jochen Siegert

2015 war das erste bedeutende Jahr für deutsche Fintechs und der Begriff ist in vielen Banken und in den Medien angekommen. Die „Großen“, also die Banken, sind aufgewacht. Sie nehmen Fintechs ernst und versuchen, das Thema zu „greifen“, beispielsweise durch Partnerschaften und Kooperationen, Innovations-Labs oder gemeinsame Konferenzen.

Internationale Payment-Anbieter sind schon weiter und forcieren die weitere Konsolidierung in Deutschland, beispielsweise durch Übernahmen von Anbietern wie PayOn, Payone oder Intercard. 16 Jahre nach Gründung von PayPal und zehn Jahre nach dem PayPal-Launch in Deutschland, gibt es mit Paydirekt endlich den Versuch einer Konkurrenz durch die Banken

Die Realität hat in der Szene Einzug gehalten: QR-basierte Verfahren haben sich aus dem Markt verabschiedet oder ihre Aktivitäten heruntergefahren. Yapital, Paymey, Sqwallet, paij sind einige Namen. Selbst das QR-Shopping von Paypal ist im Piloten gefloppt.

Bitcoins haben sich außerhalb der Nerd-Kreise nicht als Zahlmethode durchgesetzt, dafür liegt jetzt der Fokus auf der Blockchain-Technik.

Was ich für 2016 erwarte:

Es wird im kommenden Jahr von den Marktteilnehmern mehr API-Angebote geben. Mit den neuen Schnittstellen bekommen die Entwickler mehr Flexibilität. In diesem Zusammenhang erwarte ich den weiteren Erfolg von API-Payment-Anbietern wie Stripe und Co.

Wir werden den Start der zweiten Fintech-Welle sehen. Hier erwarte ich mehr komplexe B2B-Modelle als bisher. Die Konsolidierung im Zahlungsverkehr geht brutal weiter, auch angefeuert von der Interchange-Regulierung, die das Preisniveau im Handel anpasst. Vor allem im Mobile Payment werden sich wohl noch etliche Anbieter verabschieden, etwa die Dienste der Mobilfunkanbieter.

Leider werden wir auch etliche Fintechs sehen, die sich wieder verabschieden oder Schwierigkeiten haben, Finanzierungsrunden abzuschließen, da das Investorengeld nicht mehr ganz so locker sitzt. Außerdem wird es ein Revival der Banken geben – die Geldinstitute geben sich nicht ohne Gegenwehr den Fintechs hin und entwickeln zunehmend kompetitive Angebote. Und sie werden sich bestimmt Fintech-Gründer ins Boot holen, um die Digitalisierung zu managen.

Jochen Siegert hat für Paypal und Mastercard gearbeitet – er tummelt sich seit vielen Jahren in der Fintech-Szene als Unternehmer und Podcaster herum, und er ist COO bei Traxpay.

Kilian Thalhammer

Seit diesem Jahr wächst die Erkenntnis, dass „Fintech“, sprich die Technologie, alleine nicht ausreicht und der Schlüssel oft in der Execution liegt. Auch eine scheinbar optimale Ausgangsposition – die Kombination aus Geld, Endkundenzugang, Händlerzugang – reicht nicht immer aus, um ein Modell langfristig zu etablieren. Die Branche muss nun lernen auch mit „Misserfolgen“ wie Yapital umzugehen. Es werden nicht die letzen bleiben.

Viele Fintechs und Investoren merken, dass es nicht so schnell geht wie bei anderen Startups. E-Commerce hat andere Gesetze und Hebel. Die externen Abhängigkeiten sind geringer und manches Thema ist nach dem Chinesenprinzip zu lösen.

Was ich für 2016 erwarte:

Die „alten Fintech-Modelle” wie Mobile Payment und das Lending werden sich konsolidieren. Existierende Player öffnen sich gegenüber neuen Technologien. In allen Fintech-relevanten Schritten werden wir 2016 neue Ansätze sehen. Ein Umdenken hin zu kleineren Innovationen wird stattfinden – es muss nicht immer eine grundlegende „Disruption“ sein. Die Versicherungenbranche wird mit Insuretech-Startups weiter neue Konkurrenz bekommen.

Kilian Thalhammer ist seit mehr als zehn Jahren im Bereich Payment, Fintech, E-Commerce & Loyalty unterwegs. Er war Geschäftsführer bei Paymill und ist heute als Berater und Business Angel aktiv.

Bild: Getty Images/Westend61